Kanye West: Gemeinfrei via WIkipedia, Hintergrund: pixabay

Adidas in Nöten: Zug­pferd Kanye West trampelt in alle mora­li­schen Fett­näpfchen … äääh, Badewannen

Kanye Omari West, von seinen Fans kurz „Ye“ (gesprochen Jej) genannt, ist ein US-Bürger und Rapper, Musik­pro­duzent und Sänger.  Er gilt als ein heu­tiger Mei­len­stein im Genre des Hip-Hop. Er bewirkte in der Szene die Wende weg von den harten Texten und der aggres­siven Musik des „Gangsta-Raps“ hin zu einem gesun­genen, emo­tio­nalen Stil mit fast bal­la­den­ar­tigen Texten. Den guten Ruf hat er sich aller­dings gründlich ver­masselt, weil er ein beken­nender Trump-Fan ist und durchaus auch anti­se­mi­tische Äuße­rungen tätigt — und das in kon­ser­va­tiven US-Medien auch völlig unge­niert. Jetzt hat Adidas des­wegen die Zusam­men­arbeit aufgekündigt.

Kanye West hatte eine Sport­schuh-Linie unter seinem Namen mit Adidas zusammen her­aus­ge­geben. Diese Treter waren ein Renner im wahrsten Sinne. Dem Adidas Konzern werden die 250 Mil­lionen, die allein bis Oktober 2022 aus dieser Linie her­ein­kamen, in Zukunft fehlen. Adidas lässt sich sein gutes Gewissen also eine Vier­tel­mil­liarde kosten. Aber was hat Kanye West, der Mann mir dem Bril­lan­ten­gebiss denn gesagt?

Er schreibt in einem Podcast am 15. Oktober 2022 von den „geld­gie­rigen Juden“, sieht eine „Ver­schwörung der jüdi­schen Medien“ gegen die Schwarz­ame­ri­kaner, behauptet gar, dass „die Juden“ die Schwarz­ame­ri­kaner „aus­zu­beuten ver­suchen, bis wir sterben“. Und das er nicht an das Wort „Anti­se­mi­tismus“ glaubt.

Auf Twitter schreibt er aber am gleichen Tag, er sei kein Anti­semit, weil „Schwarze eigentlich Juden“ seien. Dann schreibt er auf Instagram, der Musik­pro­duzent Sean Combs sei von Juden kon­trol­liert. Er wurde dar­aufhin von Twitter und Instagram ein paar Tage gesperrt.

Außerdem behauptete er am selben Tag, der Schwarz­ame­ri­kaner George Floyd sei gar nicht durch Poli­zei­gewalt gestorben, sondern durch eine Über­dosis an Metham­phetamin, Can­nabis sowie Fen­tanyl (einem Hero­in­ersatz), Sub­stanzen, die der Gerichts­pa­thologe auch damals fest­ge­stellt hatte.

Überdies brachte Herr Kanye West auch bestimmte Kreise in Rage, weil er auf seiner Moden­schau Kleidung mit dem Slogan „White Lives Matter“ getragen hat – und seine Models auch. Er ließ eigentlich kein Reiz­thema aus, muss man sagen. Eben­falls im Oktober 2022 trug er eine Kette mit einem Ultra­schallbild eine Unge­bo­renen, als Protest gegen Abtreibung. Dabei behauptete er, ohne einen Beweis zu nennen:

„In New York werden mitt­ler­weile mehr schwarze Babys abge­trieben als geboren werden. Fünfzig Prozent der schwarzen Toten in Amerika kommen durch Abtreibung.“

Dar­aufhin gingen bei Adidas viele Zuschriften und Anrufe ein, die ver­langten, dass der Sport­ar­ti­kel­her­steller die Zusam­men­arbeit mit Kanye West ein­stellen solle. Offen­sichtlich hat Adidas dar­aufhin den Rapper zur Rede gestellt und der postete sie­ges­sicher ein Video: „Ich kann anti­se­mi­tische Sachen sagen und Adidas kann mich nicht fallen lassen. Was jetzt? Was jetzt?“

Der Beitrag wurde zwar gelöscht, aber das Video kur­sierte weiter im Netz. Alex Jones, wahr­scheinlich der bekann­teste „Truther“ („Wahr­heits­sucher“) der USA, lud Kanye West zu seinem Podcast ein. Der lie­ferte in dem stun­den­langen Gespräch gleich den nächsten Hyper-Skandal, indem er sagte „ich liebe Nazis“ und dass er das „Positive an Hitler“ sehe. Und er meinte, „Wir müssen auf­hören, Nazis immer zu dissen“ und das Sah­ne­häubchen drauf­setzte, indem er sagte, es gebe keine Beweise für den Mord an sechs Mil­lionen Juden.

