Vera Lengsfeld: Die grünen Abzocker

Als ich im Dezember 1990 als Abge­ordnete der Gruppe Bündnis 90/ Grüne in den Bun­destag einzog, waren die West­grünen dabei, ein­zu­packen. Zur Erin­nerung: Um der PDS nach der Ver­ei­nigung den Einzug ins Par­lament zu sichern, über­redete der damalige Vor­sit­zende der umbe­nannten SED Bärbel Bohley, die Gali­ons­figur des Neuen Forums, mit ihm vor das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu ziehen, um durch­zu­setzen, dass die erste gemeinsame Wahl in zwei getrennten Wahl­ge­bieten statt­finden muss. Natürlich argu­men­tierte der clevere Anwalt allein mit den Wahl­chancen des Neuen Forums und hatte Erfolg. Die Bun­des­tagswahl 1990 fand in zwei getrennten Wahl­ge­bieten statt. Bündnis 90/ Grüne überwand im Osten die 5%-Hürde, die Grünen im Westen schei­terten und mussten ihre sicher geglaubten Abge­ord­ne­ten­büros räumen.

So kam es, dass sich bald grüne Akti­visten bei mir ein­fanden, um mich darin zu unter­richten, wie man „Staats­knete“ abfasst. Das System hätte mit der grünen Fraktion bestens funk­tio­niert, es müsste von uns unbe­dingt fort­ge­führt werden. Als ich sie fragte, wieso sie Geld von einem Staat haben wollten, den sie ver­achten, ja abschaffen wollen, sahen sie mich an wie eine Geis­tes­kranke. Je mehr Knete man diesem System ent­ziehen könnte, umso besser. Das sollte ich lieber schnell begreifen. Ich schickte sie weg. Ob sie bei anderen Kol­legen von Bündnis 90/Grüne waren und dort mehr Erfolg hatten, weiß ich nicht. Ich erzähle diese Geschichte, weil sie beweist, wie Grüne schon immer agiert haben. Sie gehören zu den Typen, die meinen, ihnen stünde alles zu, was ihnen in den Sinn kommt. Meine Mutter würde sagen, sie gehören zum Stamme „Nimm“.

Dazu kommt eine aus­ge­prägte Leis­tungs­feind­lichkeit. Die macht sich breit, seit die 68er den gesell­schaft­lichen Diskurs bestimmen. Sie haben die Erosion des Leis­tungs­ge­dankens bewirkt. Als Pro­fi­teure des Wirt­schafts­wunders haben die 68er die Früchte der Arbeit ihrer Eltern genießen können, ohne selbst etwas dafür getan zu haben. Nach dem Studium gab es Arbeits­stellen für alle. Ein auf­ge­blähter öffent­licher Dienst, der ebenso auf­ge­stockte Bil­dungs­sektor, die aus­ufernden öffentlich-recht­lichen Sender boten jede Menge Kar­rie­re­mög­lich­keiten. Für die Kinder dieser 68er hat sich das noch einmal durch staatlich finan­zierte NGOs, Stif­tungen und Bun­des­zen­tralen erweitert. Man braucht nur zuzu­greifen, wenn man die richtige Gesinnung hat.

Die Erfahrung, etwas zu bekommen, wofür man nichts geleistet hat, ist inzwi­schen zu einer all­ge­meinen Erwar­tungs­haltung in der Gesell­schaft ver­kommen. Die Quote ist ein Symbol dafür.

Annalena Baerbock ist das typische Produkt dieses Zeit­geistes. Bei ihrem Griff nach dem höchsten Amt im Staate spielte nur noch die Quote eine Rolle, die Qua­li­fi­kation war kein Thema. Baerbock ist dabei offen­sichtlich von kei­nerlei Selbst­zweifel gebremst worden, hatte sie doch die Erfahrung gemacht, dass sie nur zu fordern brauchte, um zu bekommen, was sie wollte.

Dafür ist ihr Pro­mo­ti­ons­sti­pendium ein Bei­spiel. Sie hat es vier Jahre bezogen, ohne ihre Dis­ser­tation je zu beenden. Natürlich kann man ihr zugu­te­halten, dass sie in diesen vier Jahren ihr erstes Kind bekam und deshalb ver­längern durfte. Aber wer nach 23 Uhr noch ein Buch schreiben zu können behauptet, das der Öffent­lichkeit prä­sen­tiert und dann ein­ge­stehen muss, dass in ihr Werk viele nicht gekenn­zeichnete fremde Ideen ein­ge­flossen sind, muss sich nicht wundern, dass Fragen nach der angeblich fast fer­tigen Dis­ser­tation gestellt werden.

