Merkels Kleb­stuhl im Kanz­leramt und ihr gewis­sen­loser Tritt ans Schienbein der deut­schen Nation

von Peter Helmes | Angela Merkel plant einen langen Abschied. Auf Deutsch: Sie klebt an der Macht und will sie bis zur letzten Sekunde aus­kosten. Erst zur nächsten Wahl will sie das Kanz­leramt räumen. Die Frau, die meist als berechnend („kühle Phy­si­kerin“) dar­ge­stellt wird, könnte sich diesmal ver­rechnen. Ihre Hin­hal­te­taktik ist zu durch­schaubar. Es geht ihr mit­nichten um eine Änderung der Politik. Denn bleibt sie im Amt, bedeutet das dann drei Jahre „weiter so“ – auch mit offenen Grenzen. Drei Jahre lang, bis die Wahl­pe­riode abge­laufen ist und ohnehin neu gewählt wird.
Erst das ganze Elend und der unüber­sehbar zuneh­mende Nie­dergang ihrer Auto­rität hat sie dazu gezwungen, jetzt ihr par­tei­po­li­ti­sches Ende anzu­kün­digen. Die Kanz­lerin hat jedoch mit ihrem Ent­scheid, wei­terhin am Kanz­leramt fest­zu­halten, die Chance eines glanz­vollen Abgangs end­gültig ver­passt. Sie glaubt hin­gegen, es wäre eine letzte Mög­lichkeit, den Rest einer Kon­trolle über das behalten zu können, was jetzt noch kommt. Statt­dessen muten ihre Ankün­di­gungen eher als ein Manöver an, das die ver­bliebene Macht noch so lange wie möglich in die Zukunft hin­über­retten soll. Der Ver­zicht auf das Par­teiamt ist ein Blitz­ab­leiter, denn den Par­tei­vorsitz hat sie von Anfang an als Macht­ga­ranten besetzt, konnte aber mit der mit diesem Posten ver­bun­denen Partei nie richtig was anfangen.
Nein, nein, ich kaufe ihr die „Auf­op­fe­rungs­rolle“, die uns ihr Brief vor­gaukelt, nicht ab. Die Wirk­lichkeit, bru­taler aus­ge­drückt, lautet nämlich: Merkel wollte und will ein Miss­trau­ens­votum ver­hindern, das ihr einen schmäh­lichen Abgang bereitet hätte. Und – was ebenso schwer wiegt:
Ein Miss­trau­ens­votum hätte ihr die Macht genommen, den für das Abendland töd­lichen Migra­ti­ons­vertrag zur Aus­lö­schung Deutsch­lands unter­zeichnen zu können bzw. zu lassen. Das Miss­trau­ens­votum hätte dieses Teu­felswerk ver­hindert – aber damit die Schmach der Noch-Kanz­lerin vergrößert.
Merkel entwarf kei­nerlei Ideen für die Gestaltung Europas. Ihre Idee von Europa bestand offen­sichtlich nur darin, mit Geld die Pro­bleme lösen zu können – auf Kosten der deut­schen Steu­er­zahler, unter unver­zeih­licher Ver­letzung des Grund­ge­setzes sowie der Euro­päi­schen Ver­träge. Dabei gehen ein sta­biles und flo­rie­rendes Europa sowie die Zukunft Deutsch­lands zugrunde. Die Kanz­lerin ist zu weit gegangen.
Merkels langer Abschied läutet eine Periode der Insta­bi­lität in der größten Volks­wirt­schaft Europas ein und schädigt darüber hinaus die EU im Mark.
Zu den Pro­blemen der Rest­laufzeit Merkels gehören z. B. die Sicherung von Europas Grenzen, die Wie­der­erar­beitung des ver­lo­renen Ver­trauens zwi­schen „EU-Ost“ und „EU-West“, der Brexit, Ita­liens Haushalt, die Euro­pawahl 2019, usw., usw. Merkel hätte auf deut­scher und vor allem euro­päi­scher Ebene noch viele Mam­mut­auf­gaben vor sich.
Bei den kom­menden EU-Gipfeln ist also eine kluge Mode­ration gefragt – es geht weniger um große Visionen als um Kri­sen­ma­nagement. Doch die Kanz­lerin ist ab sofort vor allem mit dem Management der eigenen Krise beschäftigt.