Dar­aufhin kri­ti­sierte Josef Schuster, Prä­sident des Zen­tral­rates der Juden in Deutschland die Zusam­men­arbeit zwi­schen Adidas und dem Rapper mit fol­genden Worten:

Die täglich neuen anti­se­mi­ti­schen Ent­glei­sungen des Rappers sind für die Jüdinnen und Juden in Deutschland und in aller Welt uner­träglich.“ 

Nach anti­se­mi­ti­schen Äuße­rungen von Kanye West hat der Sport­ar­ti­kel­her­steller Adidas die Zusam­men­arbeit mit dem Rapper, auch bekannt als Ye, mit sofor­tiger Wirkung beendet. “Die jüngsten Äuße­rungen und Hand­lungen von Ye sind inak­zep­tabel, hass­erfüllt und gefährlich”, heißt es in einer Mit­teilung des Unter­nehmens. “Sie ver­stoßen gegen die Werte des Unter­nehmens wie Vielfalt und Inklusion, gegen­sei­tigen Respekt und Fairness.”“

Nun nahm also Adidas doch lieber den Verlust der Vier­tel­mil­larde in Kauf beendete die Zusam­men­arbeit und distan­zierte sich.

Diese Liste dieser Aus­sprüche würde in Deutschland und bei einem Deut­schen sofort eine Straf­an­zeige und Ver­ur­teilung wegen Volks­ver­hetzung, Hassrede im Netz und Holo­caust­leugnung ein­bringen. Für Herrn Kanye West wird das nur ein finan­zi­eller Verlust, weil er nicht mehr als ver­kaufs­för­dernder Promi seine Mil­lionen aus dem Sport­schuh­verkauf bekommt. Aber er könnte in Deutschland dennoch unbe­helligt her­um­spa­zieren und wenn er solche Dinge hier äußern würde, wäre mehr als eine sofortige Löschung dieser Inhalte wahr­scheinlich nicht zu befürchten, denn er ist ja ein POC (People of Colour) und jeder, der ihn hier kri­ti­siert, ein Rassist. Das würde sich die deutsche Polizei und Justiz sich niemals trauen.

Für Adidas sind die Äuße­rungen des Rappers ein Hun­derte-Mil­lio­nengrab. Die Wirt­schafts­woche schreibt:

„Adidas’ Trennung von Kanye West, auch Ye genannt, belastet den Sport­ar­ti­kel­her­steller. Allein im ver­gan­genen Jahr verlor Adidas 600 Mil­lionen Euro Umsatz durch die Yeezy-Koope­ration und geht davon aus, dass sie auch 2023 den Konzern belasten wird.“

Denn diese Schuhe waren und sind ein Hype. Fabian Arnold, der Betreiber von drei Geschäften im München, in denen die Treter zu unglaub­lichen Preisen ange­boten werden, kennt sich mit den limi­tierten Sneakern (zu Deutsch: Sportschuhe/Turnschuhe) und Streatwear (zu Deutsch: bequeme Halb-Sport­kla­motten, wie Kapuzen-Sweat­shits, genannt „Hoodies“, Sin­gular „Hoody“, Jog­ging­anzüge, T‑Shirts) bestens aus. Er hat zur Ver­marktung seiner Edel­marken unter den Prolo-Beklei­dungs­labels einen Inter­net­auf­tritt namens „Hype­needzs“ gegründet.

