Eva Herman zum Thema Mann, Frau und Gender

Eva Herman
Der geschlech­ter­ge­rechte Gesin­nungs­terror hat unsere Gesell­schaft immer fester im Griff. So hat bei­spiels­weise ganz aktuell Han­nover Ende Januar 2019 eine Emp­fehlung für eine »geschlech­ter­ge­rechte Ver­wal­tungs­sprache« her­aus­ge­geben. Die Ver­ant­wort­lichen wollen das Männ­liche wie auch das Weib­liche aus der deut­schen Sprache tilgen, frei nach dem Motto: Alles ist jetzt gleich, alle sind gleich, es gibt keine Unter­schiede, schon gar nicht zwi­schen Mann und Frau! Gender-Gaga halt. Zum Bei­spiel wird das Red­nerpult im schönen Nie­der­sachsen jetzt zum Redepult umfunk­tio­niert, denn es klingt in modernen Ohren offenbar einfach zu männlich. (Ich frage mich, wann ich wohl meinen Nach­namen Herman ablegen muss?)
Solche und ähn­liche beschei­denen Kalauer zeich­neten sich leider schon vor einigen Jahren ab. Am 7. Sep­tember 2006 ver­öf­fent­lichte ich das heiß dis­ku­tierte Buch Das Eva-Prinzip, das schnell zu einem Best­seller wurde. Hierin geht es u.a. um die wis­sen­schaftlich ein­deutig nach­weis­baren Unter­schiede zwi­schen Mann und Frau, außerdem um das arm­selige, zuweilen gar lebens­ge­fähr­liche Erbe der rück­wärts­ge­wandten »Top-Femi­nis­tinnen« wie Alice Schwarzer & Co, und es geht um das Ansehen der Familie, welches heute, dreizehn Jahre später, tat­sächlich inzwi­schen schwerstens in Mit­lei­den­schaft gezogen ist.
Ab heute werde ich im täg­lichen Rhythmus ver­schiedene Pas­sagen aus dem Eva-Prinzip zu den genannten Themen ver­öf­fent­lichen. Man erkennt leicht, wie sehr sich unser Kul­tur­kreis inzwi­schen ver­ändert hat. Am Gen­der­thema kommt heute niemand mehr so ohne wei­teres vorbei. Worüber viele Men­schen früher herzhaft lachen mussten, da zucken sie jetzt nicht selten zusammen und ver­schließen fest Augen, Mund und Ohren: Man will doch nicht negativ auf­fallen. Den Aus­schluss aus der mensch­lichen Gemein­schaft will niemand mehr ris­kieren, lieber unter­wirft man sich den ver­brämten, kruden Aus­wüchsen von Ideo­logie und Dogma. So etwas nennt man Tota­li­ta­rismus. Können wir noch etwas ver­ändern? Wer weiß.

Teil 1: Die Ideo­logie der Gleichheit

Mann und Frau sind gleich, und wenn sie es nicht sind, müssen sie gleich gemacht werden: Diese These gehört zu den ver­häng­nis­vollsten Behaup­tungen unserer Gegenwart. Man könnte sogar sagen, dass daraus eine Ideo­logie ent­standen ist, die alle Bereiche der Gesell­schaft erfasst hat. Die Vor­stellung stammt aus den sech­ziger Jahren, als man fest­stellte, auch – und gerade – das Private sei poli­tisch. Das war nicht unbe­dingt falsch, doch die spätere Aus­weitung des Poli­ti­schen auf das Ver­hältnis der Geschlechter ent­hielt einige Denk­fehler. Freiheit, Gleichheit, Brü­der­lichkeit? Konnte das mit aller Kon­se­quenz für Mann und Frau gelten?
Als schließlich in den sech­ziger und sieb­ziger Jahren die Sozi­al­wis­sen­schaften nahe­legten, wir Men­schen könnten durch Erziehung und Milieu von Grund auf ver­ändert werden, kam es zu erhitzten Dis­kus­sionen. Fast nichts sei von der Natur vor­be­stimmt, so die revo­lu­tionär klin­gende Über­zeugung; alles galt plötzlich als formbar, selbst die Geschlech­ter­rollen von Mann und Frau. Viele jubelten: Das bedeutet Gerech­tigkeit! Und Chan­cen­gleichheit, ganz gleich, ob schwarz oder weiß, Mann oder Frau!
Dies war das Fun­dament, auf dem auch die sich damals for­mie­rende Frau­en­be­wegung baute. Denn die neu ver­kündete Gleichheit wischte alle Thesen von der Tafel, die Psy­cho­logen und Ana­ly­tiker in der Tra­dition Sigmund Freuds über die Natur des Weib­lichen auf­ge­stellt hatten – über diese hatte sich Alice Schwarzer dann auch noch nach­träglich in ihrem Buch Der »kleine Unter­schied« und seine großen Folgen beklagt: »Anstatt die Instru­mente, die ihnen zur Ver­fügung stehen, zu nutzen, um auf­zu­zeigen, wie Men­schen zu Männern und Frauen defor­miert werden, machten sie sich zu Hand­langern des Patri­ar­chats. Sie wurden der Män­ner­ge­sell­schaft liebster Ein­peit­scher beim Drill zur Weiblichkeit.«
Damit sollte es nun ein Ende haben. Der Sieg der Kultur über die Natur schien nahe – und damit der Sieg der Erziehung über das ange­borene Geschlecht. Mich hatte das als Teenager zuver­sichtlich gestimmt. Ich kann einfach alles erreichen, dachte ich in dieser Zeit, ganz egal ob ich ein Junge oder Mädchen bin! Diese Über­zeugung war es auch, die mir Selbst­si­cherheit gab, selbst wenn ich leise Zweifel an meinen »männ­lichen Talenten« hatte.
 
