Holzweg: Was, wenn Anti­körper, die als Reaktion auf “Impf­stoffe” gebildet werden, irrelevant sind?

Eine span­nende Frage, wie wir finden.
Eine Frage, die sich auf­drängt, wenn man:

Dolton, Garry, Cristina Rius, Md Samiul Hasan, Aaron Wall, Barbara Szo­molay, Enas Behiry, Thomas Whalley et al. (2022). Emer­gence of immune escape at dominant SARS-CoV‑2 killer T‑cell epitope. Cell (2022).

gelesen hat. Die Studie der Autoren wurde am 5. August in Cell ver­öf­fent­licht, und sie weckt erheb­liche Zweifel am Nutzen der der­zei­tigen Ver­suche, SARS-CoV‑2 aus der Welt zu impfen, einfach deshalb, weil die Anti­körper, die als Reaktion auf COVID-19 Impf­stoffe / Gen­the­rapien gebildet werden, nur ein kleiner und in Zukunft irrelevant wer­dender Teil der der Lösung des Pro­blems “COVID-19” sind.

Dass Anti­körper nicht alles sind, das ist eigentlich schon lange bekannt. Schon Soresina et al. (2020) haben berichtet, dass Pati­enten,  bei denen keine Anti­körper gegen SARS-CoV‑2 gefunden werden konnten, pro­blemlos von einer Erkrankung an COVID-19 genesen sind.

Soresina, Annarosa, Daniele Moratto, Marco Chiarini, Ciro Paolillo, Giulia Baresi, Ema­nuele Focà, Michela Bezzi, Barbara Baronio, Mauro Gia­co­melli, and Raf­faele Badolato (2020). Two X-linked agam­ma­glo­bu­li­nemia patients develop pneu­monia as COVID-19 mani­fes­tation but recover. Pediatric Allergy and Immu­nology 31(5): 565–569.

Montero-Escribano et al.. (2020) haben eben­falls schon früh darauf hin­ge­wiesen, dass Pati­enten, die keinrlei Anti­körper gegen SARS-CoV‑2 gebildet haben, dennoch kei­nerlei intensive Behandlung benö­tigten, um von einer COVID-19 Erkrankung zu genesen.

Montero-Escribano, Paloma, Jorge Matías-Guiu, Patricia Gómez-Iglesias, Jesús Porta-Etessam, Vanesa Pytel, and Jordi A. Matias-Guiu (2020). Anti-CD20 and COVID-19 in mul­tiple scle­rosis and related dis­orders: a case series of 60 patients from Madrid, SpainMul­tiple scle­rosis and related dis­orders 42: 102185.

Diese Berichte werden von etlichen wei­teren Berichten von gesunden Indi­viduen ergänzt, denen es gelungen ist, eine SARS-CoV‑2 Infektion pro­blemlos hinter sich zu bringen, obschon sie kei­nerlei Anti­körper gegen SARS-CoV‑2 oder gegen die RBD von SARS-CoV‑2 gebildet hatten. Indes: Sie hatten CD8+ t‑Zellen, die SARS-CoV‑2 spe­zi­fisch waren.

Moder­bacher, Carolyn Rydyznski, Sydney I. Ramirez, Jen­nifer M. Dan, Alba Grifoni, Kathryn M. Hastie, Daniela Weiskopf, Simon Belanger et al. (2020). Antigen-spe­cific adaptive immunity to SARS-CoV‑2 in acute COVID-19 and asso­cia­tions with age and disease severity. Cell 183(4): 996‑1012.

Nelde, Annika, Tatjana Bilich, Jonas S. Heitmann, Yacine Maringer, Helmut R. Salih, Malte Roerden, Maren Lübke et al.  (2021). SARS-CoV-2-derived pep­tides define hete­ro­logous and COVID-19-induced T cell reco­gnition.” Nature immu­nology 22(1): 74–85.

Sho­mu­radova, Alina S., Murad S. Vagida, Savely A. She­etikov, Ksenia V. Zor­nikova, Dmitry Kiry­ukhin, Aleksei Titov, Iuliia O. Peshkova et al. (2020). SARS-CoV‑2 epi­topes are reco­gnized by a public and diverse reper­toire of human T cell receptors. Immunity 53(6): 1245–1257.

