Von Henry Mühlpfordt - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Der welt­weite Schul­den­stand hat sich seit 2008 fast verdoppelt!

So viele Schulden gab es noch nie in der Weltgeschichte.

Die Nied­rig­zins­po­litik der Zen­tral­banken ver­stärkt das Schul­den­problem, weil die Staaten sich das Geld prak­tisch kos­tenlos leihen können. In Deutschland und anderen euro­päi­schen Ländern wurden schon Staats­an­leihen mit einem nega­tiven Zins ausgegeben.
Die Finanz- und Euro­krise ist seit geraumer Zeit aus den Schlag­zeilen geraten, und zwar aus drei Gründen:
1. Die meisten Men­schen haben sich daran gewöhnt. Sie nehmen allen­falls wahr, dass es keine Zinsen mehr gibt und die Immo­bi­li­en­preise unauf­hörlich steigen.
2. Die Sym­ptome wurden durch die Null­zins­po­litik und die Anlei­he­käufe der Zen­tral­banken (besonders der EZB) zuge­deckt, obwohl keine einzige Ursache der Finanz- und Euro­krise beseitigt wurde.
3. Andere Pro­bleme, die den Men­schen unmit­telbar mehr auf den Nägeln brennen, war allem die Zuwan­derung, haben die Finanz- und die Euro­krise in den Hin­ter­grund treten lassen.
In den meisten Medien lesen wir sogar über die Finanz- und Euro­krise in der Ver­gan­gen­heitsform, so als ob wir diese hinter uns hätten. Ange­sichts der Null­zins­po­litik und der Anlei­he­käufe ist das so, als würde man einen Hero­in­ab­hän­gigen für geheilt erklären, weil er nach regel­mä­ßigen Metha­don­gaben nicht mehr zittert.
Nur wenige Jour­na­listen erkennen, wie brisant die Situation ist. Zu ihnen gehören Rainer Hank und Georg Meck, die jetzt in der FRANK­FURTER ALL­GE­MEINEN SONN­TAGS­ZEITUNG in einem großen Artikel ein­dringlich warnen: Es sei ein Zeichen des weit ver­brei­teten Opti­mismus und der Pro­blem­ver­drängung, wenn die Ende Februar ver­öf­fent­lichte OECD-Studie kei­nerlei Beun­ru­higung auslöse. Diese Studie enthält bri­sante Fakten:
Schul­den­stand 2008: 25 Bil­lionen; 2018: 45 Billionen
Zwi­schen 2008, dem Jahr in dem die Finanz­krise aus­brach, und 2018 sind die Schulden der ent­wi­ckelten Staaten der Welt von 25 auf 45 Bil­lionen Dollar gestiegen – auf den höchsten Stand in der Welt­ge­schichte. Addiert man alle Schulden, so Hank und Meck, also nicht nur der OECD-Staaten, sondern auch die der anderen Staaten sowie die Ver­bind­lich­keiten von Banken, Unter­nehmen und pri­vaten Haus­halten, dann kommt man auf 233 Bil­lionen Dollar. Die globale Schul­den­quote liegt damit 37 Pro­zent­punkte höher als vor Aus­bruch der Finanz­krise. Besonders brisant sei die Lage in Italien, wo die Ver­schuldung bei 130% liege. „Dass das Land nicht längst schon die Staats­pleite anmelden musste, liegt an den berühmt-berüch­tigten Target-Ver­bind­lich­keiten, die bewirken, dass die ita­lie­nische Zen­tralbank mit 440 Mil­li­arden Euro inzwi­schen der größte Schuldner im Zah­lungs­system der EZB ist; Haupt­gläu­biger dieses Systems ist mit For­de­rungen von 906 Mil­li­arden Euro die Deutsche Bundesbank.“
Es wird krachen – und dann?
Seit Beginn der Finanz­krise vor zehn Jahren habe ich in meinen „Finanz­ko­lumnen“ erklärt, dass die Bekämpfung der Sym­ptome der Schul­den­krise mit noch mehr Schulden zwingend zu einer noch grö­ßeren Finanz­krise führen wird. Dass es kräftig krachen wird, steht fest – nur nicht, wann es geschieht und was der Aus­löser sein wird. Was wir aber jetzt schon wissen, sind die Fol­ge­rungen, die die Politik ziehen wird.