Heute gehört die Gleichheit der Geschlechter zum Selbst­ver­ständnis unserer Gesell­schaft. In der soge­nannten Wis­sens­ge­sell­schaft, auf die wir ganz stolz sind, regiert die Ver­nunft, alles scheint machbar und damit auch ver­än­derbar. Der Mensch will die Fäden in der Hand behalten und über alles ent­scheiden können. Aber sind solche Vor­stel­lungen nicht letztlich von mensch­lichen All­machts­an­sprüchen geprägt? Ent­sprechen sie über­haupt den heu­tigen wis­sen­schaft­lichen Fakten? Sind sie ver­einbar mit den Gesetzen der Natur? Die Antwort: Sie sind es nicht!
Die Dis­kussion darüber, ob man Frauen und Männer gleich­machen könne, ist vom natur­wis­sen­schaft­lichen Stand­punkt aus beendet. Frauen, die ihr Lebens­konzept danach aus­richten, ver­rennen sich in fol­gen­schwere Irrtümer.
Auch wenn die unbe­grenzte Selbst­er­schaffung des Men­schen eine ver­füh­re­rische Idee der Moderne ist, die Bio­wis­sen­schaften können auch nach fünfzig Jahren inten­siver For­schung keinen Vorrang der Erziehung über das ange­borene Geschlecht ver­künden. Sie räumen zwar ein, dass uns kul­tu­relle Ein­flüsse steuern und formen, geben aber auch zu, dass unsere mensch­liche Natur nicht grund­sätzlich ver­ändert werden kann.
Die Tat­sache, dass in den sieb­ziger Jahren die cha­rak­te­ris­ti­schen Geschlech­ter­rollen grund­sätzlich in Frage gestellt wurden, war nicht nur dem Modefach der Sozio­logie zu ver­danken. Oder der intensiv betrie­benen Femi­nis­mus­de­batte. Es passte auch bestens in die gesell­schafts­po­li­tische Land­schaft. Das Wirt­schafts­wunder hatte in Deutschland zu einem kon­junk­tu­rellen Höhenflug geführt. Daraus ergab sich ein Problem: Arbeits­kräfte waren rar. Deshalb hatte man, wie es bis heute öffentlich heißt, schon einige Jahre zuvor die ersten Gast­ar­beiter ins Land geholt, um den zuneh­menden Bedarf zu decken.
Doch auch die Frauen wurden jetzt gefordert. Wenn es zu wenig Erwerbs­tätige gab, was lag da näher, als sie in den Arbeits­markt ein­zu­gliedern? Dafür mussten Vor­aus­set­zungen geschaffen werden, die sich nicht nur in bes­seren Aus­bil­dungs­mög­lich­keiten erschöpften. Die berufs­tätige Frau musste als neues gesell­schaft­liches Leitbild pro­pa­giert werden. Arbeit durfte für Frauen kein Makel mehr sein, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Der Femi­nismus mit seinen Selbst­ver­wirk­li­chungs­träumen und der Behauptung einer grund­sätz­lichen Gleichheit von Mann und Frau kam unter diesen Vor­aus­set­zungen wie gerufen (oder wurde alles gut koor­di­niert?). Eine eman­zi­pierte Frau, so hieß es plötzlich, dürfe nicht zu Hause her­um­sitzen und Brei fürs Baby kochen, sie müsse hinaus ins Berufs­leben, um sich zu beweisen. Mehr noch: Weib­liche Rol­len­muster wie das der Ehefrau und Mutter wurden abschätzig beschrieben, sie galten nun als rück­ständig, als wenig progressiv.
Alles, was die Hausfrau zu ihrer Ver­tei­digung hätte her­an­ziehen können, wurde abge­ur­teilt. Als die CDU in den sieb­ziger Jahren ein soge­nanntes »Haus­frau­en­gehalt« vor­schlug, um den Status von Haus­frauen auf­zu­werten, hielt Alice Schwarzer im Kleinen Unter­schied fest: »Ein solches Haus­frau­en­gehalt würde die Auto­no­mie­be­stre­bungen von Frauen schwer behindern und sie außerdem erneut an ihre Frau­en­pflichten fesseln. Gerade jetzt, wo Frauen immer weniger bereit sind, sich in ihrem häus­lichen Gefängnis zu begnügen, würde ihnen eben dieses Gefängnis mit einem Haus­frau­enlohn ver­silbert und trü­ge­risch erneut attraktiv gemacht.« Anders gesagt: Frauen sollten sich von ihrem Haus­frau­en­dasein lösen, einen Weg zurück dürfe es nicht geben.


Quelle: Eva Herman