Wieder einmal Panama: Eine Gruppe von über 600 Journalisten weltweit hat monatelang ein riesiges Konvolut von 11,9 Millionen vertraulichen Dokumenten ausgewertet, das ihnen zugespielt worden ist. Eine unglaubliche Sysiphus-Aufgabe. Es enthüllt ein riesiges Netz von anrüchigen bis kriminellen Geschäften, abgewickelt über Briefkastenfirmen und nicht nur in Panama. Offenbar gibt es noch echte Investigative und nicht nur, wie wir es dauernd erleben müssen, von der Regierung bezahlte, „Faktenchecker“, die ungetrübt jeglichen Fachwissens die niederschreiben, die der Regierungslinie unbequem sind. Andererseits werden aber von den „Hunderten Politikern“ nur jene angeprangert, deren Ruf man hierzulande sowieso gern ramponiert.
So wird gern der russische Präsident Wladimir Putin genannt, obwohl man dann doch verschämt hinterherschieben muss, dass er selber nichts mit der Sache zu tun hat, nur irgendwelche Freunde. „Kontaktschuld“ ist ein unfaires, aber gern von Systemjournalisten eingesetztes Mittel zur Diskreditierung.
Pandora Papers — 11,9 Millionen Dokumente, 35 Staatsoberhäupter, ca. 330 Politiker
Der Name „Pandora Papers“ deutet es schon an: In der griechischen Mythologie straften die Götter die Menschheit dafür, dass Prometheus das göttliche Feuer gestohlen und den Menschen gebracht hatte, indem sie die schöne Pandora aus Lehm erschufen und ihr ein Kästchen mitgaben. Sie sollte es den Menschen geben mit der Anweisung, es unter keinen Umständen zu öffnen. Doch Pandora öffnete die Büchse, und der Inhalt ergoss sich in die Welt: Alle Laster und Leiden, alles Schlechte und Verbrechen verbreitete sich in der bis dahin unschuldigen Menschheit. Als einzige gute Gabe enthielt die Büchse die Hoffnung. Doch bevor auch sie in die Welt entschweben konnte, wurde die Büchse geschlossen.
Das „Internationale Consortium Investigativer Journalisten“ (ICIJ) erhielt das riesige Konvolut von vertraulichen Papieren und Daten von einer anonymen Quelle zugespielt. Diese geheimen Dokumente gewährte den Rechercheuren Einblick in die Geschäfte von Internationalen Finanzdienstleistern, die aus 14 Steueroasen heraus ihre Dienste all den mächtigen und Reichen anbieten, die ihr Vermögen aus dem Zugriff der Finanzämter und dem Blickfeld der dummen, ungewaschenen Menschenmeute in Sicherheit bringen wollen. Hunderte Politiker sollen sich unter der erlesenen Kundschaft dieser Finanzdienstleister gefunden haben, in trauter Gesellschaft mit den Bussi-Bussi-Prominenten dieser Welt, mit denen man sich ja gerne sehen und fotografieren lassen möchte. Seite an Seite mit Kriminellen und Mafiosi nutze man ganz selbstverständlich die Dienste der verschwiegenen, zuverlässigen, kundigen Herren mit ihren weitverzweigten Netzen von Briefkastenfirmen, undurchsichtigen Trusts und Stiftungen.
Ein weltweites Recherchenetz
Unter der betuchten Kundschaft finden sich 35 gegenwärtig amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter, Präsidenten, Premierminister. Mehr als 330 Politiker und Amtsträger, wie Minister, Richter, Majore und Generäle aus fast 100 Ländern tun es ihren Vorgesetzten gleich. Dazu kommen noch Prominente, Spitzensportler und Firmenvorstände. Deutsche Politiker werden in den Berichten nicht genannt, sei es, dass es tatsächlich keine deutschen Amtsträger in den Papieren zu finden gibt oder weil die hiesige Presse dicht hält, insbesondere, wenn die Staatsfunksender NDR und WDR nach eigenen Angaben an den Auswertungen mitgewirkt haben.
