Plattenbau-Tristesse in Halle - So sieht staatlicher Wohnungsbau aus - CC BY-SA 3.0, Link

Stegende Mieten, staat­liches Wohn­ei­gentum — Mehr Kom­mu­nismus wagen‘ ist erst der Anfang…

Die Mieten steigen – und schon wird mehr Kon­trolle durch die Regierung,  ja sogar mehr staat­liches Wohn­ei­gentum gefordert. Wer glaubt, sein Ver­mögen durch Immo­bi­li­en­besitz zu retten, sollte endlich aufwachen.

Erinnern Sie sich noch an den Zustand ost­deut­scher Städte vor der Wie­der­ver­ei­nigung? Teils schöne, alte Gebäude ver­fallen und ver­wahrlost. Seit Jahr­zehnten wurde nicht mehr inves­tiert, es gam­melte alles vor sich hin. 

Die Ursache liegt auf der Hand. Es war der Mangel an Bau­ma­te­rialien und Hand­werkern. Vor allem aber war es eine wirt­schaft­liche Ent­scheidung der Eigen­tümer.  Die Mieten waren gede­ckelt, weit unter jedes wirt­schaft­liche Niveau gedrückt und deshalb blieb den Eigen­tümern keine andere Wahl, als auf Inves­ti­tionen zu ver­zichten. Kann man gut ver­stehen, soll man denn noch gutes Geld schlechtem hinterherwerfen? 
Wohnen wird teurer
Liegt doch lange zurück, mag man da denken. Heute sehen ost­deutsche Städte (Aus­nahmen wird es sicherlich geben) wieder schnieke aus und die Alt­bau­woh­nungen sind heiß begehrt. Aller­dings ist Wohnen deutlich teurer als früher und gerade in den Bal­lungs­zentren, die von wach­sender Wirt­schaft und anhal­tender Zuwan­derung pro­fi­tieren, sind in den letzten Jahren die Mieten erheblich gestiegen. Hinzu kommt der wirt­schaft­liche Auf­schwung, der sogar in Städten wie Berlin die Ein­kommen steigen lässt. Das führt zu einer Ver­drängung der „alt­ein­ge­ses­senen Bevöl­kerung“, die sich die Mieten in bestimmten Gegenden nicht mehr leisten kann oder will. 
Ein Ärgernis für Mieter und damit ein wich­tiges Thema für die Politik. Man braucht keinen Mathe­ma­tik­leis­tungskurs, um aus­zu­rechnen, dass wesentlich mehr Wähler Mieter als Eigen­tümer sind. Wohn­im­mo­bilien waren schon immer ein poli­ti­sches Thema und der Markt funk­tio­niert lange nicht mehr in diesem Bereich. Fol­gendes sollte den über­zeug­testen Immo­bi­li­en­an­leger zu denken geben. 
Erste Ver­schär­fungen drohen
Die Regierung arbeitet an einer Ver­schärfung der Miet­preis­bremse und will die Moder­ni­sie­rungs­umlage kürzen. Statt bisher elf Prozent soll diese nur noch acht Prozent betragen. Harmlos denkt man? Nun, lassen Sie uns kurz rechnen. 
Nehmen wir an, Sie moder­ni­sieren das Bad in der von Ihnen ver­mie­teten Eigen­tums­wohnung. Diese Moder­ni­sierung kostet 10.000 Euro und nach der­zei­tiger Regelung können Sie 1.100 Euro davon auf den Mieter umlegen, macht eine Erhöhung der Monats­miete um rund 92 Euro. Auf den ersten Blick sieht das nach einer attrak­tiven Ver­zinsung aus. Immerhin elf Prozent vor Steuern. 
Bei genauerer Betrachtung kommt man aber ins Grübeln. Wenn die Miete heute schon im Rahmen des Miet­spiegels liegt, dürfen Sie zwar die Miete darüber hinaus erhöhen, doch spä­testens in drei Jahren, wenn die nächste Miet­erhöhung möglich wäre, haben Sie ein Problem. Zwar sind die Mieten auch nach Miet­spiegel gestiegen, doch lediglich auf das Niveau, auf dem sie schon liegen. Sie dürfen also nicht weiter erhöhen. Damit haben Sie genau drei Jahre, in denen Sie Ihre Inves­tition zurück­ver­dienen müssen. Danach sind sie nämlich auf dem Miet­niveau, das Sie auch ohne Moder­ni­sierung rea­li­siert hätten. 36 Monate à 92 Euro ergeben jedoch nur 3.312 Euro. Die anderen 6.688 Euro bekommen Sie nicht zurück. 
