Bild: Fotomontage: Niki Vogt, Bild Rechts: Wikipedia, Jules Lefebvre, Pandora öffnet die Büchse, gemeinfrei.

Vom schönen Panama zur fins­teren Büchse der Pandora: Datenleck offenbart welt­weite Ver­stri­ckung von Poli­tikern in dubiose Geschäfte

Wieder einmal Panama: Eine Gruppe von über 600 Jour­na­listen weltweit hat mona­telang ein rie­siges Kon­volut von 11,9 Mil­lionen ver­trau­lichen Doku­menten aus­ge­wertet, das ihnen zuge­spielt worden ist. Eine unglaub­liche Sysiphus-Aufgabe. Es ent­hüllt ein rie­siges Netz von anrü­chigen bis kri­mi­nellen Geschäften, abge­wi­ckelt über Brief­kas­ten­firmen und nicht nur in Panama. Offenbar gibt es noch echte Inves­ti­gative und nicht nur, wie wir es dauernd erleben müssen, von der Regierung bezahlte, „Fak­ten­checker“, die unge­trübt jeg­lichen Fach­wissens die nie­der­schreiben, die der Regie­rungs­linie unbequem sind. Ande­rer­seits werden aber von den „Hun­derten Poli­tikern“ nur jene ange­prangert, deren Ruf man hier­zu­lande sowieso gern ramponiert.

So wird gern der rus­sische Prä­sident Wla­dimir Putin genannt, obwohl man dann doch ver­schämt hin­ter­her­schieben muss, dass er selber nichts mit der Sache zu tun hat, nur irgend­welche Freunde. „Kon­takt­schuld“ ist ein unfaires, aber gern von Sys­tem­jour­na­listen ein­ge­setztes Mittel zur Diskreditierung.

Pandora Papers — 11,9 Mil­lionen Doku­mente, 35 Staats­ober­häupter, ca. 330 Poli­tiker 

Der Name „Pandora Papers“ deutet es schon an: In der grie­chi­schen Mytho­logie straften die Götter die Menschheit dafür, dass Pro­me­theus das gött­liche Feuer gestohlen und den Men­schen gebracht hatte, indem sie die schöne Pandora aus Lehm erschufen und ihr ein Kästchen mit­gaben. Sie sollte es den Men­schen geben mit der Anweisung, es unter keinen Umständen zu öffnen. Doch Pandora öffnete die Büchse, und der Inhalt ergoss sich in die Welt: Alle Laster und Leiden, alles Schlechte und Ver­brechen ver­breitete sich in der bis dahin unschul­digen Menschheit. Als einzige gute Gabe ent­hielt die Büchse die Hoffnung. Doch bevor auch sie in die Welt ent­schweben konnte, wurde die Büchse geschlossen.

Das „Inter­na­tionale Con­sortium Inves­ti­ga­tiver Jour­na­listen“ (ICIJ) erhielt das riesige Kon­volut von ver­trau­lichen Papieren und Daten von einer anonymen Quelle zuge­spielt. Diese geheimen Doku­mente gewährte den Recher­cheuren Ein­blick in die Geschäfte von Inter­na­tio­nalen Finanz­dienst­leistern, die aus 14 Steu­er­oasen heraus ihre Dienste all den mäch­tigen und Reichen anbieten, die ihr Ver­mögen aus dem Zugriff der Finanz­ämter und dem Blickfeld der dummen, unge­wa­schenen Men­schen­meute in Sicherheit bringen wollen. Hun­derte Poli­tiker sollen sich unter der erle­senen Kund­schaft dieser Finanz­dienst­leister gefunden haben, in trauter Gesell­schaft mit den Bussi-Bussi-Pro­mi­nenten dieser Welt, mit denen man sich ja gerne sehen und foto­gra­fieren lassen möchte. Seite an Seite mit Kri­mi­nellen und Mafiosi nutze man ganz selbst­ver­ständlich die Dienste der ver­schwie­genen, zuver­läs­sigen, kun­digen Herren mit ihren weit­ver­zweigten Netzen von Brief­kas­ten­firmen, undurch­sich­tigen Trusts und Stiftungen.

Ein welt­weites Recherchenetz

Unter der betuchten Kund­schaft finden sich 35 gegen­wärtig amtie­rende und ehe­malige Staats­ober­häupter, Prä­si­denten, Pre­mier­mi­nister. Mehr als 330 Poli­tiker und Amts­träger, wie Minister, Richter, Majore und Generäle aus fast 100 Ländern tun es ihren Vor­ge­setzten gleich. Dazu kommen noch Pro­mi­nente, Spit­zen­sportler und Fir­men­vor­stände. Deutsche Poli­tiker werden in den Berichten nicht genannt, sei es, dass es tat­sächlich keine deut­schen Amts­träger in den Papieren zu finden gibt oder weil die hiesige Presse dicht hält, ins­be­sondere, wenn die Staats­funk­sender NDR und WDR nach eigenen Angaben an den Aus­wer­tungen mit­ge­wirkt haben.

