Bild Fotomontage, Donald Tusk: CC BY 3.0 PL DEED, Attribution 3.0 Poland, Hintergrund Grenzanlage, gemeinfrei

Polens neuer Regie­rungschef Tusk: Auf­rüstung und harte Haltung gegen Migration

In der EU wurde der Wechsel in der pol­ni­schen Regierung sehr begrüßt. Nachdem die kon­ser­vative Partei „Recht und Gerech­tigkeit“ (PiS) abtreten musste, atmete man in Brüssel auf. Die stän­digen Kon­flikte würden der Ver­gan­genheit anzu­ge­hören, denn Donald Tusks Partei „Bür­ger­plattform“ (PO) schien einen grund­sätzlich anderen Kurs zu fahren und sich den Zielen der EU anzu­gleichen, war doch der neue Regie­rungschef Tusk vorher Prä­sident des Euro­päi­schen Rates gewesen. Nun erwartete man auch ein Tau­wetter in Sachen Migration und der Zustrom neuer Zuwan­derer wäre gesi­chert. Doch vor dem Treffen zwi­schen Bun­des­kanzler Scholz und Minis­ter­prä­sident Tusk machte letz­terer über­ra­schend klar, dass er den rigiden Abschot­tungskurs der Vor­gänger-Regierung fort­setzen wird.

Refugees welcome im Sejm – Illegale willkommen?

Als eine der ersten Amts­hand­lungen lud der neue pol­nische Par­la­ments­prä­sident, Szymon Holownia, Men­schen mit Flucht­er­fahrung (aus den Pro­grammen “Refugees Welcome Poland“, “Know­ledge to Power” und “Welcome Home”) zu einem Weih­nachts­treffen in den Sejm ein, das pol­nische Parlament.

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Über­setzung: „Der Sprecher des pol­ni­schen Par­la­ments traf sich heute mit ille­galen Immi­granten Wie sehr ich diese spon­tanen, über­haupt nicht sorg­fältig arran­gierten Fotos bewundere, die ja so gar keine poli­tische Bot­schaft senden. Polen wird sich sehr ändern.“

Doch nun, keine drei Monate später, tritt Tusk bei der Migration hart auf die Bremse

Nix is mit Soros-Agenda, war die Bot­schaft im Vorfeld des Treffens von Pre­mier­mi­nister Tusk mit Bun­des­kanzler Scholz. Die BILD schrieb: „Tusk hat einen knall­harten Migra­ti­onsplan im Gepäck! Direkt vor der Abreise wurde der pro-euro­päische Poli­tiker zu Fragen der unkon­trol­lierten Ein­wan­derung deutlich.“

Die Ein­dämmung der Migration sei „Eine Frage des Über­lebens der west­lichen Zivilisation“:

„Wir müssen auf­wachen und ver­stehen, dass wir unsere Grenzen schützen müssen. Wenn wir offen für alle Formen der Migration sind, wird unsere Welt zusammenbrechen.“

Das ist aller­dings keine allzu große Über­ra­schung, denn schon im Wahl­kampf wett­ei­ferte Tusk gegen die PiS mit Ansagen, wer die härtere Migra­ti­ons­po­litik fahren würde, wenn er gewinnt. Donald Tusk machte offen­sichtlich Punkte, indem er sich auf seiner Wahl­kampftour damit pro­fi­lierte, sich in einer EU-Rats­sitzung eine Aus­ein­an­der­setzung mit der dama­ligen Kanz­lerin Dr. Angela Merkel in Sachen Flücht­linge geliefert zu haben. Sie vertrat den Stand­punkt, dass man die Men­schen ohnehin nicht daran hindern könne, die Grenzen Europas zu über­winden, weil es zu viele von ihnen gebe. Tusk will ihr geant­wortet haben „dass wir sie an unseren Grenzen auf­halten müssen, gerade weil es zu viele von ihnen sind.“ Man könne außerdem, so Minis­ter­prä­sident Tusk, ja gar keine Migra­ti­ons­po­litik ver­folgen, wenn es schon über­haupt keine Mög­lichkeit gebe, die Grenzen und das eigene Ter­ri­torium zu kontrollieren.

Inter­essant, dass Bun­des­kanzler Olaf Scholz sich mit einem Poli­tiker trifft, der im Prinzip die­selbe Ein­stellung in Bezug auf die illegale, unge­re­gelte Migration hat, die der inkri­mi­nierte Böse­wicht Martin Sellner auf dem angeb­lichen Geheim­treffen ver­meintlich Rechts­extremer in Potsdam skiz­zierte. Nur mit dem Unter­schied, dass Polens Donald Tusk das auch durch­setzen kann und wird … und das auch still­schweigend akzep­tiert wird.