Die geheimen Dokumente zu dem Netz dieser 14 globalen Finanzdienstleister reichen bis in dieses Jahr, sind also brandaktuell. Diese Unterlagen sind das größte Datenleck zu Finanzgeschäften in Steueroasen, das es bisher gab. Der Datenleck-Vorgänger „Panama Papers“ ist dagegen ein erster Versuch. Laut „Guardian“ spielte sich das Geschäft in diversen Steueroasen ab, genannt werden Panama, Dubai, Monaco, die Schweiz, Vietnam, Belize, Singapur, die Bahamas, die Seychellen und die Cayman-Inseln.
Journalisten von 10 Medienorganisationen in 117 Ländern wühlten sich durch diesen Berg von 11,9 Millionen Dokumenten mit insgesamt 1.4 Terabyte. Dazu gehörten beispielsweise die altehrwürdige, US-amerikanische „Washington Post“, der britische „Guardian“, der indische „Indian Express“, Frankreichs „Le Monde“ und die norwegische „Aftenposten“.
Alle veröffentlichten am Sonntagabend gemeinsam die Ergebnisse.
Wer wird genannt, wer nicht?
Während der „Guardian“ unverblümt auch Boris Johnsons Finanzgeschäfte erwähnt, halten deutsche Medien auffällig alle Namen von „westlichen“ Politikern heraus. So berichtet keiner hier in Deutschland, dass die globalen Milliardäre (die wir ja alle kennen und die gerade die Geschicke der Welt nach ihrem Gutdünken lenken) ihre vielen Zig-Millionen-Dollar-Pracht-Immobilien und Zig-Millionen-Dollar-Yachten in sogenannten „Shell-Companies“ und auf Inkognito-Konten als „Gesellschaften“ und „Unternehmen“ tarnen. Sogar Kunst, wie geraubte Kambodschanische Antiquitäten, Gemälde von Picasso und Wandgemälde von Banksy gehören solchen Schein-Firmen und dienen nur dazu, diese Vermögenswerte vor Besteuerung oder Nachforschungen zu schützen. Diese – meist sogar legale! — Steuervermeidung kostet die Staaten, also die Bürger, Milliarden an Steuereinnahmen. Unsere Staatshaushalte, Sozialkassen und Rentenkassen wären weltweit besser gestellt, wenn die Superreichen anständig ihre Steuern bezahlen würden.
Nun, wer sind denn die Schwerreichen, die ihren Bürgern und Mitmenschen die Gelder vorenthalten, die immerhin die Gesellschaften stützen würden, aus denen sie ihre riesigen Einkommen generieren?
Genannt wird hier beispielsweise der König von Jordanien, Seine Majestät König Abdullah II. Er hat, dem Rechercheur Guardian zufolge ein geheimes 100.000.000 $ (Einhundert Millionen) Imperium an Immobilien zusammengerafft. Die königlichen Anwesen befinden sich in Malibu, Washington und London. Seine Majestät lehnte es ab, sich zu äußern, merkte aber an, dass es legal sei, Immobilen über Offshore-Companies zu besitzen. Interessanterweise soll nach dem Bericht des Guardian die ICIJ-Webseite (die der investigativen Journalisten) schon Stunden vor Veröffentlichung der Pandora-Papers in Jordanien gesperrt gewesen sein.
Dann wird noch über den aserbeidschanischen Präsidenten, seine Exzellenz Ilham Aliyev geschrieben. Seine Familie besitzt etwa 400.000.000 (vierhundert Millionen) Britische Pfund in britischen Immobilien. Eine davon haben sie an die Britische Krone verkauft, wo man jetzt nachforscht, wie es dazu kommen konnte, dass man 67.000.000 Pfund an eine Gesellschaft bezahlt hat, hinter deren Deckung eine Familie steckt, die ein Land regiert, das ständig im Verdacht der Korruption steht. Die Familie Aliyev lehnt jedoch jeden Kommentar ab.
