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China leitet den Frie­dens­prozess im Nahen Osten ein – und pro­fi­liert sich als Welt­macht Nr. 1 – der Alp­traum der USA wird wahr

Seit Jahr­zehnten schwären unlösbare Kon­flikte im öst­lichen Mit­tel­meerraum, die immer wieder auf­flammen: Die Groß­mächte, allen voran die USA, ver­suchen, ihre Inter­essen dort durch­zu­setzen. Ein wei­terer Grund sind die Span­nungen zwi­schen den beiden Haupt­strö­mungen des Islam, Schiiten und Sun­niten. Ein anderer ist der Staat Israel, der als Front­staat des „Westens“ gezwungen ist, um sein Über­leben zu kämpfen, aber vom „Westen“ auch zur Inter­es­sen­ver­tretung benutzt wird. Der nächste Grund ist das Gerangel um die Boden­schätze Öl und Gas. Doch unter Chinas Ägide findet gerade eine deut­liche Ent­wicklung Richtung Frieden rund um das Mit­telmeer und den Golf­staaten statt.

Und das geschieht mit erstaun­licher Geschwin­digkeit. Offenbar hat Chinas Prä­sident Xi Jinping beschlossen, die chi­ne­sische Position in der Welt­po­litik neu zu defi­nieren. Die Region „Naher Osten“ mit ihren Dau­er­kriegen ist ein Dreh- und Angel­punkt, weil dort globale wirt­schaft­liche Inter­essen, mili­tär­stra­te­gische Inter­essen, reli­giöse Haupt­strö­mungen, Grenzen zwi­schen den Kon­ti­nenten und Boden­schätze für den Ener­gie­hunger der Welt mul­tiple Kon­flikte erzeugen. Was natürlich sofort die massive Ein­mi­schung der glo­balen Groß­mächte mit sich bringt, allen voran die USA und Groß­bri­tannien. „Frieden im Nahen Osten!“ war nie die wahre Absicht der Groß­mächte. Auch die israe­li­schen Regie­rungen waren schon immer mehr oder weniger darauf ange­wiesen, dass durch die stän­digen Kon­flikte die dau­er­hafte Bereit­schaft zur Ein­mi­schung des „Westens“ zu ihrem Schutz auf­recht­erhalten wird.

Peking arbeitet seit einiger Zeit in Klein­arbeit und beharrlich daran, den Nahen Osten in Richtung fried­liche Zusam­men­arbeit zu struk­tu­rieren – in Zusam­men­arbeit mit Russland. Das beginnt nun Früchte zu tragen: Die Annä­herung zwi­schen Saudi-Arabien und dem Iran ist nach langer Feind­schaft fast schon voll­bracht. So arbeitet der chi­ne­sische Prä­sident Xi Jinping zusammen mit den ara­bi­schen Regie­rungen an einer Neu­ordnung der Beziehungen.

Das Wall Street Journal berichtete am 12. März, dass der chi­ne­sische Prä­sident im Dezember 2022 bei einem Gip­fel­treffen in Riad den Ländern eine „bei­spiellose Idee“ prä­sen­tierte: Ein hoch­ran­giges Treffen der ara­bi­schen Golf­mon­archen und ira­ni­schen Regie­rungs­ver­tretern in Peking für 2023 und eine große „Bemühung“, die zwi­schen den Ländern bestehende Spannung schritt­weise abzu­bauen. Ins­be­sondere zwi­schen Saudi Arabien und dem Iran gibt es ständig Kon­flikte. China hatte mona­telang daran gear­beitet, der Irak drängte schon seit 2019 auf eine Wie­der­an­nä­herung und leistete einiges an Vor­arbeit, auf der China auf­bauen konnte. Und erstaun­li­cher­weise wil­ligten Riad und Teheran ein. Nun sollen die gegen­sei­tigen Bot­schaften in den Ländern wieder reak­ti­viert werden.

Auch die Golf­staaten wil­ligten ein, und so wird in diesem Jahr eine große Frie­dens­kon­ferenz mög­li­cher­weise im Nahen Osten eine neue Ära ein­leiten, denn diese Ent­span­nungs­po­litik könnte eine Wende bringen, die auch global von Bedeutung ist.

Dabei kommen bereits gegen­seitige Zuge­ständ­nisse in Gang: Der Iran wird zukünftig die von ihm massiv unter­stützte Miliz „Ansar Allah“ im Jemen mäßigen, damit die stän­digen Angriffe gegen den nörd­lichen Nachbarn Saudi Arabien auf­hören. Das wäre auch ein Segen für die Men­schen im Jemen, die schrecklich unter den Bom­bar­de­ments des Saudis leiden. Und Saudi Arabien ginge es auch besser ohne die dau­ernden Terror-Angriffe. Die Saudis ihrer­seits wollen nun die Exil-Zeitung „Iran Inter­na­tional“, die in der ira­ni­schen Lan­des­sprache Farsi im Iran viel gelesen wird, deutlich weniger aggressiv gestalten. Diese Zeitung trug signi­fikant zu den Pro­testen im Iran bei.

China gibt im Gegenzug dem Iran wieder „Zugang zu Teilen seiner ein­ge­fro­renen Gelder auf den Konten chi­ne­si­scher Banken“, berichten die „Deut­schen Wirt­schafts­nach­richten“.

Der ira­nische Prä­sident Ebrahim Raisi akzep­tierte die Ein­ladung des sau­di­schen Königs Salmans, und sie wurde in einem Brief aus­drücklich begrüßt.