Die geheimen Doku­mente zu dem Netz dieser 14 glo­balen Finanz­dienst­leister reichen bis in dieses Jahr, sind also brand­ak­tuell. Diese Unter­lagen sind das größte Datenleck zu Finanz­ge­schäften in Steu­er­oasen, das es bisher gab. Der Datenleck-Vor­gänger „Panama Papers“ ist dagegen ein erster Versuch. Laut „Guardian“ spielte sich das Geschäft in diversen Steu­er­oasen ab, genannt werden Panama, Dubai, Monaco, die Schweiz, Vietnam, Belize, Sin­gapur, die Bahamas, die Sey­chellen und die Cayman-Inseln.

Jour­na­listen von 10 Medi­en­or­ga­ni­sa­tionen in 117 Ländern wühlten sich durch diesen Berg von 11,9 Mil­lionen Doku­menten mit ins­gesamt 1.4 Terabyte. Dazu gehörten bei­spiels­weise die alt­ehr­würdige, US-ame­ri­ka­nische „Washington Post“, der bri­tische „Guardian“, der indische „Indian Express“, Frank­reichs „Le Monde“ und die nor­we­gische „Aften­posten“.

Alle ver­öf­fent­lichten am Sonn­tag­abend gemeinsam die Ergebnisse.

Wer wird genannt, wer nicht?

Während der „Guardian“ unver­blümt auch Boris Johnsons Finanz­ge­schäfte erwähnt, halten deutsche Medien auf­fällig alle Namen von „west­lichen“ Poli­tikern heraus. So berichtet keiner hier in Deutschland, dass die glo­balen Mil­li­ardäre (die wir ja alle kennen und die gerade die Geschicke der Welt nach ihrem Gut­dünken lenken) ihre vielen Zig-Mil­lionen-Dollar-Pracht-Immo­bilien und Zig-Mil­lionen-Dollar-Yachten in soge­nannten „Shell-Com­panies“ und auf Inko­gnito-Konten als „Gesell­schaften“ und „Unter­nehmen“ tarnen. Sogar Kunst, wie geraubte Kam­bo­dscha­nische Anti­qui­täten, Gemälde von Picasso und Wand­ge­mälde von Banksy gehören solchen Schein-Firmen und dienen nur dazu, diese Ver­mö­gens­werte vor Besteuerung oder Nach­for­schungen zu schützen. Diese – meist sogar legale! — Steu­er­ver­meidung kostet die Staaten, also die Bürger, Mil­li­arden an Steu­er­ein­nahmen. Unsere Staats­haus­halte, Sozi­al­kassen und Ren­ten­kassen wären weltweit besser gestellt, wenn die Super­reichen anständig ihre Steuern bezahlen würden.

Nun, wer sind denn die Schwer­reichen, die ihren Bürgern und Mit­men­schen die Gelder vor­ent­halten, die immerhin die Gesell­schaften stützen würden, aus denen sie ihre rie­sigen Ein­kommen generieren?

Genannt wird hier bei­spiels­weise der König von Jor­danien, Seine Majestät König Abdullah II. Er hat, dem Recher­cheur Guardian zufolge ein geheimes 100.000.000 $ (Ein­hundert Mil­lionen) Imperium an Immo­bilien zusam­men­ge­rafft. Die könig­lichen Anwesen befinden sich in Malibu, Washington und London. Seine Majestät lehnte es ab, sich zu äußern, merkte aber an, dass es legal sei, Immo­bilen über Off­shore-Com­panies zu besitzen. Inter­es­san­ter­weise soll nach dem Bericht des Guardian die ICIJ-Web­seite (die der inves­ti­ga­tiven Jour­na­listen) schon Stunden vor Ver­öf­fent­li­chung der Pandora-Papers in Jor­danien gesperrt gewesen sein.

Dann wird noch über den aser­bei­dscha­ni­schen Prä­si­denten, seine Exzellenz Ilham Aliyev geschrieben. Seine Familie besitzt etwa 400.000.000 (vier­hundert Mil­lionen) Bri­tische Pfund in bri­ti­schen Immo­bilien. Eine davon haben sie an die Bri­tische Krone ver­kauft, wo man jetzt nach­forscht, wie es dazu kommen konnte, dass man 67.000.000 Pfund an eine Gesell­schaft bezahlt hat, hinter deren Deckung eine Familie steckt, die ein Land regiert, das ständig im Ver­dacht der Kor­ruption steht. Die Familie Aliyev lehnt jedoch jeden Kom­mentar ab.