Diese Auf­gaben auf­zu­greifen – geschweige denn zu lösen – fehlt der deut­schen Bun­des­kanz­lerin nun die Auto­rität. Es ist eine alte poli­tische Weisheit: Wer das Ende seines Amtes vor sich hat, wird gemeinhin als „lame duck“ – als lahme Ente – gewertet. Die Ente darf schnattern, aber wirklich zu sagen hat sie nichts mehr, weil ihr niemand mehr zuhört. Ein Begriff nimmt zunehmend Gestalt an: Das Wort Merkel fällt nicht mehr im Zusam­menhang (Neu­deutsch: Kon­no­tation) mit „Macherin Merkel“, sondern nur noch mit „Merkels Macht­verlust“. Das wird sie, wenn auch schmerzhaft, zur Kenntnis nehmen müssen, denn „Merkels Macht­verlust“ ist eine zwangs­mäßige Folge ihrer Ankün­digung, die jetzige sei ihre letzte Kanz­ler­pe­riode. Sie kann froh sein, dass sie nicht schon vorher aus dem Amt getragen wird (ich weiß, ich weiß, „kon­struk­tives Mißtrauensvotum“).
Selbst schuld, Madame: “Die Trennung von Kanz­ler­schaft und Par­tei­vorsitz ist ein fataler Fehler. Sie bedeutet einen ‘Auto­ri­täts­verlust auf ganzer Linie’ und den ‘Anfang vom Ende’ einer Kanz­ler­schaft.” Es ist eine brutale Analyse. Sie stammt von – man darf sich wundern – Angela Merkel (aus dem Jahr 2004: „Par­tei­vorsitz und Kanz­ler­schaft gehören zusammen.“)
Es sieht so aus, als sei die deutsche Bevöl­kerung endlich wach­ge­worden. Das Wahlvolk hat Merkel nun – spä­testens seit den Wahlen in Bayern und Hessen – auf den Boden der Tat­sachen zurück­geholt. Die Kai­serin steht jetzt nackt da – und wird nichts zurück­lassen als Wut und Verwerfungen.

Neu­anfang unausweichlich

Kann Merkel also jetzt einfach noch drei Jahre wei­ter­machen? Nein, denn die Basis murrt unüber­hörbar, und den Abge­ord­neten in den Landes- und Bun­des­par­lament flattert der Rock aus Angst, sie könnten ihr Mandat – und damit ihre Pri­vi­legien – ver­lieren. Nein, überall, wo man in der Partei hin­schaut: Die CDU will einen Neuanfang.
Zur Erin­nerung: In meinem gest­rigen Kom­mentar zur Rück­tritts­an­kün­digung Merkels als CDU-Par­tei­vor­sit­zende schrieb ich deutlich:
„… Diese Frau ist kein Fleisch vom Fleische der CDU. Ihr fehlt ein Wer­te­gerüst ebenso wie ein Gespür für mensch­liche Befind­lichkeit. Sie hat der CDU die ideo­lo­gische Basis unter den Füßen weg­ge­zogen. Das bleibt!“
Was bei mir, einem über­zeugten Deut­schen und Kon­ser­va­tiven, als schlimmste Erin­nerung an diese Frau bleibt:
Sie hat nicht Deutschland gedient – wie sie in ihrem Brief an die CDU-Mit­glieder behauptet („dem deut­schen Volke dienen“, wollte sie, wie sie schrieb) – sondern sie hat alles getan, sich von „Deutsch“ zu distan­zieren. Beispiele:
Ich werde nie ihre ange­wi­derte Miene ver­gessen, als sie dem dama­ligen Gene­ral­se­kretär Gröhe die Deutsch­land­fahne aus der Hand riss.
Und ich werde nie ver­gessen, dass sie in ihren Reden nicht von „Deut­schen“ sprach, sondern diese bezeichnete als „die, die schon länger hier leben“!
Ich werde ihr nie ver­zeihen, dass es den Aus­druck „deut­sches Volk“ in ihren Reden ebenso wenig gab wie das Wort „Vaterland“.
Es klingt wie ein Hohn, dass etliche Gazetten nun (sinn­gemäß) schreiben, zusammen mit Frank­reich ver­teidige Merkel seit Jahren standhaft jene Werte, die Europa zu einem der Räume der demo­kra­ti­schen Welt mit dem größten Wohl­stand und Fort­schritt gemacht haben. Und das, ohne auf die Grün­dungs­prin­zipien der EU, wie den Schutz der Men­schen­rechte und den freien Markt, zu ver­zichten. Sie hat genau das Gegenteil getan und Deutschland auf dem Altar einer schwindlig machenden Will­kom­mens­kultur und einer nicht mehr fass­baren deut­schen und euro­päi­schen Schul­denlast geopfert.
