Helmut Schmidt: Ich würde die Ein­wan­derung aus pri­mi­tiven Ent­wick­lungs­ländern nicht empfehlen

Helmut Schmidt wäre heute 100 Jahre alt. Im November 2015 ver­starb er im Alter von 96, fast 97 Jahren. Im Dezember 2009, kurz vor seinem 91. Geburtstag, gab der deutsche Alt-Bun­des­kanzler der NZZ ein langes Interview, in welchem er sich auch zu den Themen Über­be­völ­kerung der Erde und Mas­sen­mi­gration dezi­diert äußerte. Ich selbst befasse mich seit vielen Jahren, teil­weise Jahr­zehnten, immer wieder mit diesen Themen. Mein Ein­druck: Es gab und gibt nur wenige, die die Pro­ble­matik in ihrer ganzen Tiefe so sehr erfasst haben wie der Mann, dessen geistige Klarheit und Gerad­li­nigkeit uns sehr fehlen.
Eine der dümmsten Milch­mäd­chen­rech­nungen, die jemals ein mensch­liches Gehirn fabrizierte
Er gilt als einer der her­aus­ra­gendsten Poli­tiker in der Nach­kriegs­ge­schichte Deutsch­lands und Europas, hat wie kaum ein anderer in den letzten Jahr­zehnten die poli­tische und gesell­schaft­liche Debatte Deutsch­lands als Minister, Regie­rungschef, Intel­lek­tu­eller, Publizist und Her­aus­geber der Ham­burger Wochen­zeitung „Die Zeit“ geprägt: Alt-Bun­des­kanzler Helmut Schmidt. Kurz vor seinem 91. Geburtstag führten der damalige NZZ-Chef­re­dakteur Markus Spillmann und Marco Färber ein aus­führ­liches mehr als 50-minü­tiges Interview mit dem damals geistig immer noch sehr Agilen.

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Vor allem aber war Helmut Schmidt einer der­je­nigen Poli­tiker, dem das global viel­leicht größte Problem von allen in aller Deut­lichkeit bewusst war: das der Über­be­völ­kerung. Seit dem 20. Jahr­hundert regis­trieren wir eine wahre Bevöl­ke­rungs­explosion, wie sie die Welt noch niemals zuvor gesehen hat, vor allen Dingen in Afrika, aber auch in der isla­mi­schen Welt Asiens.
Nun meinen einige, wenn Afrika und das isla­mische Asien regel­recht explo­dieren, Europa aber schrumpft und ver­greist, weil es von Por­tugal bis Russland, von Grie­chenland bis Nor­wegen viel zu wenig Kinder bekommt, dann wäre es doch die ein­fachste Lösung, wenn man die Men­schen von dort, wo viel zu viele sind und immer noch mehr dazu­kommen, also aus den Über­pro­duk­ti­ons­ge­genden, in einem gigan­ti­schen Migra­ti­ons­prozess, wie ihn die Welt in diesem Ausmaß noch niemals gesehen hat, nach dorthin umsiedelt, wo viel zu wenige sind, also in die Unterproduktionsgegenden.
Dass diese eine der dümmsten Milch­mäd­chen­rech­nungen ist, die jemals ein mensch­liches Gehirn fabri­zierte, erkennen aber bislang nur wenige, was wohl nur damit erklärt werden kann, dass wir es hier mit anthro­po­lo­gi­schen Analpha­beten zu tun haben, die keine Ahnung haben vom Men­schen, von seinem Wesen, von seiner kogni­tiven und emo­tio­nalen Mög­lich­keiten, von dem, wie Hoch­kul­turen ent­stehen und am Leben gehalten werden, was dazu alles not­wendig ist und welche enorme Erzie­hungs- und Bil­dungs­an­stren­gungen es kostet, aus einem Lebe­wesen, das die Anlage dazu in sich trägt, mehr aber zunächst nicht, einen halbwegs zivi­li­sierten Men­schen zu machen und ihn innerlich in einer hoch­mo­dernen Gesell­schaft ankommen lassen, sodass er sich in dieser zuhause und ihr innerlich ver­bunden fühlt.
