Nicht nur frieren, auch Pleite gehen für die Freiheit: Nächster Ban­ken­zu­sam­men­bruch wegen Russland Sanktionen

Schon Ende Februar kam die Nach­richt ganz plötzlich: Die Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien war am Ende. Der Ableger der rus­si­schen Sberbank blutete innerhalb kür­zester Zeit aus, weil die Kunden in West­europa vor­sichts­halber ihr Geld abzogen. Die Bank wurde illi­quide. Schon am 1. März, kurz nach Mit­ter­nacht, ver­fügte die öster­rei­chische Finanz­markt­auf­sicht (FMA) die Ein­stellung des Geschäfts­be­triebes. Die EZB warnte vor einem Zah­lungs­ausfall. Dar­aufhin durften die Kunden der Sberbank Europe AG vorerst nur noch maximal 100 Euro am Tag abheben – für den täg­lichen nötigen Bedarf. Auch Online-Banking war nicht mehr möglich.

In Öster­reich und Deutschland betraf das ca. 35.000 Kunden mit Ein­lagen in Höhe von einer Mil­liarde Euro. Das sind etwa 29.000 € pro Kunde. Etwa 26.000 haben die Kunden im Schnitt zurück­er­halten. Die Gelder stammen laut Aus­kunft des Ban­ken­ver­bandes aus dem Topf der ESA (Ein­la­gen­si­cherung Austria). Ruft man deren Web­seite auf, findet man schon auf der Homepage sofort alles, was man als Sberbank-Kunde wissen muss, um an sein Geld zu kommen. Die Durch­führung der Aus­zah­lungen erfolgt durch die Ent­schä­di­gungs­ein­richtung deut­scher Banken (EdB) in Zusam­men­arbeit mit der ESA. Sogar auf­ge­laufene Zinsen werden noch ausgezahlt.

Noch. Denn die Kunden der Sberbank haben das Glück, die Ersten zu sein. Die nächste Bank steht bereits zur Abwicklung an und wird wahr­scheinlich noch Nach­folger haben. Die Geld­töpfe der Ein­la­gen­si­cherung sind aber nicht unendlich tief, und irgendwann findet das alte Sprichwort „den Letzten beißen die Hunde“ seine Anwendung.

Die Seite finanz-szene.de, der „News­letter für die Banken- und Finanz­branche“ berichtete am 24. April von der Not der „Ams­terdam Trade Bank“, die eben­falls Ver­bin­dungen nach Russland hat, denn sie ist ein Ableger der Mos­kauer Alfa Bank und gehört dem rus­si­schen Unter­nehmer Michail Fridman.

Tau­sende deutsche Sparer sind betroffen, von den 23.000 pri­vaten Ein­le­ger­kunden sind 6.000 aus Deutschland. Bis zu 100.000 € leistet auch die nie­der­län­dische Ein­la­gen­si­cherung. Die nie­der­län­dische Zen­tralbank (DNB, de Neder­landsche Bank) wird dabei jeden Bank­kunden ent­spre­chend ent­schä­digen, gleich ob er Nie­der­länder ist oder nicht. Am 28. April kün­digte die DNB die Aus­zah­lungen der Ent­schä­di­gungen, der „Payouts“ auf ihrer Seite an. Auch hier besteht für die Kunden die Mög­lichkeit, einen Antrag auf eine wesentlich höheren Summe als 100.000 € zu stellen, wenn es sich um einen nur kurz­fristig hohen Kon­to­stand handelt, wie bei­spiels­weise den Ver­kaufs­erlös eines Hauses.

Trotz deut­scher Kunden, die in deut­schen Filialen oder Online ihre Konten auf den beiden Banken hielten, stehen die Ein­la­gen­si­che­rungen Öster­reichs und der Nie­der­lande gerade, weil die Geld­in­stitute in Wien und Ams­terdam behei­matet sind. Sollte aber als nächste Bank die VTB-Bank Europa, eine Tochter der rus­si­schen VTB Bank, ins Schleudern geraten, wäre die Bafin betroffen, denn die VTB Europa hat ihren Sitz in Frankfurt.