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Am selben Tag, so schreibt die eng­lisch­spra­chige Deutsche Welle, schlug der ira­nische Außen­mi­nister Hossein Amir­ab­dol­lahian drei Orte für das Treffen mit seinem sau­di­schen Amts­kol­legen vor.
„Der Iran und Saudi-Arabien einigten sich in einem von China ver­mit­telten Deal darauf, die Bezie­hungen wieder auf­zu­nehmen und Bot­schaften am 10. März wieder zu eröffnen . Die beiden Länder kämpfen seit vielen Jahren um die Vor­herr­schaft im Nahen Osten und unter­stützen riva­li­sie­rende Frak­tionen in den Kriegen im Jemen und in Syrien. (…) Inzwi­schen haben der Irak und der Iran ein Abkommen unter­zeichnet, das darauf abzielt, die Grenz­si­cherheit zu verschärfen.“

Die Nach­rich­ten­agentur Reuters zitierte 2021 den dama­ligen chi­ne­si­schen Außen­mi­nister Wang Yi zu der sich anbah­nenden stra­te­gi­schen Part­ner­schaft des Iran und Chinas zu einer 25-Jahres-Koope­ration: „Die Bezie­hungen unserer beiden Länder haben nun das Niveau einer stra­te­gi­schen Part­ner­schaft erreicht und China geht es darum, seine Ver­bin­dungen zum Iran umfassend zu ver­bessern. Unsere Bezie­hungen zum Iran werden nicht von Gegen­wär­tigkeit geprägt, sondern per­manent und stra­te­gisch sein.“

Diese Stra­te­gische Part­ner­schaft hat schon viel bewirkt: Die Achse China-Russland-Iran hatte schon im Krieg in Syrien, wo die USA im Verbund mit Groß­bri­tannien Anstren­gungen unternahm, die Assad-Regierung zu stürzen und durch eine ame­ri­ka­nische Mario­nette zu ersetzen, dieses Vor­haben wirksam unter­bunden. Nun steht auch die Kon­so­li­dierung des kriegs­ge­beu­telten Landes auf der Agenda. Damaskus hat hohes Interesse, in dieser Achse mit­zu­wirken. Saudi Arabien eröffnet nun sogar eine diplo­ma­tische Ver­tretung in Damaskus, berichtet der „Middle East Monitor“ am 20. März 2023 unter Berufung auf das rus­sische Medium „Sputnik“. Hierbei werden, so der „Middle East Monitor“, die Ver­hand­lungen haupt­sächlich über Russland und die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate in Absprache mit China geführt. Der syrische Prä­sident Assad besuchte bereits am 19. März 2023 den Pre­mier­mi­nister der Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate zu ein­ge­henden Besprechungen.

Haben Sie, ver­ehrter Leser, das alles in der Tages­schau gehört und gesehen?

Sogar die Türkei, die ständig in der Grenz­region Türkei/Syrien gewaltsam ihre Inter­essen durch­drückt, bewegt sich sichtlich weg vom „Westen“ und nähert sich in einer für den Westen besorg­nis­er­re­genden Geschwin­digkeit dieser Achse an. Cavu­soglu sagte, sein ira­ni­scher Amts­kollege Hossein Amir­ab­dol­lahian wolle sich den Gesprächen zwi­schen der Türkei, Syrien und Russland anschließen, und die Türkei habe glücklich zugestimmt“.

Wahr­scheinlich noch im März wollen sich der tür­kische Außen­mi­nister, der stell­ver­tre­tende rus­sische Außen­mi­nister, der syrische Außen­mi­nister und der ira­nische Außen­mi­nister in Moskau treffen, wie Reuters berichtet. Die Telefone stehen kaum still zwi­schen den Außen­mi­nistern. Das ist ein deut­licher Verlust für die US-geführte NATO. Ein Frie­dens­prozess mit der Türkei im Bund dieser von Russland und China geführten Initiative schwächt die NATO. Denn „der Mann am Bos­porus“ hat die Macht über den Zugang zum Schwarzen Meer, den ver­wund­baren Unter­bauch Russ­lands. Damit ginge ein wich­tiger Ver­bün­deter ver­loren. Dem­nächst werden sich die Staats­führer der neuen rus­sisch-chi­ne­sisch-ara­bi­schen Achse zusam­men­setzen. Das alles ist auch ein Teil der neuen, chi­ne­si­schen Seidenstraße.

Die Deut­schen Wirt­schafts­nach­richten bewerten diese Ent­wicklung so: „Die US-Regierung hatte die Länder der Region in der Ver­gan­genheit mehrfach davor gewarnt, eine Nor­ma­li­sierung in den Bezie­hungen zu Damaskus ein­zu­leiten. Sollte den unter Ver­mittlung Chinas und Russ­lands vor­an­ge­trie­benen Initia­tiven Erfolg beschieden sein, ginge deshalb par­allel dazu auch ein Ein­fluss­verlust der USA und eine gewisse außen­po­li­tische Iso­lation Groß­bri­tan­niens und Israels im Vor­deren Orient einher.“

Eins ist sicher: Das ist der Alp­traum der USA. Sie werden alles dar­an­setzen, diese Ent­wicklung zu ver­hindern. Denn die Strahl­kraft einer solchen, sich daraus erge­benden wirt­schaft­lichen Groß­region „neue Sei­den­straße“ – die auch in Afrika schon Gestalt annimmt –, wird auch Europa erfassen. Die USA werden auf einen hin­teren Platz ver­wiesen. Auch deshalb könnte der Ukraine-Krieg relativ bald unter Wahrung des Gesichts­ver­lustes für die USA enden. Aber nicht, weil man in Washington Frieden sucht, sondern um die Kräfte gegen China zu bündeln und die Waf­fen­kammern wieder auf­zu­füllen. Denn fällt China, dann auch Russland und das ganze Sei­den­stra­ßen­projekt. Nur wird das mit ziem­licher Sicherheit nicht passieren.