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Typisch Deutsch – lieber alle ärmer als einige etwas reicher

Vor die Wahl gestellt, selbst 80.000 Euro zu ver­dienen, während der Nachbar 100.000 Euro bekommt oder aber jeweils nur 60.000 Euro zu ver­dienen, dürften die meisten Deut­schen sich für die zweite Option ent­scheiden. So zumindest das Ergebnis psy­cho­lo­gi­scher Studien. Wir bevor­zugen es, weniger zu bekommen oder ärmer zu sein, statt reicher, aber eben weniger reich als die Men­schen, mit denen wir uns vergleichen.
Dabei über­schätzen wir, wie ungleich es in Deutschland zugeht und sind deshalb besonders anfällig für die For­de­rungen nach mehr Umver­teilung. Andere Studien wie­derum zeigen, dass Bürger/-innen das Ausmaß der Umver­teilung unter­schätzen und gefragt nach dem wün­schens­werten Grad der Umver­teilung geringere Werte nennen, als wir sie schon haben.
Ein­kommen werden massiv umverteilt
Gefördert wird diese Wahr­nehmung durch eine mediale und poli­tische Dau­er­kam­pagne, die in der ver­meint­lichen Ungleichheit die größte Unge­rech­tigkeit sieht und nach immer mehr Umver­teilung und einer endlich „gerech­teren“, sprich höheren Besteuerung der Reichen ruft. Dabei funk­tio­niert bei den Ein­kommen die Umver­teilung schon sehr gut. So liegt der Gini-Koef­fi­zient (Maßstab der Gleich­ver­teilung, 0 = alles gleich; 1 = einer hat alles, alle anderen nichts) vor Umver­teilung bei rund 0,5, nach Umver­teilung bei 0,29 – und dies seit mehr als zehn Jahren stabil. Damit ist Deutschland eines der Länder mit der geringsten Ungleichheit bei den ver­füg­baren Ein­kommen. Nur Irland und Frank­reich ver­teilen noch mehr um als wir.
Hinzu kommt, dass gerade der Nied­rig­lohn­be­reich in den letzten Jahren über­durch­schnittlich auf­geholt hat. Die Ein­kommen der unteren zehn Prozent sind zwar lang­samer gewachsen als jene der oberen zehn Prozent, aber schneller als die Ein­kommen der Mit­tel­schicht. Nach Umver­teilung steht die Mit­tel­schicht in Deutschland als die Dumme da.
Ver­mö­gens­ver­teilung ist ungleicher
Anders sieht es bei der Ver­mö­gens­ver­teilung aus. So zeigen Daten der OECD, dass Deutschland in dieser Hin­sicht zu den Ländern mit mehr Ungleichheit gehört. Der Gini-Koef­fi­zient liegt bei 0,8, ver­glichen mit einem Durch­schnitt von 0,7 in der OECD.
Dieser Umstand wurde in der letzten Woche sogar vom Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds (IWF) kri­ti­siert. In seiner Län­der­studie stellt er einen Zusam­menhang zwi­schen der ungleichen Ver­mö­gens­ver­teilung und den Export­über­schüssen her. Demnach würden die Eigen­tümer der Unter­nehmen über­pro­por­tional von den Exporten pro­fi­tieren und immer reicher werden und zugleich durch ihre hohe Spar­quote dazu bei­tragen, dass wir wei­terhin unsere Erspar­nisse in das Ausland expor­tieren. Letz­teres führt dann zu wei­terhin hohen Export­über­schüssen, wie ich an dieser Stelle mehrfach erläutert habe.
Da dem IWF – wie auch Donald Trump und Emanuel Macron – die deut­schen Export­über­schüsse schon lange ein Dorn im Auge sind, ist es nur kon­se­quent, hier anzu­setzen und über den Umweg der Ver­mö­gens­ver­teilung in Deutschland die Exporte endlich klein zu bekommen. Konkret fordert der Fonds höhere Steuern auf Erb­schaften und Ver­mögen in Deutschland. Dabei befindet sich die Erb­schafts­steuer hier­zu­lande schon deutlich über dem Niveau anderer Länder – ich erinnere zum Bei­spiel an Italien. Und das geringe Auf­kommen aus der Erb­schafts­steuer liegt nicht an den zu geringen Sätzen, sondern an den Aus­nahmen, die gerade für Unter­neh­menserben gelten. Es ist durchaus möglich, auch die Unter­nehmen bei der Besteuerung mit ein­zu­be­ziehen, zum Bei­spiel, indem man in jedem Jahr ein 33stel der Erb­schafts­steuer ver­anlagt und so eine Spit­zen­be­lastung im tat­säch­lichen Erbfall ver­meidet. Rea­lis­ti­scher­weise wird die Politik davor aber zurück­schrecken – aus Angst, Arbeits­plätze zu gefährden. 