In unseren Medien wird gern der tsche­chische Pre­mier­mi­nister Andrej Babiš genannt, bleibt aber quer durch alle deut­schen Medien so ziemlich der Einzige. Er befindet sich mitten im Wahl­kampf, was aber nicht viel bedeutet, wie wir am Bei­spiel unseres wohl zukünf­tigen Bun­des­kanzlers Olaf Scholz sehen konnten. Seine Ver­wicklung in den Cum-Ex-Skandal, wo es eben­falls um massive und ein­deutige Steu­er­hin­ter­ziehung geht, hat ihm nicht geschadet und wird auch kaum weiter the­ma­ti­siert. Tsche­chiens Pre­mier­mi­nister benutzte eine Off­shore-Gesell­schaft, um sich ein „Chateau“ (Schlösschen) in Frank­reich für 22 Mil­lionen Dollar zu kaufen. Auch er gab keinen Kom­mentar. Erstaunlich, wie so viele sonst so red­selige Spit­zen­po­li­tiker plötzlich so schweigsam werden.

Sogar der Prä­sident von Zypern, seine Exzellenz Nicos Ana­sta­siades, könnte in die Ver­le­genheit kommen, seinen eigenen Behörden erklären zu müssen, warum die von ihm gegründete, hoch­ka­rätige Anwalts­kanzlei im drin­genden Ver­dacht steht, die Ver­mö­gens­werte eines umstrit­tenen rus­si­schen Mil­li­ardärs hinter gefakten Gesell­schafts­ei­gen­tümern zu ver­stecken. Die Kanzlei weist jeden Vorwurf von sich und der zyprio­tische Prä­sident sagt einfach, er habe längst schon keine aktive Rolle mehr in den Geschäften der Kanzlei, seit er 1997 Oppo­si­ti­ons­führer in Tsche­chien wurde.

Der ukrai­nische Prä­sident, seine Exzellenz Wolo­dimir Selensky hatte ja nach seiner Wahl 2019 gelobt, das Land von seiner berüch­tigten Kor­ruption und der Olig­ar­chen­wirt­schaft zu rei­nigen. Und sieh an, er taucht eben­falls in den Pandora-Doku­mente auf. Und zwar schon früh: Schon während der Wahl­kam­pagne trans­fe­rierte er seine 25% Einlage in einer solchen Off­shore-Gesell­schaft an einen engen Freund, der jetzt als Chef­be­rater des Prä­si­denten fungiert.

Dum­mer­weise erscheint seine Exzellenz, Prä­sident Putin, nicht in den Papieren. Schade. Kein Festmahl für die Presse. Aller­dings ein paar seiner Freunde tun es. Hier wird aber weiter nichts beschrieben, was vor­werfbar wäre. Der engste Freund des rus­si­schen Prä­si­denten, Petr Kolbin, der immer im Ruf stand, Putins „Brief­tasche“ zu sein, ist schon eine Weile ver­storben. Solange – wie auch bei dem Ehepaar Blair – das, was da in den Daten zu finden ist, voll­kommen legal ist, sollte man nicht mit Schmutz werfen.

Seine Exzellenz, Prä­sident Uhuru Ken­yatta, der sich immer als ein Feind der Kor­ruption bezeichnete, wird dagegen wohl eben­falls in Erklä­rungsnöte kommen. Den Doku­menten zufolge müsste er eine gute Begründung dafür finden, dass er und seine engsten Ver­wandten auf Off­shore-Konten mehr als 30 Mil­lionen Dollar und eine Immo­bilie in London besitzen. Auch der kenia­nische Prä­sident wollte nicht zu den auf­ge­tauchten Doku­menten Stellung nehmen.

Auch der Prä­sident von Equador und Tony Blair, Bri­tan­niens ehe­ma­liger Pre­mier­mi­nister, finden sich in den Dokumenten.

Die Reichen sind durchaus in der Gesell­schaft der Schönen. Auch die Sän­gerin Shakira und das ehe­malige Super­model Claudia Schiffer haben ihre Mil­lionen offen­sichtlich in solchen undurch­sich­tigen Off­shore-Gesell­schaften geparkt. Dass Claudia Schiffer ein großes Anwesen auf Mal­lorca an einem Küs­tenberg bei Andratx gekauft hatte, was die ein­ge­ses­senen Nachbarn extrem nervte, habe ich vor etwa 20 Jahren mit­erlebt. Denn Frau Schiffer ließ auf diesem Berghang, auf dem die Reichen und Schönen in sündhaft teuren Villen resi­dieren, von morgens bis spät nach­mittags Felsen weg­sprengen, um ein Plateau zu schaffen, auf dem ihre Villa gebaut werden kann. Da ich nur zu Besuch da war, habe ich die fertige Villa leider nie gesehen.