Die all­täg­liche Cancel-Culture

von Vera Lengsfeld

Initia­tiven zur „Ver­tei­digung der Demo­kratie“ sind gerade schwer in Mode. Es gibt sie schon seit Jahren, aber noch nie wurden sie so gehypt wie heute. Hun­derte solcher Initia­tiven haben in den letzten Wochen zu Demons­tra­tionen „gegen rechts“ auf­ge­rufen. Dabei ist nicht nur inter­essant, wie viele davon mit Steu­er­geldern gefüttert werden, sondern mit wem Seit an Seit mar­schiert wird: Mit der faschis­toiden Antifa, der links­ra­di­kalen Fridays for Future, der links­extre­mis­ti­schen Letzten Gene­ration, den pro­pa­läs­ti­nen­si­schen Anti­se­miten, um nur ein paar zu nennen. In München wurde die Demo von einer Links­ra­di­kalen orga­ni­siert, die zur Gewalt gegen Wohn­häuser von AfD-lern auf­ge­rufen hat und die Attacken gegen Per­sonen lediglich „schwierig“ findet, nicht klar ablehnt.

Kürzlich habe ich über die Ber­linale berichtet, die Anders­den­kende nicht ihre Filme sehen lassen will. Aber das ist nur die Spitze des Eis­bergs. Die Aus­grenzung aller, die nicht der links-grün-woken Ein­heits­meinung sind, ist inzwi­schen demo­kra­tie­be­droh­licher Alltag in unserem Land.

Ich illus­triere das am Bei­spiel Pforzheim. Hier wird der Kaba­rettist Uli Masuth am 25. Februar auf Ein­ladung eines Stadt­rats­mit­glieds eine Vor­stellung im Con­gress Centrum haben. Jede Stadt­rats­fraktion hat das Recht, stadt­eigene Räume für Ver­an­stal­tungen ihrer Wahl zu nutzen.

Im Falle Masuth ließ der Ein­spruch nicht lange auf sich warten. Sobald Masuths Ver­an­staltung öffentlich wurde, erhob eine Initiative mit dem schönen Namen #Zusam­men­halten in der Gesell­schaft Pforzheim gemeinsam mit Pforzheim nazifrei und der Evan­ge­li­schen Kirche, hier wohl genauer von einigen ihrer unchrist­lichen, aber woken Funk­tionäre, die For­derung, die Stadt solle den Miet­vertrag mit dem Con­gress Centrum auf­lösen. #Zusam­men­halten will nach eigener Aussage den Dialog und damit den Zusam­menhalt in der Stadt fördern. Welchen Dialog meinen die 1700 Bürger, die dem Verein ange­hören? Offen­sichtlich den Aus­tausch von gleich­ar­tigen Mei­nungen, da sie Anders­den­kende nicht dulden wollen. Dann ist das aber kein Dialog, sondern ein Monolog.

Quer­denker, wie Masuth von #Zusam­men­halten ein­ge­ordnet wird, hätten mit ihren Demons­tra­tionen in der Coro­nazeit zur Spaltung der Stadt bei­getragen. Es gäbe auch Rechts­ra­dikale und Ter­ror­ver­dächtige, sowie Anti­se­miten in ihren Reihen. Ein Beleg dafür bleibt der Verein schuldig. Er ist offen­sichtlich der Ansicht, dass seine Behauptung aus­reichen muss. Das ist aller­dings Hexenjagd-Niveau, oder sta­li­nis­tisch, wenn man einen zeit­ge­mä­ßeren Ver­gleich möchte.

Besonders grotesk ist die For­derung, dass die Stadt­ver­waltung endlich die „anti­de­mo­kra­tische Corona-Szene“ in die Schranken weisen müsse. Das zu einer Zeit, da inzwi­schen durch zahllose inter­na­tionale Studien belegt ist, dass deren  For­de­rungen mehr als berechtigt waren. Die Ein­wände der Corona-Kri­tiker sind nicht nur nicht gehört, sondern mit ver­baler, poli­zei­licher und juris­ti­scher Gewalt unter­drückt worden. Die Politik ver­sucht gegen­wärtig mit aller Macht, die Dis­kussion über die bes­ten­falls nutz­losen, in Teilen auch gefähr­lichen Corona-Maß­nahmen samt dem Entzug von Grund­rechten zu unter­drücken. Inzwi­schen ist Corona von keinem Gerin­geren als unserem Gesund­heits­mi­nister zur Grippe her­un­ter­ge­stuft worden.

Wer wie #Zusam­menhalt immer noch nach Unter­drü­ckung der Corona-Kri­tiker ruft, hat aus der Geschichte nichts gelernt und nie ver­standen, was Demo­kratie ist.

Was Pforzheim nazifrei betrifft, sollte sich die Initiative ernsthaft damit aus­ein­an­der­setzen, was sie eigentlich fordert. Wo sollen all die Nazis aus Pforzheim, zu denen inzwi­schen alle Regie­rungs­kri­tiker gezählt werden hin? Nach Madagaskar?

Von tota­li­tären Gedanken ist es nur ein Schritt zum tota­li­tären Handeln. Wer immer noch nicht begriffen hat, dass man die tota­li­tären Methoden ächten muss, damit man nicht wieder in einer Dik­tatur landet, ist kein Ver­tei­diger, sondern ein Zer­störer der Demo­kratie und leistet einer dritten Dik­tatur innerhalb von hundert Jahren auf deut­schem Boden Vorschub.

Bleiben noch die Kir­chen­funk­tionäre, die sich anscheinend nicht darum kümmern, warum immer mehr Men­schen den Kirchen den Rücken kehren. Es ist nicht christlich, einen immer größer wer­denden Teil der Gesell­schaft aus­grenzen zu wollen, weil man die Kritik fürchtet. Masuth ist wahrlich nicht der Einzige, der sich kri­tisch mit bedenk­lichen Ent­wick­lungen der EKD aus­ein­an­der­setzt. Er tut es aber mit Respekt und ohne Ver­nich­tungs­willen, wie andere Kir­chen­feinde, die zum Teil auch auf den Kund­ge­bungen „gegen rechts“ aktiv waren. Politik und gesell­schaft­liche Fehl­ent­wick­lungen zu kri­ti­sieren sind nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht eines wahren Demo­kraten, wie Uli Masuth einer ist. Die ihn zum Schweigen bringen wollen, sind die eigent­liche Gefahr.

Immer mehr Ver­ant­wor­tungs­träger scheinen zu erkennen, dass die gegen­wärtige Denun­zia­tions- und Cancel-Praxis „zivil­ge­sell­schaft­licher Akteure“ unserem Zusam­menhalt nicht guttut.

Der Licht­blick in diesem Skandal ist die Reaktion der Stadt Pforzheim auf die For­de­rungen von #Zusam­menhalt und Pforzheim nazifrei. Sie habe sich ent­schlossen, den Vertrag nicht zu kün­digen und die Frage, ob „gege­be­nen­falls frag­würdige Aus­sagen“ unter künst­le­rische Freiheit fallen, positiv beantwortet.

Die Pforz­heimer könne sich also auf eine inter­es­sante und ver­gnüg­liche Ver­an­staltung freuen, die hof­fentlich gut besucht ist.

Uli Masuth: „Lügen und andere Wahr­heiten“ am 25. Februar

Infos zu Uli Masuth unter: https://kabarett-musik.de / Karten für Pforzheim unter: a.kubisch@bwf-online.de

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Dieser Beitrag erschien zuerst hier: vera-lengsfeld.de