Remote Control — Das Gefühl der Fremdsteuerung

In letzter Zeit wird viel dis­ku­tiert, ob es einen öffentlich-recht­lichen Rundfunk in der jet­zigen Form über­haupt noch geben soll. Die Debatte ist über die The­ma­ti­sierung der soge­nannten “Zwangs­ge­bühren”, die natürlich keiner gerne bezahlt, in den Fokus der Öffent­lichkeit gerückt worden. Viele fordern jetzt nicht nur eine Abschaffung dieser Gebühren, sondern gleich eine des gesamten öffentlich-recht­lichen Rundfunks.
Die Schweizer sagen ja
Kürzlich fand in der Schweiz eine Volks­ab­stimmung über die Rund­funk­ge­bühren statt und die Eid­ge­nossen ent­schieden sich für die Bei­be­haltung der Abgaben. Natürlich kann man den Schweizer Rundfunk RSG nicht 1:1 mit ORF, ARD und ZDF ver­gleichen. Die Schweizer Rund­funk­macher sind ver­mutlich wegen der im west­lichen Nach­bar­staat herr­schenden, etwas anderen und bekannt gut funk­tio­nie­renden demo­kra­ti­schen Struk­turen hin­sichtlich Objek­ti­vität und medialer Kor­rektheit besser auf­ge­stellt als die anderen deutsch­spra­chigen öffent­lichen Sender. (Mediale Kor­rektheit darf hier nicht mit poli­ti­scher Kor­rektheit ver­wechselt werden — erstere ist zu wün­schen, zweitere eher zu verwünschen).
Das Gefühl der Fremdsteuerung
Und damit sind wir beim Kern der Sache. Es geht gar nicht so sehr um die knapp 30 Euro pro Monat, die man für den Rundfunk bezahlen muss. Es geht vielmehr um ein tief­sit­zendes Gefühl: Nämlich jenes, dass der ORF (so wie die ARD und das ZDF) poli­tisch beein­flusste Medien-Insti­tu­tionen sind, die zu oft einer ten­den­ziösen und ober­leh­rer­haften Art der Bericht­erstattung frönen und so die Meinung der Bürger beein­flussen und steuern und die­selben belehren wollen. Viele Leute haben den Ein­druck, dass der Quell der Moral heute nicht mehr in den tra­di­tionell dafür zustän­digen Insti­tu­tionen loka­li­siert ist, sondern in den öffentlich-recht­lichen Sen­de­an­stalten und dort ganz besonders in den­je­nigen Redak­tionen, die sich um die Bericht­erstattung, die Poli­tiker-Inter­views und die Talk-Shows kümmern.
Die größte Medien-Orgel
Der legendäre ORF-General Gerd Bacher prägte einst den berühmten Aus­spruch: “Der ORF ist die größte Medien-Orgel des Landes” — und man weiß, wie mächtig große Orgeln spielen können. Zu Bachers Zeiten stellte den ORF noch kaum jemand in Frage, aber heut­zutage ist klar zu defi­nieren, ob und warum man in unserem längst alles durch­drin­genden Medi­en­zeit­alter eine zentral gesteuerte und ent­gegen aller Beteue­rungen immer poli­tisch beein­flusste Medi­en­orgel braucht, die den Bürgern den Moral-Marsch bläst und sie mit bestimmten Themen zudröhnen will.
In der aktu­ellen Form braucht den ORF aus den oben genannten Gründen der sys­tem­im­ma­nenten ten­den­ziösen Struk­turen niemand mehr. (Das­selbe gilt ver­mutlich auch für ARD und ZDF). Der Bürger will weder per­manent belehrt noch will er andauernd von den vielen sich als Hyper­mo­ra­listen gerie­renden Reportern und Talk­mastern demons­triert bekommen, was gut und was böse ist — und dafür noch Zwangs­ge­bühren bezahlen.
Die Wahrheit tut not
Auf der anderen Seite brauchen wir mediale Ein­rich­tungen, die keinen finan­zi­ellen Inter­essen (wie Inse­raten, Pos­ten­schacher etc) aus­ge­liefert sind, sondern kor­rekte und glaubhaft über­prüfte Infor­ma­tionen wei­ter­geben. Es muss dafür eine Art “Clea­ring­stelle” ent­wi­ckelt werden. Ähn­liches gibt es bei­spiels­weise in der Medizin schon länger:  Die Infor­ma­ti­onsflut und die Fülle der medi­zi­ni­schen Studien müssen auf ihren Wahr­heits­gehalt über­prüft werden. Das tun etwa die Cochrane-Library  oder das eng­lische NICE-Institute. Für die Medi­enwelt fehlen diese Institute noch wei­test­gehend — aber wir brauchen sie dringend. Wir laufen sonst Gefahr, in einer frak­tio­nierten Wirk­lichkeit zu enden, in der sich die vielen heute exis­tie­renden Medien ihre je eigenen und welt­an­schaulich gefärbten Inhalte zusam­men­basteln — Stichwort #FakeNews.
Die öffentlich-recht­lichen Insti­tu­tionen müssen unab­hängig und sie dürfen nicht käuflich sein. Sie müssen daher auch ein Ethos besitzen, das fast an jenes von Staats­an­wälten oder Ärzten her­an­reicht. Die gefor­derte Clea­ring­stelle  muss eine Art “Rech­nungshof des Infor­ma­ti­ons­wesens” werden. Dafür ist kla­rer­weise eine öffent­liche Finan­zierung not­wendig und diese erfordert wie­derum eine kom­plette Redi­men­sio­nierung und Umge­staltung des jet­zigen rie­senhaft auf­ge­blähten ORF-Apparates.
Ein öffentlich-recht­licher Sender soll nichts weiter tun als die Bürger konkret und korrekt infor­mieren und er muss von jeder poli­ti­schen Ein­fluss­nahme frei­ge­macht werden. Also weg mit dem ORF und her mit einem ORF, der diesen Grund­auftrag erfüllen kann. 

 


Dr. Marcus Franz — thedailyfranz.at