“Gegen den Markt­ra­di­ka­lismus und Plu­to­kra­ten­ka­pi­ta­lismus” — Was will die AfD-Wirtschaftspolitik?

Das Voka­bular und die wirt­schaft­lichen Posi­tionen des soeben als Spit­zen­kan­di­daten der AfD für die Euro­pawahl gekürten Maxi­milian Krah ähnelt in mancher Hin­sicht linker Rhetorik.

(von Rainer Zitelmann)

Auf ihrem Europa-Kon­gress hat die AfD Maxi­milian Krah als Spit­zen­kan­di­daten für die Euro­pawahl im nächsten Jahr gekürt. In einem soeben erschie­nenen „Manifest“ mit dem Titel „Politik von rechts“ (Maxi­milian Krah, Politik von rechts. Ein Manifest, Verlag Antoaios, Schnellroda 2023) hat er seine Vor­stel­lungen aus­ge­breitet, unter anderem von der Wirt­schaft. Das Buch ist auf­schluss­reich, denn das offi­zielle Grund­satz­pro­gramm der AfD wurde im Frühjahr 2016 beschlossen, als in der Partei pro-markt­wirt­schaft­liche Kräfte noch sehr viel stärker waren als heute. Was Krah schreibt, dürfte den heu­tigen AfD-Main­stream besser wider­spiegeln als das sieben Jahre alte Programm.

So wie die Poli­tiker aller Par­teien – bis hin zum linken Flügel der SPD und der LINKEN – bekennt auch Krah sich pla­kativ zum Pri­vat­ei­gentum und zur Markt­wirt­schaft. Aber wich­tiger als diese pla­ka­tiven Bekennt­nisse sind die Einschränkungen.

Rechte Politik, deren Kern die Ver­wur­zelung des Men­schen ist, ein Leben im Ich, mit der Iden­tität als Kern­be­griff, befindet sich damit immer in einer Spannung zum Markt,

so der AfD-Spit­zen­kan­didat Krah. Der Markt kenne eben „keine Rück­sicht auf Tra­dition, Natur und Iden­tität“ und auch keine „mensch­liche Würde“. Deshalb solle sich rechte Politik dezi­diert gegen den „Markt­ra­di­ka­lismus“ stellen.

„Markt­ra­di­ka­lismus“ ist auch ein Begriff, der von linken Kapi­ta­lis­mus­kri­tikern gerne gebraucht wird. Und so wie die Linke betont auch Krah „das Primat des Poli­ti­schen“ über den Markt. Auch sonst findet man viele Begriffe der kapi­ta­lis­ti­schen Kon­sum­kritik, so etwa, wenn gegen den „Schund und Schmutz der Weg­werf­ge­sell­schaft“ pole­mi­siert wird. Skep­tisch ist Krah generell, ob nicht der Wohl­stand der „west­lichen, libe­ralen Öko­nomie“ schädlich sei, denn durch diesen Wohl­stand sei die poli­tische Rechte mar­gi­na­li­siert worden.

Natürlich darf nicht die Polemik gegen den „Aus­verkauf nahezu aller DAX-Kon­zerne“ an die US-Heu­schrecke Blackrock“ fehlen, betrieben durch CDU-Chef Friedrich Merz. Der Begriff „Heu­schrecke“ für Private Equity-Inves­toren wurde 2005 von dem dama­ligen SPD-Vor­sit­zenden Mün­te­fering in die Dis­kussion ein­ge­bracht und ist seitdem fester Teil der linken Rhetorik.

Auch die Glo­ba­li­sierung wird kri­tisch gesehen, denn sie gehe „mit dem extremen Libe­ra­lismus Hand in Hand“. Beim Thema Frei­handel ist es ähnlich. Nach dem grund­sätz­lichen Bekenntnis zum Frei­handel kommen sofort zahl­reiche Ein­schrän­kungen. Han­dels­be­schrän­kungen seien not­wendig, weil „Pro­dukte poli­tische und kul­tu­relle Bot­schaften“ trans­por­tierten. Als Bei­spiel nennt Krah Coca Cola, das für den „Ame­rican Way of Life“ stehe und damit „kul­tu­relle Trans­for­ma­tionen“ begünstige.