Immo­bilien im Fokus

Statt­dessen liefert die IWF-Studie den Vorwand, die Ein­kommen (noch) höher zu belasten und vor allem bei der Besteuerung der Immo­bilien nach­zu­legen. Die „Süd­deutsche Zeitung“ verwies bei der Bespre­chung des IWF-Berichts direkt auf die Tat­sache, dass sich in den ver­gan­genen Jahren der Wert des deut­schen Immo­bi­li­en­ver­mögens um drei Bil­lionen Euro erhöht habe, ohne aller­dings mit einer Silbe die Ursache für diese Ent­wicklung zu erwähnen: die Geld­po­litik der EZB, die alle Ver­mö­gens­preise nach oben treibt und indirekt – eben über stei­gende Grund­stücks­preise – auch eine der Ursachen für die stei­genden Mieten hier­zu­lande ist. Statt­dessen zitiert sie einen Experten, der festhält, dass „die Besteuerung von Immo­bi­li­en­ver­mögen, das nicht weg­laufen kann, eine gute Idee“ sei. 
Passt zur Stimmung, wo man mit Mie­ten­de­ckeln und Ent­eig­nungen den „Immo­bi­li­en­haien“ an den Kragen will. In die­selbe Kate­gorie passen die Über­le­gungen, die Grund­steuer nicht mehr in den Neben­kosten auf den Mieter umzu­legen, obwohl dieser der Nutzer der Dienst­leis­tungen in der Gemeinde ist, in der er wohnt und nicht der Eigen­tümer, der unter Umständen an einem ganz anderen Ort ansässig ist.
Deutsche Immo­bilien waren ein schlechtes Investment
Ohnehin zeigt der mediale Wirbel um die Studie des IWF erneut, wie Medien gezielt jene Nach­richten ver­stärken, die in das gewünschte Bild passen. Ich kann mich nämlich nicht erinnern, dass es vor einem Jahr eine ähn­liche Reaktion gegeben hätte, als der IWF in einer anderen Studie vor­rechnete, wie schlecht deutsche Immo­bi­li­en­in­ves­toren absolut, aber besonders auch relativ zu anderen Ländern in der Ver­gan­genheit abge­schnitten haben. Der (damalige) Wirt­schafts­weise Peter Bofinger twit­terte erfreut: „German house prices still undervalued.“
Im Kern rechnet der IWF fol­gendes vor:
  • Die Immo­bi­li­en­preise sind in Deutschland seit 1995 lang­samer gestiegen als die ver­füg­baren Ein­kommen. Die Relation Preis/verfügbares Ein­kommen ist um 20 Prozent gesunken, während sie in allen anderen Staaten, die der IWF ana­ly­siert hat, stabil blieb oder deutlich gestiegen ist. Spit­zen­reiter ist Schweden mit einem Anstieg von fast 120 Prozent. In Spanien (rund 30 Prozent) und Irland (rund 60 Prozent) sind die Zuwächse trotz des Platzens der Immo­bi­li­en­blase eben­falls deutlich über dem Wert in Deutschland.
  • Italien und Deutschland sind die ein­zigen Länder, in denen die realen Immo­bi­li­en­preise zwi­schen 1995 und 2016 nicht gestiegen sind. In Öster­reich und in der Schweiz stiegen sie um rund ein Prozent pro Jahr, in Spanien um zwei Prozent pro Jahr, in Frank­reich um drei Prozent pro Jahr, in Irland um vier und in Schweden um fast sechs Prozent.
  • Mie­ten­deckel – der IWF spricht von „rent con­trols“ – führen dazu, dass die Immo­bi­li­en­preise steigen, was am sta­gnie­renden bzw. rück­läu­figen Angebot liegt. Gut möglich also, dass der Versuch der Bun­des­re­gierung, Mie­ten­an­stiege zu ver­hindern, diese eigentlich beschleunigt. Ohnehin bewirken die Inter­ven­tionen der Politik genau das Gegenteil von dem vor­geblich gewünschten, wie ich hier erläutert habe.
  • Die Immo­bi­li­en­preise in Deutschland liegen um rund zehn Prozent unter dem eigentlich gerecht­fer­tigten Werten.
Natürlich kann und muss man auch diese Studie des IWF kri­ti­sieren. So ist das Modell zur Bestimmung von Über- und Unter­be­wertung selbst­re­fe­ren­ziell, weil es die Preise anderer Regionen als Maßstab ansetzt, obwohl es dort durchaus Anzeichen für bestehende Blasen gibt.
Eben­falls bemerken muss man, dass der IWF-Länder und nicht ein­zelne Städte betrachtet. Schon seit Langem führt die Schweizer Großbank UBS bei­spiels­weise München unter den Top-5-Städten weltweit mit dem höchsten Bla­sen­risiko. In Berlin sind die Preise in den letzten Jahren seit Beginn der Euro­krise und der Null­zins­po­litik deutlich schneller als die ver­füg­baren Ein­kommen gestiegen. Doch auch hier gilt, dass über einen langen Zeit­ho­rizont (25 Jahre) die Ren­diten mit Immo­bilien nicht beein­dru­ckend waren. 
Trotz dieser Unzu­läng­lich­keiten der IWF-Studie kommt man an der Fest­stellung nicht vorbei, dass die Inves­tition in Immo­bilien in Deutschland kein überaus gutes Geschäft war und wir in den letzten Jahren mit den deut­lichen Preis­zu­wächsen in ein­zelnen Regionen nur die vor­an­ge­gan­genen Jahre mit Null- oder Nega­tiv­rendite kor­ri­giert haben. Diese Kor­rektur ver­danken die Immo­bi­li­en­be­sitzer dabei vor allem der EZB, die eine immer stärkere Flucht in Sach­werte provoziert.