Moder­bacher et al. (2020) konnten schon früh zeigen, dass bestimmte CD4 und CD8 t‑Zellen in einem Zusam­menhang mit einem mil­deren Verlauf einer COVID-19 Erkrankung stehen. Im Verlauf ihrer For­schung stellten sie die Hypo­these auf, dass eine Erklärung dafür, dass COVID-19 für ältere Men­schen gefähr­licher ist und häu­figer einen schweren Verlauf nimmt, ein beein­träch­tigtes Immun­system und vor allem eine Knappheit von t‑Zellen ist, die mit dem Alter ein­hergeht. Eine hohe Anzahl SARS-CoV‑2 spe­zi­fi­scher t‑Zellen wurde im Zusam­menhang mit mode­ratem Verlauf von COVID-19 gefunden (Liao et al. 2020), eine große Anzahl dieser SARS-CoV‑2 spe­zi­fi­schen t‑Zellen in der aktuten Phase der Infektion wurde dafür ver­ant­wortlich gemacht, dass es SARS-CoV‑2 nicht gelungen ist, sich fest­zu­setzen (Sekine et al. 2020), und es wurde darauf hin­ge­wiesen, dass eine starke Bildung von Anti­körpern als Reaktion auf eine SARS-CoV‑2 Infektion, die von einer schwachen CD8 t‑Zellen Reaktion begleitet wird, die Ursache für schwere und töd­liche Ver­läufe ist (Sette & Crotty 2021). Kurz: Die Bedeutung von t‑Zellen für die Frage, welchen Ausgang eine Erkrankung an COVID-19 nimmt, ist so groß, dass man sich fragt, wieso es bislang so wenig For­schung zu diesem Zusam­menhang gibt, vor allem dazu, wie t‑Zellen Schutz vor schwerer Erkrankung bieten und wie dieser Schutz von SARS-CoV‑2 umgangen werden kann.
Liao, Mingfeng, Yang Liu, Jing Yuan, Yanling Wen, Gang Xu, Juanjuan Zhao, Lin Cheng et al. (2020). Single-cell land­scape of bron­cho­alveolar immune cells in patients with COVID-19.” Nature medicine 26(6): 842–844.
Sekine, Takuya, André Perez-Potti, Olga Rivera-Bal­les­teros, Kris­toffer Strålin, Jean-Bap­tiste Gorin, Annika Olsson, Sian Lle­wellyn-Lacey et al. (2020). Robust T cell immunity in con­va­le­scent indi­vi­duals with asym­pto­matic or mild COVID-19. Cell 183(1): 158–168.
Sette, Ales­sandro, and Shane Crotty (2021). Adaptive immunity to SARS-CoV‑2 and COVID-19Cell 184(4): 861–880.
Dieser Frage haben sich Dalton et al. (2022) in einer Studie gewidmet, deren Ergebnis zeigt, dass der Impfweg gegen SARS-CoV‑2 theo­re­tisch einen posi­tiven Effekt hatte, so lange die Muta­tionen von SARS-CoV‑2 auf die Ver­bes­serung der Effi­zienz des Zugangs zu mensch­lichen Zellen aus­ge­richtet waren, dass diese Bedeutung aber spä­testens seit dieser Zugang mehr oder minder opti­miert ist, schwindet und nun andere Fragen im Zusam­menhang mit SARS-CoV‑2 wich­tiger werden, z.B. die Frage, wie ver­hindert werden kann, dass SARS-CoV‑2 dem adap­tiven Immun­system entkommt.
Um diese Frage zu unter­suchen haben sich Dalton et al. auf ein Molekül kon­zen­triert, das die Antwort des Immun­systems insofern beein­flusst, als es Antigene an der Ober­fläche von Zellen prä­sen­tiert, auf die CD8+ t‑Zellen reagieren, um das Antigen unschädlich zu machen: HLA A02 [human leu­kocyte antigen] – ein Molekül der MHC-Klasse [major his­to­com­pa­ti­bility complex], das sich bei rund 40% der Welt­be­völ­kerung findet, dies ver­mutlich weil es in der Lage ist, Antigene erfolg­reich an Zell­ober­flächen zu prä­sen­tieren. Diese Fähigkeit im Zusam­menhang mit SARS-CoV‑2 haben die Autoren auf Grundlage einer sehr kurzen Gen­se­quenz, des Epi­topes an der Position 269–277 des Spike­pro­teins: YLQPRTFLL unter­sucht. Für diese kurze Sequenz aus dem Genom von SARS-CoV‑2 finden sich unter den rund 1.600.000 Gen­se­quenzen, die im Ver­ei­nigten König­reich sequen­ziert wurden, bereits 73 Muta­tionen, die pro­mi­nen­teste dar­unter P272L, also ein Aus­tausch der Ami­no­säure Proline mit Leucine an Position 272, so dass sich nun die Sequenz YLQLRTFLL ergibt, die als Peptid von HLA A*02 auf­ge­nommen und für t‑Zellen prä­sen­tiert werden kann. Indes, die Auf­nahme und die Prä­sen­tation erfolgt zwar, aber der Aus­tausch einer ein­zigen Ami­no­säure in einer Sequenz aus 9 Ami­no­säuren reicht bereits dafür aus, dass t‑Zellen das von HLA A*02 prä­sen­tierte Peptid nicht mehr erkennen. Dies zeigen die Autoren auf Basis von Blut­proben, die 15 Frei­wil­ligen ent­nommen wurden, dar­unter 7, die zum Zeit­punkt der Blut­ent­nahme mit BNT162b2 (6) bzw. Vax­zevria (1) geimpft waren. In jedem Fall haben die SARS-CoV‑2 spe­zi­fi­schen t‑Zellen, die auf Basis von YLQPRTFLL gebildet worden waren, das ver­än­derte Peptid YLQLRTFLL nicht erkannt. SARS-CoV‑2 ist es somit gelungen, dem Immun­system zu entgehen.