Zudem unterlief ihr (gewollt?) ein schlimmer stra­te­gi­scher Fehler: Die völlige Fehl­ein­schätzung der Flücht­lings­po­litik. Offenbar ging sie – wie die ver­sam­melte linke Gut­men­schriege dieses Landes – davon aus, dass „Auschwitz“ die Deut­schen auch heute und in Ewigkeit zu Schul­digen gestempelt hat, die Tag für Tag ihre Schuld ab- und aller Welten Last mit­tragen müssten.
Aber mit der von ihr initi­ierten „Will­kom­mens­kultur“ hat sie den Bogen über­spannt. Der Erfolg der AfD ist eine Antwort darauf. Und den Ver­ant­wort­lichen in der CDU ist vor­zu­halten, dass sie alle, die sie, ihre Vor­sit­zende, mit­ge­tragen haben, schuld am Auf­stieg einer kon­ser­va­tiven Kon­kur­renz­partei sind. An Merkel und ihren Gefolgs­leuten zeigt sich, wie blind Links­ge­leitete sind. Dass sie die AfD jetzt ver­teufeln, gleicht dem Versuch, ein schlechtes Gewissen in ein gutes wandeln zu können.
Frau Merkel, fol­gende Passage Ihres Briefes haben Sie ganz gewiss anders gemeint, als ich sie verstehe:
„Ich bin über­zeugt: Wir müssen inne­halten. Ich jeden­falls tue das. Und ich wünsche mir, dass wir den gest­rigen Wahltag als Zäsur nehmen, dass wir alles auf den Prüf­stand stellen, was wir spä­testens seit der Bun­des­tagswahl bis heute gesagt und getan haben. “
Ich nehme den Text durchaus wörtlich und hoffe, dass mit ihrem Rück­tritt eine Zäsur erreicht wird, die uns Deut­schen unser Land wieder zurückgibt. Auch deshalb sollten Sie nicht nur das Amt der CDU-Par­tei­vor­sit­zenden, sondern erst recht das der Bun­des­kanz­lerin abgeben!
Gnädige Frau, stellen Sie sich einfach darauf ein, dass nicht nur Ihre Tage im Kanz­leramt gezählt sind, sondern vor allem auch, dass es mit jedem Tag, den Sie bleiben, unge­müt­licher werden dürfte! Ich will das gerne begründen:
Im Dezember wird der Par­tei­vorsitz neu besetzt. Die CDU erwartet mit dieser Per­so­nalie einen Neuanfang.
Der neue Amts­in­haber wird seinen eigenen Poli­tikstil mit­bringen und ihn (ver­mutlich) gegen Merkels alten Poli­tikstil durch­setzen wollen (alles andere wäre absurd). Diese Änderung in der Partei wird logi­scher­weise auch ins Kanz­leramt hin­ein­wirken. Und da klebt dann Merkel – alles andere als gute Vor­aus­set­zungen für eine andere Politik.
Der neue Par­tei­vor­sit­zende muss sich auch per­sönlich von Merkel absetzen, sich ein eigenes Profil erar­beiten. Ein Par­tei­vor­sit­zender ist immer auch ein poten­zi­eller Kanzlerkandidat.
Sehr bald könnte sich erweisen, dass das nicht oder nicht schnell genug funk­tio­niert. Es wird Rei­be­reien und Rei­bungs­ver­luste geben. Im nächsten Jahr wird unter anderem in mit­tel­deut­schen Bun­des­ländern gewählt. Der CDU drohen dort weitere Ver­luste. Klar, dass damit der Wind, der gegen sie weht, noch eisiger wird. Wahr­scheinlich wird es viel Streit geben, der auf kurz oder lang zu zwin­genden Kon­se­quenzen führen wird: Merkel dürfte sehr bald von (einst) „lieben“ Par­tei­freunden gedrängt werden, die Kanz­ler­schaft doch früher zu beenden.
Der Kleister, mit dem Merkel an ihrem Stuhl klebt, wird glit­schig. Sie wird her­un­ter­rut­schen – und tief fallen.


Quelle: con­servo