An Stelle von welt­weiten Platt­formen wie Google sollten nationale oder regionale Platt­formen treten. Auch dürfe sich die poli­tische Rechte nicht scheuen „der Eli­ten­mi­gration“ ent­ge­gen­zu­treten, so Krah. Gemeint sind damit Vor­stände von Unter­nehmen, die nicht deut­scher Abstammung sind. Rus­si­scher Wodka statt Coca Cola und Arbeits­verbot für Manager ohne deut­schen Pass?

Krah pole­mi­siert gegen den „Plu­to­kra­ten­ka­pi­ta­lismus“. Es gelte, den Super­reichen ent­ge­gen­zu­treten, und zwar ins­be­sondere dann, wenn der Ver­mö­gens­aufbau – wie etwa bei den Internet-Pio­nieren – in einer Gene­ration erfolgt sei. Die Ziele dieser Super­reichen seien „zumeist undurch­sichtig und letztlich finster“. Schlimm sei auch, wenn Unter­nehmen „poten­ziell die ganze Welt als Kunde“ gewinnen wollten, denn:

Rechte Öko­nomie basiert aber auf der Idee, dass Staaten eine Wirt­schaft haben, und nicht, dass eine globale Wirt­schaft Staaten als Standorte hat.

Krah spricht zwar nicht von Aut­arkie wie einige andere rechte Anti­ka­pi­ta­listen in der AfD , aber man sieht doch einen deut­lichen Vor­behalt gegen Glo­ba­li­sierung, inter­na­tionale Arbeits­teilung und freien Waren­verkehr. Diese Vor­be­halte, besonders gegen die Glo­ba­li­sierung, sind in der AfD weit ver­breitet, und dies hat eine lange Tra­dition in Deutschland. Auch in dieser Beziehung gibt es Schnitt­mengen zwi­schen Links und Rechts.

Viele dieser Bekennt­nisse dürften auch von einer Sahra Wagen­knecht unter­schrieben werden, was AfD-Gründer und Ehren­vor­sit­zende Alex­ander Gauland im Vorwort zu dem Buch auch aus­drücklich betont:

Dass sich manche seiner Ein­sichten mit denen von Sahra Wagen­knecht decken“, so lobt Gauland, „macht das ganze noch span­nender … Was Maxi­milian Krah und Sahra Wagen­knecht eint, ist ein sozialer Konservatismus.

Manches, was man bei Krah liest, ist nicht unge­wöhnlich, sondern Teil des kapi­ta­lis­mus­kri­ti­schen Kon­senses heute in Deutschland. Bemer­kenswert sind sie deshalb, weil die linken Gegner der AfD diese nach wie vor als „markt­ra­dikal“ oder „wirt­schafts­li­beral“ kri­ti­sieren, obwohl sich die Partei von den einstmals ver­tre­tenen wirt­schafts­po­li­ti­schen Posi­tionen Stück für Stück ver­ab­schiedet hat.

Es mag sein, dass es immer noch ein­zelne Markt­wirt­schaftler in der AfD gibt, aber die Wahl von Maxi­milian Krah ist ein wei­terer Beleg dafür, dass sich inzwi­schen eine andere Position durch­ge­setzt hat. Bei Wahlen hat das der AfD genutzt, vor allem im Osten Deutsch­lands, wo Anti­ka­pi­ta­lismus noch stärker ver­breitet ist als im Westen. Auf diese Weise konnte es ihr auch gelingen, rele­vante Teile der Wäh­ler­schaft von der LINKEN oder der SPD zu gewinnen.

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Eine etwas kürzere Version dieses Artikels ist bereits am 4. August 2023 bei Focus-Online erschienen.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist pro­mo­vierter His­to­riker und Soziologe. Zitelmann hat 27 Bücher geschrieben und her­aus­ge­geben, u.a. „Kapi­ta­lismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. Seine Bücher werden weltweit in zahl­reiche Sprachen über­setzt – sein Buch „Die 10 Irr­tümer der Anti­ka­pi­ta­listen“ (eng­lisch: In Defense of Capi­talism) erscheint in 30 Sprachen. Mehr Infor­ma­tionen: www.rainer-zitelmann.de


Quelle: misesde.org