Ver­mieten bringt wenig

Bei den lau­fenden Erträgen sieht es für die Ver­mieter nach ver­schie­denen Studien eben­falls nicht gut aus. Während die bör­sen­no­tierten Unter­nehmen durchaus gute Ren­diten erwirt­schaften, sieht es bei den nor­malen Ver­mietern anders aus. Letztere stehen aber für fast 80 Prozent des Marktes und erwirt­schaften nach einer Studie des DIW Ren­diten von weniger als zwei Prozent im Jahr. Diese Erkenntnis hindert Politik und Medien jedoch nicht daran, immer mehr Lasten zu beschließen. Nicht nur wird es den Ver­mietern ver­wehrt, die Mieten ange­messen zu erhöhen, es gibt zugleich Bestre­bungen, mehr Kosten auf die Ver­mieter umzulegen.
Neben der bereits ange­spro­chenen Grund­steuer dürfte dem­nächst die CO2-Steuer die Ver­mieter mit voller Wucht treffen. Mie­terbund-Prä­sident Lukas Sie­ben­kotten sagte den Zei­tungen der Funke-Medi­en­gruppe, „Es kann nicht sein, dass die dadurch ent­ste­henden Kosten im Bereich der Heizung auf die Mieter umgelegt werden.“ Mieter hätten „keinen Ein­fluss darauf, wie ihre Wohnung geheizt wird“, das ent­schieden die Ver­mieter, weshalb diese auch die zusätz­lichen Kosten einer CO2-Steuer im Hei­zungs­be­reich zahlen sollten.
Zur vollen Wahrheit gehört aber hinzu, dass die Miete immer den tech­ni­schen Zustand der Wohnung wider­spiegelt, wer also in einem Haus aus den 1960er-Jahren wohnt, zahlt heute schon nach Miet­spiegel weniger Miete, auch weil die Wär­me­dämmung nicht einem Neubau ent­spricht. Wird nun ver­langt, dass der Ver­mieter die CO2-Umlage trägt oder auf eigene Rechnung ohne Umlage auf die Miete moder­ni­siert, ent­spricht das einem erheb­lichen Ein­griff in das Eigen­tums­recht. Selbst der im all­ge­meinen mie­ter­freundlich urtei­lende Bun­des­ge­richtshof hat kürzlich fest­ge­stellt, dass der Mieter keinen Anspruch auf den aktu­ellsten tech­ni­schen Stand hat.
So bleiben wir arm
Trotz dieser ernüch­ternden Fakten zur Attrak­ti­vität von Immo­bilien in Deutschland als Kapi­tal­anlage dürfte die Jagd auf Ver­mieter und Immo­bi­li­en­ei­gen­tümer in den kom­menden Jahren wei­ter­gehen. Damit dürften Immo­bilien in Deutschland auch in kom­menden Jahren in inter­na­tio­nalen Ver­gleichs­studien einen der hin­teren Plätze ein­nehmen und vor allem keinen Anreiz bieten, mehr zu bauen.
Welche Wirkung diese Belastung einer ein­zelnen Ver­mö­gen­s­klasse haben kann, konnte man bereits in den 1920er-Jahren beob­achten. Nach der Hyper­in­flation beschloss die Politik eine Son­der­steuer auf Immo­bi­li­en­ver­mögen, die soge­nannte Haus­zins­steuer. Folge war ein spür­barer Rückgang der Immobilienpreise. 