Natürlich ist es eine ver­ein­fachte Betrachtung. Ver­mutlich wäre es ohne eine Moder­ni­sierung des Bades irgendwann schwer, die Miete nach Miet­spiegel durch­zu­setzen. Solange aber der Markt wie heute durch eine Über­nach­frage gekenn­zeichnet ist, ist es bei betriebs­wirt­schaft­licher Betrachtung keine gute Idee zu moder­ni­sieren. Senkt man die Umlage auf acht Prozent erst recht nicht. 
Dabei ist das Bad noch ein gutes Bei­spiel, weil der Mieter seine Moder­ni­sierung im Zweifel als eine Ver­bes­serung emp­findet. Die poli­tisch gewünschte Wär­me­dämmung hin­gegen bedeutet ein Ver­lust­ge­schäft für Mieter wie Vermieter. 
Anders ist es natürlich in den Fällen, wo die Ist-Miete so weit unter dem Miet­spiegel liegt, dass es quasi nur über Moder­ni­sie­rungen möglich ist, die Lücke rasch zu schließen. Diese führen zu der Kritik und statt sich auf diese Fälle zu kon­zen­trieren, macht die Politik lieber allen Inves­toren das Leben schwer. 
DDR kommt nicht wieder?
Doch damit nicht genug. SPIEGEL ONLINE (SPON) geht bei der Bespre­chung einer Talkshow zum Thema sogar so weit, zu fordern, „mehr Kom­mu­nismus zu wagen“. Auf nach Ost­berlin!, kann man da nur sagen. Und tat­sächlich ist es so gemeint! 
In der Tat stellt SPON fest, dass alle Ver­treter der Bun­des­po­litik in der Talkshow nichts Ver­nünf­tiges gesagt hätten. Statt­dessen dann dies: „Kein Wunder, dass der Star der Plasberg-Runde kein Minister oder Bun­des­tags­ab­ge­ord­neter war, sondern ein Lokal­po­li­tiker, der vor Ort kon­krete Maß­nahmen ergreift: Florian Schmidt, grüner Bau­stadtrat in Fried­richshain-Kreuzberg, der in den Ber­liner Kiezen Grund­sätz­liches plant: Per Vor­kaufs­recht will er erreichen, dass in 20 Jahren die Hälfte des Woh­nungs­be­standes lan­des­ei­genen Unter­nehmen bzw. Genos­sen­schaften gehört, damit sind Mie­te­rinnen und Mieter vor Spe­ku­lation, Luxus­sa­nierung und Umwandlung in Eigentum geschützt.“ Und weiter: „Der linke Grüne, eine seltene Spezies, die es so nur noch in Berlin gibt, ist auf einem guten Weg – seit 2015 hat der Bezirk so fast 1000 Woh­nungen ange­kauft, wöchentlich werden es mehr. Statt einer Neu­auflage der Miet­preis­bremse, an der die Regie­rungs­ko­alition zurzeit her­um­doktert und die von der nächsten Regierung wieder gekippt werde, so Schmidt, brauche das Land in Sachen Wohnen dau­erhaft stabile Ver­hält­nisse.”
Ich zitiere dies hier ent­gegen meiner sons­tigen Gepflo­genheit so aus­führlich, damit die Leser von Stelter Stra­te­gisch, die immer noch glauben, sie könnten ihr Ver­mögen ange­sichts von Euro‑, Schulden- und Demo­grafie-Krise mit dem Kauf von Immo­bilien retten, endlich auf­wachen! Was hier völlig refle­xi­onslos gelobt wird, ist eine Neu­auflage der DDR-Wohnungspolitik. 
Fried­richshain lag  ja im Osten
Richtig, Fried­richshain lag ja im Osten und Kreuzberg sah vor der Wende ähnlich aus. So gesehen könnte man die Schultern zucken und sagen: „Lass die in Berlin doch machen.“ Das Problem dabei: Es beein­flusst die Bun­des­po­litik, die in den kom­menden Jahren – wie hier immer wieder beschrieben – unter einen mas­siven Druck kommen wird, über Umver­teilung die Kosten der Alterung zu bewäl­tigen, für die jahr­zehn­telang nicht vor­ge­sorgt wurde. Was immer getan werden kann, ohne den Staats­säckel zu belasten, wird man tun. Miet­be­gren­zungen bieten sich da an! 
