Bild: Robert HAbeck, WIkimedia Commons, Heinrich -Böll-Stiftung Berlin, CC BY-SA 2.0

Vera Lengsfeld: Häuptling Habeck

Deutschland hatte in den 50er Jahren einen Bun­des­prä­si­denten, der bei einer Reise durch Afrika die Anrede: „Meine Damen und Herren, liebe Neger“, benutzt haben soll. Er wurde dafür in den Medien nie­der­ge­macht. Später soll sich ein Redakteur eines mei­nungs­ma­chenden  Magazins als der Erfinder dieses und anderer Sprüche geoutet haben, die diesem Bun­des­prä­si­denten in den Mund gelegt wurden. Wie so oft, erwies sich die Legende stärker als der Fakt.

Beim Auf­tritt von Wirt­schafts­mi­nister Habeck in einem indi­genen Dorf in Bra­silien scheint es sich nicht um eine Zei­tungsente zu handeln, wenn berichtet wird, dass Habeck sich vor­stellte mit: „Ich bin Robert, das ist Cem und wir sind Minister in der deut­schen Regierung – das ist so etwas wie euer Häuptling, aber in einem anderen Land“. Erst als in den sozialen Medien die Her­ab­lassung kri­ti­siert wurde, die aus dieser Anrede spricht, ver­suchten die Medien die Ehren­rettung Habecks, indem sie darauf hin­wiesen, er hätte „chief“ gesagt, was auch mit Chef oder Ober­haupt über­setzt werden könnte. Das taugt aber nicht, denn die Anwe­senden Indi­genen haben weder Chefs noch Ober­häupter, sondern eben Häuptlinge.

Die Frage ist, wie lange die freie Presse sich noch damit beschäf­tigen will, die Pein­lich­keiten der Minister dieser Regierung vor der deut­schen Öffent­lichkeit zu ver­tu­schen. Im Ausland bemerkt man die Bla­magen sehr wohl und schüttelt nur noch mit dem Kopf.

Abge­sehen davon, welch bezeich­nendes Licht seine Wortwahl auf das eigene Selbst­ver­ständnis wirft, offenbart Habecks Auf­tritt auch, was zum Mar­ken­zeichen der Regierung Scholz zu werden droht: Unfassbare Unkenntnis. In seiner Rede in diesem Dorf behauptete der Minister, in Deutschland gäbe es so gut wie keinen Wald mehr. Das war kurz­zeitig im Mit­tel­alter der Fall, als Holz ein unent­behr­licher Bau­stoff war. Seitdem sind die deut­schen Wälder stetig gewachsen, haben das so genannte Wald­sterben der 70er Jahre über­standen und werden hof­fentlich auch den Holz­kä­fer­befall über­stehen, der durch das grüne Dogma, Holz­bruch und Totholz nicht mehr aus den Wäldern zu ent­fernen, um „Urwälder“ zu schaffen, begünstigt wird.

Noch bedeckt der Wald ein Drittel der Lan­des­fläche und Habeck sollte seine nächste Reise mit Cem durch die hei­mi­schen Wälder planen. Da könnten sie sich infor­mieren, was ihre ideo­lo­gie­ge­steuerte Politik, 2% der Lan­des­fläche mit Wind­rädern zu bepflastern, in den Wäldern anrichtet. Für ein Windrad müssen 0,8 bis 1 Hektar Wald gerodet werden. Auch wenn ein Teil davon wieder auf­ge­forstet wird, kann man sagen, dass Häuptling Habeck mit seinem 2%-Ziel im Neben­effekt ver­ant­wortlich für die größte Wald­ver­nichtung in Deutschland ist.

Und wie sieht es mit dem Regenwald aus, dessen Rettung Habecks Her­zens­an­liegen ist? In den Rotor­blättern eines Wind­rades wird Bal­saholz ver­ar­beitet. Bals­a­bäume wachsen im Regenwald. Indigene Gruppen und Umwelt­ak­ti­visten fordern daher regel­mäßig, dass die Wind­kraft­in­dustrie auf anderes Material umschwenkt. Es ist paradox: Für die Ener­gie­wende in Europa fallen Bäume in Latein­amerika den Ket­ten­sägen zum Opfer. Zwar, was das Bal­saholz betrifft, weniger in Bra­silien, aber in Ecuador, das zu den Haupt­ex­por­teuren für Bal­saholz mit einem Welt­markt­anteil von 80 bis 90 Prozent gehört.

Robert und Cem fuhren anschließend nach Kolumbien, wo sei es ver­mieden, sich den Stein­koh­le­abbau anzu­schauen. Mit den öko­lo­gi­schen Folgen der Ent­scheidung, Deutsch­lands AKWs abzu­schalten und dafür wieder Koh­le­kraft­werke hoch­zu­fahren, die u.a. mit kolum­bia­ni­scher Stein­kohle gefüttert werden, wollte man sich lieber nicht befassen.


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de