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Heute ist eine ähn­liche Folge zu erwarten: Mie­ten­deckel, höhere Lasten für die Ver­mieter und eine Ver­pflichtung zur ener­ge­ti­schen Sanierung ohne ent­spre­chende Umlage auf die Mieter dürften die Preise für Immo­bilien deutlich drücken. Das passt zur Politik, die nach Aussage der woh­nungs­po­li­ti­schen Spre­cherin der Linken in Berlin eine „Dop­pel­stra­tegie“ ver­folgt: Erst Mieten deckeln und dann ent­eignen, denn „die Ent­eignung werde für den Steu­er­zahler viel güns­tiger, wenn die Werte zuvor sänken“. Kevin Kühnert und Robert Habeck, die sich eben­falls für Ent­eig­nungen aus­ge­sprochen haben, dürfte die Über­le­gungen freuen. Gerade für die Grünen muss es eine erheb­liche Ver­lo­ckung sein über eine ein­seitige Belastung der Ver­mieter und Zwangs­maß­nahmen zur ener­ge­ti­schen Erneuerung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Rettung des Welt­klimas und die Reduktion der „Ungleichheit“.
Dass wir damit aller­dings als Land nicht reicher, sondern noch ärmer werden, spielt dann keine Rolle. Nach Zahlen des fran­zö­si­schen Reich­tums­for­schers Thomas Piketty, der mit umfang­reichem Daten­ma­terial der Ent­wicklung von Volks­ver­mögen über die Zeit nach­ge­gangen ist, lag die Ver­mö­gens­quote – also das Ver­mögen relativ zum Volks­ein­kommen im Jahre 2015: 
  •  in Spanien bei 659 Prozent (2014),
  • in Frank­reich bei 591 Prozent,
  • in Italien bei 587 Prozent,
  • in den Nie­der­landen bei 530 Prozent (2014),
  • in Grie­chenland bei 499 Prozent,
  • in Deutschland bei 446 Prozent.
Die Deut­schen besitzen also im Durch­schnitt weniger Ver­mögen als Ita­liener, Fran­zosen und Spanier, die im Rahmen der euro­päi­schen „Soli­da­rität“ eine größere Anstrengung von uns verlangen.

Nach der Ent­wertung des hie­sigen Immo­bi­li­en­be­sitzes werden wir, ver­glichen mit den anderen Ländern, noch ärmer sein. Aber wenigstens alle. Was dann alle zufrie­dener machen sollte, gegeben unseren Wunsch nach mög­lichst viel Gleichheit.
Ein­ziges Problem dabei: Die­je­nigen, die ihr Glück nicht in einer mög­lichst gleichen Ver­teilung von Ein­kommen und Ver­mögen auf tie­ferem Niveau sehen, werden noch stärker als schon heute ihre Zukunft woanders sehen.


Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com