Die jetzt umge­kippte Ams­terdam Trade Bank (ATB) hat aller­dings durchaus wichtige Geschäfts­be­zie­hungen nach Frankfurt, die jetzt Kopf­schmerzen bereiten: Die Insolvenz der Bank bringt das Frank­furter Fintech „Cre­dit­shelf“ in Probleme.

Das Frank­furter „Cre­dit­shelf“ wurde 2014 von Tim Thabe und Daniel Bartsch gegründet und enga­giert sich bei Finan­zie­rungen für den Mit­tel­stand sowie für soge­nannte „Scale-ups“. Ein „Scale up“ ist eine nicht ganz neu gegründete Firma, ein „Start up“, das aus der unsi­cheren Anfangs­phase her­aus­ge­kommen ist und sich zu einem schnell wach­senden, erfolg­reichen Unter­nehmen ent­wi­ckelt, aber nun inves­tieren muss, um den Schwung für eine schnelle Ver­grö­ßerung zu nutzen. Ein „Start up“ ist der erste Keim eines Unter­nehmens, der erst noch zeigen muss, dass er Kunden findet und sich auf dem Markt behaupten kann. Ist das gelungen, braucht das junge Unter­nehmen Mit­ar­beiter, Räum­lich­keiten und Mittel, um schnell zu einem „erwach­senen“ Unter­nehmen zu werden —  sprich Kredite.

Inzwi­schen arbeiten bei Cre­dit­shelf 70 Men­schen. Cre­dit­shelf hat sich selbst zu einem Scale-up ent­wi­ckelt und immer mehr Kunden gewonnen, die die Kredite von „Cre­dit­shelf“ in Anspruch nehmen. Die Gelder für diese Kredite stammen aber zu einem sehr großen Teil von der jetzt insol­venten Ams­terdam Trade Bank (ATB). Hatte Cre­dit­shelf noch 2021 Gelder in Höhe von 68 Mil­lionen Euro zur Kre­dit­vergabe zur Ver­fügung, 50 Mil­lionen davon kamen von der ATB, wurde diese Summe 2022 auf 167 Mil­lionen Euro erhöht. Von den mitt­ler­weile 120 Mil­lionen Euro, die ATB in Cre­dit­shelf inves­tiert hat, ist aber noch nicht alles abge­rufen und in kleine Unter­nehmen inves­tiert worden.

Die Kre­dit­nehmer, also die Mit­tel­ständler und Scale ups, müssen ihre Kre­dit­ver­träge mit Cre­dit­shelf natürlich weiter bedienen, und auch Cre­dit­shelf wird davon die von der ATB zur Ver­fügung gestellten Kredite bedienen. Aber: Das Geld fließt jetzt in die Insol­venz­masse der ATB und Cre­dit­shelf wird sich nach einem neuen Geld­geber umsehen müssen, wie Finanz-Szene berichtet. Andern­falls wirkt sich der Wegfall der ATB als Finanzier direkt auf die Finan­zie­rungs­mög­lich­keiten junger deut­scher Unter­nehmen und des Mit­tel­standes aus.

Ob ein neuer, finanz­starker Partner gefunden werden kann, ist unsicher. Die Schwie­rig­keiten von Cre­dit­shelf dürften aber nur ein Bei­spiel für die ganzen Ver­wer­fungen sein, die sich aus der höchst unsi­cheren Weltlage und dem blind­wü­tigen Sank­tio­nieren ergeben. Das Welt­wirt­schafts- und Finanz­system beruht aus­schließlich darauf, dass im Großen und Ganzen alles funk­tio­niert, ins­be­sondere, dass die Geld- und Waren­ströme unge­stört laufen. Kleine Schäden hält das System aus, weil dann Repa­ra­turme­cha­nismen greifen und neue Mit­spieler mit neuen Kon­zepten die Lücken aus­füllen. Aber größere Erschüt­te­rungen können das riesige Kar­tenhaus blitz­artig zusam­men­fallen lassen. Die gegen­wär­tigen Gescheh­nisse lassen einen kom­menden Sys­tem­crash immer wahr­schein­licher werden.

Dummheit? Fehl­kal­ku­lation – oder Plan?