Polen und Ungarn waren immer die Boll­werke gegen die EU-Migrationspläne

Wenn die der­zeitige Oppo­sition an die Macht kommt, bedeutet das nicht, dass sich War­schaus Position in einigen Schlüs­sel­fragen so dra­ma­tisch ändern würde, wie Brüssel viel­leicht erwartet“, sagte Sła­womir Doma­radzki, ein poli­ti­scher Analyst an der Uni­ver­sität War­schau, gegenüber Euractiv.“

Genau wie Ungarns Regie­rungschef Orban hat sich die pol­nische PiS-Partei beharrlich den Plänen der von der EU-Kom­mission ver­folgten Migra­tions- und Asyl­reform ver­weigert. Polen und Ungarn wei­gerten sich schlicht, Asyl­be­werber auf­zu­nehmen und ver­wei­gerten eben­falls, dafür eine finan­zielle Ent­schä­digung an die Länder zu bezahlen, die diese Belastung auf sich nehmen.

Polen hat aller­dings eine große Anzahl von Flücht­lingen aus der Ukraine auf­ge­nommen. Viele davon werden auch nicht mehr zurück­gehen. Nun sind Ukrainer und Polen kul­turell nicht sehr ver­schieden. Unmut darüber breitet sich aber dennoch in Polen aus, denn es sind zum aller­größten Teil Frauen, die aus der Ukraine aus­ge­wandert sind – und den Polinnen angeblich die Männer wegnehmen.

In Polen geht die Ablehnung gegenüber Migranten quer durch die Par­teien und die Bevöl­kerung, spe­ziell gegen mus­li­mische Flücht­linge, da Polen ein sehr katho­li­sches Land ist. Insofern war es eigentlich von vor­ne­herein klar, dass man hier in einen gegen­sei­tigen Über­bie­tungs­wett­bewerb an harter Haltung in Sachen Migration ein­treten würde – und jeweils die andere Seite beschuldigt, eben doch zu viele mus­li­mische Zuwan­derer hereinzulassen.

„Er (Tusk) kün­digte an, auch Zurück­wei­sungen an der Grenze durch­zu­führen. „Push­backs sind aus völ­ker­recht­licher Sicht illegal, aber ich werde keine Ent­scheidung treffen, die unbe­dacht dazu führt, daß unsere Grenze weniger dicht wird als sie es derzeit ist“, ver­kündete der pol­nische Regie­rungschef laut oko.press.“

Enge Zusam­men­arbeit bei Rüstung und gemeinsam gegen Trump

Die Freude in Brüssel, dass nach acht Jahren die natio­nal­kon­ser­vative (bei uns in Deutschland wäre das rechts­extrem) PiS-Partei von der libe­ralen PO unter Tusk aus der Regie­rungs­ver­ant­wortung ver­drängt worden ist, dürfte sich nun etwas gelegt haben. Aber in Sachen Auf­rüstung und Kriegs­vor­be­reitung ist man sich einig, ver­kün­deten Bun­des­kanzler Scholz und Minis­ter­prä­sident Tusk nach ihrem Treffen am Montag.

Themen sollen hierbei auch die Zusam­men­arbeit mit Frank­reich zur Ent­wicklung eines gemein­samen, neuen Kampf­flug­zeugs und eines Kampf­panzers gewesen sein, Polen wünscht sich eine Koope­ration bei der Luft­abwehr und der Muni­ti­ons­pro­duktion. Unser all­seits geliebter Kanzler wollte jedoch nicht ins Detail gehen, ob und wenn ja wann und was davon denn ange­gangen werden könnte: „Aber dass wir das immer eng mit Polen gerne zusammen machen wollen, gilt für viele, viele Vorhaben.“

Einigkeit demons­trierten die beiden Herren auch in der gemein­samen Ablehnung des ehe­ma­ligen und vor­aus­sichtlich neuen US-Prä­si­denten Donald Trump. Dessen Bemerkung, er werde keine NATO-Staaten gegen Russland ver­tei­digen, die ihre Ver­tei­di­gungs­budgets nicht so erhöht haben, wie von den USA gefordert, nannte Tusk eine „kalte Dusche“. Dennoch appel­lierte Donald Tusk an alle Europäer, mehr Gelder für die eigene Sicherheit zur Ver­fügung zu stellen.

Die deutsche Bun­des­re­gierung will das von den USA gefor­derte Ziel von zwei Prozent der Wirt­schafts­leistung im lau­fenden Jahr 2024 auch dank des 100-Mil­li­arden-Euro-Son­der­kredits für die Bun­deswehr erfüllen. Nun schrumpft diese Summe ja auch dras­tisch, da die deutsche Wirt­schafts­leistung gerade in den Boden gefahren wird.

FDP-Finanz­mi­nister Christian Lindner ver­si­cherte darüber hinaus, dass dies auch nach 2028 so bleiben werde, auch wenn dann das Geld aus dem Son­dertopf auf­ge­braucht ist. Eben­falls leicht zu ver­sprechen, wenn die FDP nach der nächsten Wahl die Fünf-Prozent-Hürde nicht packt und kein Hahn mehr nach Herrn Lindner kräht.