Denken wir durch, was pas­siert, wenn der Staat zunehmend Eigen­tümer von Immo­bilien wird, mit dem erklärten Ziel, die Mieten relativ zum Markt­preis zu senken: 
  1. Zunächst ist das eine Sub­vention der glück­lichen Ist-Mieter zulasten der All­ge­meinheit. Mit dem­selben finan­zi­ellen Aufwand könnte man neue Woh­nungen bauen und so das Angebot ver­größern (was den Miet­an­stieg dämpft) oder aber allen Mietern einen staat­lichen Zuschuss geben. Es ist offen­sichtlich, dass die Ver­wendung von Staats­mitteln zum Aufkauf vor­han­dener Woh­nungen der inef­fi­zi­en­teste Weg ist.
  2. Schnell wird sich ein Markt bilden für die Vergabe von Woh­nungen in den so sub­ven­tio­nierten Häusern. Da die Miete gede­ckelt ist, werden andere Formen der Bezahlung an Bedeutung gewinnen. Dies reicht von der Zuge­hö­rigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Partei, Beruf, …) bis hin zu Kor­ruption. Letztere blüht besonders da, wo die Preise nicht markt­ge­recht sind.
  3. In die Immo­bilien im Staats­besitz wird aller­dings weniger inves­tiert. Das liegt daran, dass auch die Taschen des Staates nicht beliebig tief sind. Zunächst wird das von den Mietern nicht bean­standet, können sie doch besonders günstig wohnen.
  4. Der Anteil der staat­lichen Immo­bilien nimmt zu. Da auch diese Woh­nungen in den Miet­preis­spiegel ein­fließen, drückt das tiefe Miet­niveau der sub­ven­tio­nierten Woh­nungen das Miet­niveau ins­gesamt. Schön für Mieter, wenig ren­tabel für Vermieter.
  5. Für die Eigen­tümer der Woh­nungen, die nicht im Staats­besitz sind, wird es immer unat­trak­tiver die Woh­nungen zu halten, auch sie ver­kaufen an den Staat oder kürzen ihre Investitionen.
Kom­mu­nismus endet immer gleich: mit dem Verfall der Immo­bilien und einem Neu­start, wenn die staat­liche Woh­nungs­kauf­ge­sell­schaft wieder ver­kauft wird, weil die Löcher im Haushalt zu groß sind. 
Schuss geht nach hinten los
Damit geht der Schuss aber nach hinten los. Heute gehören rund 13,5 Mil­lionen Wohnung in Deutschland pri­vaten Inves­toren und nur rund 6,5 Mil­lionen großen Immo­bi­li­en­ver­waltern. Die pri­vaten Inves­toren haben zumeist nur eine Wohnung oder ein Haus, weshalb – von Aus­nahmen abge­sehen – die Ver­waltung nicht so pro­fes­sionell ist, wie bei den großen Inves­toren. Bisher sind die Mieter die Nutz­nießer der Unpro­fes­sio­na­lität der Ver­mieter. Mieten wachsen lang­samer, weil die Ver­mieter den Kon­flikt scheuen. Instand­hal­tungen werden früher durch­ge­führt, als sie tech­nisch eigentlich erfor­derlich wären, Moder­ni­sie­rungen, obwohl sie sich eigentlich nicht rechnen. 
Bei den pro­fes­sio­nellen Ver­mietern ist das anders. Sie betreiben ein aktives Port­fo­lio­ma­nagement und wissen, wo und wie sich eine Inves­tition rechnet. Und vor allem, wie sie ihre Ansprüche gegenüber den Mietern durchsetzen.
Am Ende des „kom­mu­nis­ti­schen Weges“ dürfte damit ein Kon­zern­ka­pi­ta­lismus stehen. So ist das, wenn die Politik agiert. Bekanntlich ist ja das Gegenteil von „gut“, „gut gemeint“. 
Aus Sicht von Inves­toren ist die Schluss­fol­gerung ein­deutig: In einem Staat, der über­altert, sich finan­ziell über­nimmt (Euro, Migration, Rente, Ener­gie­wende), in dem Umver­teilung als die Lösung für alles gesehen wird, sollte man nicht in Immo­bilien inves­tieren. Besser das Geld außerhalb Europas anlegen. Aber das wussten Sie als Leser dieser Kolumne ja schon.
 

Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com
→ wiwo.de: „‚Mehr Kom­mu­nismus wagen‘ ist erst der Anfang“, 14. Juni 2018