P272L findet sich in allen “Haupt­va­ri­anten”, die es seit der Wuhan-Variante gegeben hat, in Alpha, Beta, Delta und Omikron. Sequen­ziert wurden bislang rund 10.500 Sequenzen, die die ent­spre­chende Mutation ent­halten, genug, um annehmen zu können, dass die Pro­bleme, die es vor­nehmlich mit Alpha im Ver­ei­nigten König­reich gab, in Alpha war P272L besonders häufig, auf eben diese erfolg­reiche Immun­flucht-Mutation zurück­ge­führt werden können.

Was bedeutet das nun?
In den Worten der Autoren:

“In summary, we demons­trate that SARS-CoV‑2 can readily alter its Spike protein via a single amino acid sub­sti­tution so that it is not reco­gnized by CD8 T cells tar­geting the most pre­valent epitope in Spike rest­ricted by the most common HLA‑I across the popu­lation. While it is not pos­sible to directly attribute the emer­gence and pro­pa­gation of the Spike P272L SARS-CoV‑2 variant in parts of the world where HLA A∗02:01 is fre­quently expressed to CD8 T cell-mediated sel­ection pressure, spe­cific focusing of immune pro­tection on a single protein e.g. SARS-CoV‑2 Spike favored by all curr­ently approved vac­cines is likely to enhance any ten­dency for escape at pre­do­minant T cell epi­topes like YLQPRTFLL. Our demons­tration that muta­tions that evade immu­no­do­minant T cell responses through popu­lation-fre­quent HLA can readily arise and dis­se­minate, strongly sug­gests that it will be prudent to monitor such occur­rences and to increase the breadth of next gene­ration SARS-CoV‑2 vac­cines to incor­porate other viral proteins.”

In unseren Worten:

Mit wach­senden Belegen dafür, dass die Frage, ob eine Erkrankung an COVID-19 einen schweren Verlauf nimmt und vor allem der Schutz vor einem schweren Verlauf, nicht alleine von der Anzahl neu­tra­li­sie­render Anti­körper, sondern zu einem guten Teil von der adäquaten Reaktion des adap­tiven Immun­systems, also von der Akti­vierung von t‑Zellen abhängt, rückt die indi­vi­duelle Fähigkeit, eine aus­rei­chende t‑Zellen Reaktion gegen SARS-CoV‑2 in Stellung zu bringen, in den Fokus. Diese Fähigkeit hängt davon ab, dass spe­zi­fische, in Reaktion auf SARS-CoV‑2 gebildete t‑Zellen in der Lage sind, die Antigene, die an der Ober­fläche von Zellen prä­sen­tiert werden, damit CD8-Kil­ler­zellen die befal­lenen Zellen zer­stören, auch erkannt werden. Dalton et al. (2022) zeigen, dass bereits der Aus­tausch einer ein­zigen Ami­no­säure einer kurzen 9 von rund 30.000 umfas­senden Sequenz von Ami­no­säuren aus denen SARS-CoV‑2 besteht, aus­reicht, um der Immun­antwort ent­gehen zu können. Ein Ergebnis, das die Autoren im letzten Satz ihrer Zusam­men­fassung dadurch in seiner Dra­matik beschreiben, dass der Weg voran nicht neue auf ein Protein von SARS-CoV‑2 redu­zierte Impf­stoffe sein können, die nun einer neuen, zum Zeit­punkt, zu dem die “neuen” Impf­stoffe auf den Markt kommen, schon über­holten Variante nach­emp­funden sind, weil schon eine ver­än­derte Ami­no­säure aus­reichen kann, um auch diesen Impf­stoff wir­kungslos werden zu lassen.

Deshalb emp­fehlen die Autoren einen Impf­stoff, der die Bildung von Anti­körpern und Auf­rüstung der Abwehr des adap­tiven Immun­systems auf Basis aller Pro­teine, aus denen SARS-CoV‑2 besteht, ermög­licht. Ein sinn­volles Vor­gehen, das der natür­lichen Immun­re­aktion mensch­licher Orga­nismen nach­emp­funden ist, denn wenn die Gefahr besteht, dass ein Impf­schutz der auf einen kleinen Teil im Genom eines Virus gerichtet ist, schon durch wenige Muta­tionen wir­kungslos werden kann, dann besteht die Gegenwehr gemeinhin darin, die Schutz­wirkung dadurch zu erhöhen, dass mehr Teile des Genoms von SARS-CoV‑2 zum Ziel der Impf­stoffe werden. Indes, ob diese Stra­tegie mit mRNA-Gen­the­rapien durch­führbar ist, ist eine offene Frage.


Quelle: sciencefiles.org