Anmerkung: Der Name ist sehr typisch für das heutige Sprach­emp­finden der Jugend­kultur. Da hat nicht jemand Schnupfen, sondern es setzt sich zusammen aus dem Wort „Hyper“, das aus dem Grie­chi­schen bedeutet hier „über­mäßig, über das Nor­malmaß weit hinaus“, wie bei Hyper­schall­flugzeug und dem eng­li­schen Wort „(to) need“, was die Bedeutung „brauchen“ und ist ver­wandt mit dem deut­schen „be-nötigen“ was sich von „Not“ her­leitet.  „To be in need“ bedeutet, etwas dringend zu brauchen. Das „z“ wird in der Rap­per­szene gern durch ein „z“ ersetzt, wie bei „Boyz“ statt „Boys“, „Girlz“ statt „Girls“ usw.

Der Begriff „Hype­needzs“ signa­li­siert also, „hier bekommst Du die ange­sagten, gehypten Kla­motten, die Du unbe­dingt haben musst, um etwas zu gelten“. Das wirkt und so zahlen die Kunden dort locker über 300 Euro für ein Paar der ange­sagten Schuhe.

Erst­einmal stiegen nach der Auf­kün­digung der Zusam­men­arbeit Preis und Nach­frage der Kanye West Schuhe stark, weil man wusste, dass es keine neuen „Drops“, also neue Modelle und Aus­lie­fe­rungen geben würde. Und sie bewegen sich immer noch auf einem relativ hohen Niveau. Denn die klas­si­schen Kunden für Nobel-Sneaker will gehyptes Schuhwerk — und in dieser Szene hat man mit dem Wirbel drum­herum wenig zu tun. Wahr­scheinlich, so Fabian Arnold haben diese Kunden davon gar nichts mit­be­kommen. Die düs­teren Pro­gnosen, die schon ange­stellt wurden, dass die ganzen Rest­be­stände an Kleidung und Schuhen der Kayne West Pro­duk­ti­ons­reihe ver­nichtet werden müssen, scheinen sich nicht zu bewahrheiten.

Wie der nur 24 Jahre alte, geschäfts­tüchtige Fabian Arnold der Wir­schafts­woche erzählt, kommen die Leute sogar aus den Emi­raten, um die Dinger zu kaufen, manche holten gleich 25 Paar auf einmal für die ganze Familie.

Die Puma-Schuhe scheinen nicht so toll zu laufen, der Her­steller hatte bisher kein so gutes Händchen bei der Wahl der pro­mi­nenten Zug­pferde. Nike hat mit seiner Wahl von Hyper-Promis Adidas sogar schon abge­hängt. Adidas hat mit seiner Pro­dukt­reihe „Yeezy Boost“ in Kol­la­bo­ration mit Kanye West jeden­falls Best­seller auf den Markt gebracht, besonders 2018 und 2019.

Auch beim Namen „Yeezy Boost“ ist man bei Adidas voll auf den Rapper-Slang ein­ge­stiegen. Was das bedeutet? Die bri­tische Zeitung „the Sun“ erklärt es:

„Rapper Kanye West has been going by the names Yeezy or Yeezus for a few years now, and since the release of his 2019 album, religion has been at the centre of his music. Yeezy is derived from Jesus, West began using the nickname to position himself as a ‘God’ of rap. The nickname was inspired by his mentor, Jay Z, who gave himself the name J‑Hov or Hov, derived from Jehovah which is the Hebrew name for God“

Über­setzung: Der Rapper Kanye West legte sich seit einigen Jahren die Namen Yeezy oder Yeezus zu und seit der Ver­öf­fent­li­chung seines Albums aus 2019, ist Religion der Mit­tel­punkt seiner Musik. Yeezy leitet sich von Jesus her, West benutzte diesen Spitz­namen um sich als „Gott des Raps“ zu posi­tio­nieren. Inspi­riert wurde er dazu von seinem Mentor, Jay Z, der sich selbst J‑Hov oder Hov nannte, was von Jehova her­rührt, dem hebräi­schen Namen für Gott.

Und was „Boost“ heißt, das wissen wir ja noch aus der Corona-Impfzeit: ver­stärken, steigern, aufladen.

Nunja. Beschei­denheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Oder man kata­pul­tiert sich in seinem Grö­ßenwahn aus dem Rennen. Aber es wird Herrn Kanye West kaum beein­drucken. „Ye“, wie ihn seine Fans und Freunde nennen, hat gut ver­dient und ist stein­reich. Alles letzt­endlich wieder ein Sturm im Wasserglas.