Eine Krise wie die Sub­prime- und Finanz­krise der Jahre ab 2007/2008 ist für die Mehrheit der Men­schen – ebenso wie für die Mehrheit der Poli­tiker – wegen ihrer Kom­ple­xität nicht zu ver­stehen. Es ist ein­facher, „Schuldige“ (z.B. „gierige Banker“, „die Super­reichen“) als Sün­den­böcke zu prä­sen­tieren als die Ursachen zu ana­ly­sieren und daraus zutref­fende Fol­ge­rungen zu ziehen.
Eines ist son­nenklar: Durch „nor­males“ Wirt­schafts­wachstum können die Staaten nicht mehr aus der Schul­den­falle gelangen, dafür sind die Ver­bind­lich­keiten viel zu hoch. Es bleiben als Auswege nur die Sze­narien, die in der Geschichte die Folgen exor­bi­tanter Ver­schuldung waren: Inflation, Wäh­rungs­reform oder Staats­bankrott. Die Öko­nomen Kenneth S. Rogoff und Carmen M. Reinhart haben zusam­men­ge­rechnet, dass es seit dem Jahre 1800 min­destens 250 Staats­pleiten für die Aus­lands­schulden gab und min­destens 68 Inlands­pleiten, bei denen die Ein­lagen der eigenen Bevöl­kerung in Lan­des­währung betroffen waren. Manche Länder sind häu­figer zah­lungs­un­fähig geworden, Spit­zen­reiter sind Spanien mit 13 Pleiten und Vene­zuela mit zehn. Andere Länder waren noch nie pleite, so etwa die USA, Kanada, Aus­tralien oder Norwegen.
Die Nied­rig­zins­po­litik der Zen­tral­banken ver­stärkt das Schul­den­problem, weil die Staaten sich das Geld prak­tisch kos­tenlos leihen können. In Deutschland und anderen euro­päi­schen Ländern wurden schon Staats­an­leihen mit einem nega­tiven Zins aus­ge­geben. Unter solchen Bedin­gungen ist die Auf­nahme neuer Schulden scheinbar kein Problem und die Par­teien können wei­terhin soziale Wohl­taten in großem Stil ver­teilen, um ihre Wähler bei Laune zu halten. Das Pro­gramm der Großen Koalition ist ein trau­riges Bei­spiel dafür. Ange­sichts der his­to­risch nied­rigen Zinsen könnte der Staat sparen oder die Steuern senken, aber er tut weder das eine noch das andere. Es gibt ja Wich­ti­geres, etwa die Finan­zierung der ideo­lo­gi­schen „Ener­gie­wende“, die ein Fass ohne Boden ist oder die Finan­zierung der Ein­wan­derung in die Sozialsysteme.
Doch die Nullzins-Politik hat dra­ma­tische Folgen. Die Preise für Immo­bilien, Anleihen, Aktien und andere Ver­mö­gens­werte steigen immer stärker, es bilden sich neue Blasen. Um über­haupt noch eine Rendite zu erzielen, inves­tierten private und insti­tu­tio­nelle Inves­toren in immer ris­kantere Anlagen.
Gefahr droht durch die Null­zins­po­litik zudem für die Banken. Hank und Meck weisen darauf hin, dass sich der Bestand an faulen Kre­diten allein bei den Banken der EU auf 900 Mrd. Euro belaufe, vor­zugs­weise in Süd­europa: „Kein Wunder, dass sich die deut­schen Finanz­in­stitute mit Händen und Füßen gegen eine Ver­ge­mein­schaftung der Ein­la­gen­si­cherung in Europa wehren, wofür sich EZB-Prä­sident Mario Draghi jüngst aus­ge­sprochen hat.“
„Je länger die Phase der nied­rigen Zinsen andauert“, warnte schon vor Jahren der Ökonom Thomas Mayer, „desto stärker werden die Preise für Ver­mö­gens­werte ver­zerrt und desto größer ist die Gefahr, dass der Aus­stieg aus der Politik der nied­rigen Zinsen einen erneuten Ein­bruch der Wirt­schaft und eine weitere Finanz­krise zur Folge hat.“ Diese Krise, das kann man mit Sicherheit vor­her­sagen, wird von Poli­tikern und Medien dann dem „Kapi­ta­lismus“ zuge­schrieben, obwohl sie in Wahrheit gerade aus einer Ver­letzung kapi­ta­lis­ti­scher Prin­zipien resul­tieren. Wenn die Dia­gnose falsch ist, ist auch die The­rapie falsch. Und diese The­rapie heißt: Noch mehr Schulden und noch mehr Staat – und noch weniger Markt. 

 


Dr. Rainer Zitelmann für TheEuropean.de