In unseren Medien wird gern der tschechische Premierminister Andrej Babiš genannt, bleibt aber quer durch alle deutschen Medien so ziemlich der Einzige. Er befindet sich mitten im Wahlkampf, was aber nicht viel bedeutet, wie wir am Beispiel unseres wohl zukünftigen Bundeskanzlers Olaf Scholz sehen konnten. Seine Verwicklung in den Cum-Ex-Skandal, wo es ebenfalls um massive und eindeutige Steuerhinterziehung geht, hat ihm nicht geschadet und wird auch kaum weiter thematisiert. Tschechiens Premierminister benutzte eine Offshore-Gesellschaft, um sich ein „Chateau“ (Schlösschen) in Frankreich für 22 Millionen Dollar zu kaufen. Auch er gab keinen Kommentar. Erstaunlich, wie so viele sonst so redselige Spitzenpolitiker plötzlich so schweigsam werden.
Sogar der Präsident von Zypern, seine Exzellenz Nicos Anastasiades, könnte in die Verlegenheit kommen, seinen eigenen Behörden erklären zu müssen, warum die von ihm gegründete, hochkarätige Anwaltskanzlei im dringenden Verdacht steht, die Vermögenswerte eines umstrittenen russischen Milliardärs hinter gefakten Gesellschaftseigentümern zu verstecken. Die Kanzlei weist jeden Vorwurf von sich und der zypriotische Präsident sagt einfach, er habe längst schon keine aktive Rolle mehr in den Geschäften der Kanzlei, seit er 1997 Oppositionsführer in Tschechien wurde.
Der ukrainische Präsident, seine Exzellenz Wolodimir Selensky hatte ja nach seiner Wahl 2019 gelobt, das Land von seiner berüchtigten Korruption und der Oligarchenwirtschaft zu reinigen. Und sieh an, er taucht ebenfalls in den Pandora-Dokumente auf. Und zwar schon früh: Schon während der Wahlkampagne transferierte er seine 25% Einlage in einer solchen Offshore-Gesellschaft an einen engen Freund, der jetzt als Chefberater des Präsidenten fungiert.
Dummerweise erscheint seine Exzellenz, Präsident Putin, nicht in den Papieren. Schade. Kein Festmahl für die Presse. Allerdings ein paar seiner Freunde tun es. Hier wird aber weiter nichts beschrieben, was vorwerfbar wäre. Der engste Freund des russischen Präsidenten, Petr Kolbin, der immer im Ruf stand, Putins „Brieftasche“ zu sein, ist schon eine Weile verstorben. Solange – wie auch bei dem Ehepaar Blair – das, was da in den Daten zu finden ist, vollkommen legal ist, sollte man nicht mit Schmutz werfen.
Seine Exzellenz, Präsident Uhuru Kenyatta, der sich immer als ein Feind der Korruption bezeichnete, wird dagegen wohl ebenfalls in Erklärungsnöte kommen. Den Dokumenten zufolge müsste er eine gute Begründung dafür finden, dass er und seine engsten Verwandten auf Offshore-Konten mehr als 30 Millionen Dollar und eine Immobilie in London besitzen. Auch der kenianische Präsident wollte nicht zu den aufgetauchten Dokumenten Stellung nehmen.
Auch der Präsident von Equador und Tony Blair, Britanniens ehemaliger Premierminister, finden sich in den Dokumenten.
Die Reichen sind durchaus in der Gesellschaft der Schönen. Auch die Sängerin Shakira und das ehemalige Supermodel Claudia Schiffer haben ihre Millionen offensichtlich in solchen undurchsichtigen Offshore-Gesellschaften geparkt. Dass Claudia Schiffer ein großes Anwesen auf Mallorca an einem Küstenberg bei Andratx gekauft hatte, was die eingesessenen Nachbarn extrem nervte, habe ich vor etwa 20 Jahren miterlebt. Denn Frau Schiffer ließ auf diesem Berghang, auf dem die Reichen und Schönen in sündhaft teuren Villen residieren, von morgens bis spät nachmittags Felsen wegsprengen, um ein Plateau zu schaffen, auf dem ihre Villa gebaut werden kann. Da ich nur zu Besuch da war, habe ich die fertige Villa leider nie gesehen.
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