Ich würde euch nicht emp­fehlen, die Ein­wan­derung aus pri­mi­tiven Ent­wick­lungs­ländern zu forcieren
Dies ist bei Kul­tur­fremden aus pri­mi­tiven Gesell­schaften deshalb umso schwie­riger, weil alle Vor­fahren des Pri­mi­tiven in der gesamten Mensch­heits­ge­schichte über zig und hun­derte Gene­ra­tionen niemals in der Lage waren, eine ver­gleichbare Hoch­kultur und Zivi­li­sation zu erschaffen, was nicht selten tiefe Res­sen­ti­ments, Hass‑, Neid- und Miss­gunst­ge­fühle in ihm evo­ziert, die meist aus Min­der­wer­tig­keits­ge­fühlen ent­stehen, weil er ja den gewal­tigen Unter­schied jeden Tag direkt vor Augen geführt bekommt, was die Vor­fahren derer, die ihn jetzt gnä­di­ger­weise auf­ge­nommen haben, zu erschaffen imstande waren, seine Vor­fahren aber nicht.
Er lebt in einer zivi­li­sierten Welt, die seine Eltern, Groß­eltern, Urgroß­eltern, Urur­groß­eltern… nicht her­vor­bringen konnten. Er gehört meist niemals richtig dazu, weil er eben seine Urur­groß­eltern in sich trägt und nicht die Ahnen der Kultur, in welche er migrierte, und die ihn nun einer­seits fürstlich ver­sorgt – in Relation zu dem, was er von zuhause von seinen Vor­fahren und Brüdern kannte -, ande­rer­seits hat er aber doch weniger als die meisten anderen in der Gesell­schaft, in welcher er jetzt als Fremdling lebt. Das erzeugt nicht selten eine tiefe innere Zer­ris­senheit, die sich in Depression und nicht selten in Aggres­si­vität, Gewalt, Kri­mi­na­lität nie­der­schlägt.
Hinzu kommt, dass die Migration aus dünn besie­delten Gebieten in dicht besie­delte Gebiete ver­läuft, also genau umge­kehrt, wie man es ver­muten würde und wie es natürlich wäre. Helmut Schmidt wusste um viele dieser Dinge. Er sah vieles davon schon vor Jahr­zehnten mit unge­wöhn­licher Klarheit, blieb aber zumeist wie all die anderen auch ein ein­samer Warner.
„Ich würde euch nicht emp­fehlen, die Ein­wan­derung aus pri­mi­tiven Ent­wick­lungs­ländern zu for­cieren“,
sagte er gegen Ende des Gesprächs.
Mit dem lieben Gott habe ich meine Schwie­rig­keiten, genauer gesagt: mit dem christ­lichen Gott habe ich meine Schwierigkeiten
Auf die „Weisheit des Alters“ ange­sprochen, meinte Schmidt sehr weise, er wisse nicht, ob die Weisheit des Alters jeden erreiche. Er habe einige Alte ken­nen­ge­lernt, die ziemlich ver­rückt waren. Und die Zahl der Demenz­kranken nehme ja leider mit dem Alter zu. Und dann halb im Spaß:
„Der liebe Gott hat einen Fehler gemacht. Ent­weder hätte er uns eine bessere Kon­sti­tution mit­geben müssen oder er hätte uns nicht so alt werden lassen dürfen.“
Und auf die Frage, ob er ins­gesamt aber doch nicht zufrieden sei mit dem, was ihm der liebe Gott mit­ge­geben habe, ant­wortete er:
„Ich bin nicht so ganz sicher, ob ich mit dem lieben Gott zufrieden bin. Ich hab mal im Kriege mich eine Zeit lang beru­higen lassen mit der christ­lichen Weisheit, dass auf der Welt nichts geschieht, was Gott nicht will. Aber dann habe ich gefunden, dann müsste er ja auch die beiden Welt­kriege gewollt haben. Und muss dann ja auch wohl Auschwitz gewollt haben. Also mit dem lieben Gott habe ich meine Schwie­rig­keiten.“
Ob er mit ihm hadere, fragt der Journalist.
„Nein, das heißt es nicht. Das ist zu viel gesagt. Aber genauer gesagt, mit dem christ­lichen Gott habe ich meine Schwie­rig­keiten.“
Helmut Schmidt in Bild und Ton
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Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com