Unter dem Druck der Recher­che­er­geb­nisse von Tichys Ein­blick, ob sie berechtigt war, ein Sti­pendium zu beziehen, die u.a. von Bild auf­ge­griffen wurden, hat Baerbock ver­kündet, die Heinrich Böll-Stiftung gebeten zu haben, die Umstände ihres Sti­pen­diums noch einmal zu prüfen. Damit hat sie aller­dings den Bock zum Gärtner gemacht, denn die Stiftung dürfte kein Interesse daran haben, fest­zu­stellen, dass sie vor zehn Jahren nicht so genau hin­ge­sehen hat, als sie das Geld ausreichte.

Der Vorgang erinnert an die Prüfung der Dis­ser­tation von Fran­ziska Giffey durch die FU Berlin. Da wand man sich lange, am Ende aber erfolglos, darum, anzu­er­kennen, dass es sich um eine Arbeit, voll von  Pla­giaten han­delte, so dass Giffey der Titel ent­zogen werden musste.

Bei Baerbock geht es darum, ob sie berechtigt war, ein Sti­pendium zu beziehen, dass an die Bedingung geknüpft ist, dass der Sti­pendiat mehr als 50% seiner Arbeitszeit auf die Her­stellung der Dis­ser­tation ver­wendet. Das Bun­des­mi­nis­terium für Bildung und For­schung schreibt in einer Richt­linie von 2009 vor, dass Sti­pen­diaten der Begab­ten­för­de­rungs­werke keinen anderen Tätig­keiten nach­gehen dürfen, die die Arbeits­kraft „über­wiegend“ in Anspruch nehmen. Nun hat Air Turkis für Tichy her­aus­ge­funden, dass der grüne Lan­des­verband seiner Vor­sit­zenden eine Ver­gütung gewährte, weil sie mehr als 50% ihrer Arbeits­kraft für die Partei einsetze.

Diese Ent­de­ckung hätte eigentlich dazu führen müssen, dass Baerbock umgehend ihr Sti­pendium zurück­zahlt und sich der Dis­kussion stellt, ob sie cha­rak­terlich für das Amt, das sie nach wie vor anstrebt, geeignet ist. Statt­dessen ver­suchen die Grünen wieder zu leugnen. Air Turkis zitiert eine Äußerung der grünen Pressestelle:

„Frau Baer­bocks Haupt­fokus lag in diesen Jahren auf der Arbeit an ihrem Pro­mo­ti­ons­vor­haben, das par­tei­po­li­tische, im Kern ehren­amt­liche Enga­gement fand ins­be­sondere in den Abend­stunden und an Wochen­enden statt. Ihren Pflichten als Sti­pen­diatin – z.B. Teil­nahme am Begleit­pro­gramm, regel­mäßige Berichte über den For­schungs­verlauf – ist Frau Baerbock selbst­ver­ständlich – auch nach Aus­kunft der Heinrich‑Böll-Stiftung – während der Förderung nach­ge­kommen.“

Dem hält Air Turkis aller­dings ent­gegen: „Einem offi­zi­ellen Finanz­be­richt des Grünen Lan­des­ver­bandes geht schwarz auf weiß hervor: „Die Lan­des­vor­sit­zenden arbeiten ehren­amtlich, geben aber weit mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit für den Landesverband“.

Air Turkis schlussfolgert:

„Nun stellt sich die Frage:

  • Will die Grüne Bun­des­partei uns sagen, dass der Grüne Lan­des­verband seine Mit­glieder belogen hat, um der Lan­des­vor­sit­zenden ein Gehalt aus­zu­zahlen, obwohl sie nur wenig gear­beitet und statt­dessen pro­mo­viert hat? 

Oder

  • Schwindelt die Grünen-Spre­cherin, um Baer­bocks 40.000 Euro Sti­pendium zu retten? 

Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten“.

Wer, wie die grüne Pres­se­stelle agiert, hat kein Unrechts­be­wusstsein, sondern reagiert lediglich genervt auf Ent­de­ckungen, die aus ihrer Sicht nie hätten gemacht werden dürfen.

Wieder einmal werden die Grünen von der häss­lichen Rea­lität ein­geholt. Wir dürfen gespannt sein, wie lange sie brauchen, um ein­zu­stehen, dass sie sich mit der Kanz­le­rin­nen­kan­di­da­ten­nummer ver­zockt haben.


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de