Die üble Geld­po­litik der EZB

Markus Söder, Bayerns Minis­ter­prä­sident, hat mit­be­kommen, dass die Null- und Nega­tiv­zins­po­litik der EZB den Bürgern und Sparern enormen Schaden zufügt und dass diese es all­mählich merken. Immerhin das, denn Erkennt­nis­gewinn bei Poli­tikern kommt der Wahr­nehmung nach nicht sehr oft vor und ist daher stets begrü­ßenswert, zumal wenn es darum geht, was das Volk bedrückt. Denn der geld­po­li­tische Euphe­mismus „Nega­tiv­zinsen“ heißt im Klartext „Straf­gebühr dafür, dass die Leute das Ersparte nicht aus­geben, vulgo: nicht auf den Kopf hauen wollen“. Karl Schiller selig hat zum Ver­an­schau­lichen einst das Wort geprägt, dass die Pferde nicht saufen wollen, damals gemünzt aller­dings auf die abwar­tende Inves­ti­ti­ons­zu­rück­haltung von Unternehmen.
(von Klaus Peter Krause)
Saufen wollen die Pferde nicht, weil sie keinen Durst haben

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Doch der mal Links- und mal Rechts­po­pulist Söder will mehr noch, nämlich sogar handeln. Er möchte Nega­tiv­zinsen schlicht und einfach ver­bieten – aller­dings nur für Spar­ein­lagen bis zu 100.000 Euro. Darüber hinaus sollen die Banken, die unter der Nega­tivzins-Knute der Euro­päi­schen Zen­tralbank stehen, bei den Spar­geldern ihrer Kunden voll zulangen dürfen. Denn saufen wollen diese Pferde nicht, weil sie – im über­tra­genen Sinn – keinen Durst (mehr oder noch nicht wieder) haben. Was sie brauchen, haben sie alles schon. Darum soll das Strafgeld die Men­schen zwingen, mit ihrem Geld­ver­mögen, das über 100.000 Euro hin­ausgeht, auf Ein­kaufstour zu gehen – auf welche auch immer. Haupt­sache, das Geld ist weg, jeden­falls bei ihnen, denn das Geld haben dann andere. So hält man eine Kon­junktur am Laufen, wenn Wohl­stands­men­schen in ihren wesent­lichen Bedürf­nissen gesättigt sind.
Die EZB hat die Geld­wert­sta­bi­lität zu sichern, mehr nicht
Bekanntlich haben wir die Null- und Nega­tiv­zins­po­litik allen Poli­tikern zu ver­danken, die den Euro retten wollen und in der EZB einen will­fäh­rigen Helfer gefunden haben. Daraus ist auch eine Rettung insol­venz­be­drohter Banken und eine ver­kappte Kon­junk­tur­po­litik geworden. Aber die EZB ist allein auf die Geld­wert­sta­bi­lität ver­pflichtet, auf mehr nicht. Schon das EZB-Ziel, eine Inflation von 2 Prozent ansteuern zu wollen, in voller Absicht, ist pervers und ein Irrweg. Geld­wert­sta­bi­lität heißt Inflation von Null. Aber wichtig zu wissen: Null-Inflation bedeutet nicht zugleich Preis­sta­bi­lität. Preise für Waren und Dienst­leis­tungen müssen je nach Marktlage fallen und steigen dürfen, frei, also ohne Staats­ein­fluss: fallen bei Über­an­gebot und zu schwacher Nach­frage, steigen bei Unter­an­gebot und zu starker Nachfrage.
Die Unab­hän­gigkeit der EZB ist strikt auf die Geld­po­litik gemünzt, auf mehr nicht
Damit die EZB den Geldwert des Euro frei von poli­ti­schem Ein­fluss sichern kann, hat sie den Status der poli­ti­schen Unab­hän­gigkeit bekommen. Diese Unab­hän­gigkeit ist strikt auf ihr Auf­ga­benfeld Geld­po­litik gemünzt und daher auf sie auch beschränkt. Finanz­po­litik und Kon­junk­tur­po­litik gehören nicht dazu. Weder darf sie Staaten aus Haus­halts­nöten her­aus­hauen noch massiv mit Zins­ma­ni­pu­lation in Kon­junk­turen ein­greifen, schon gar nicht in einer Wäh­rungs­union mit ansonsten unab­hän­gigen Natio­nal­staaten, die – wie in der Euro-Wäh­rungs­union – geprägt sind von unter­schied­licher finanz­po­li­ti­scher Sta­bi­li­täts­kultur sowie von eigen­stän­diger Finanz- und Wirt­schafts­po­litik und damit von diver­gie­renden Konjunkturverläufen.
Die EZB über­schreitet ihre Kom­petenz und begeht an ihrer Unab­hän­gigkeit Missbrauch
Doch seit sich einige Euro-Staaten, weil in der gemein­samen Euro-Wäh­rungs­union zusam­men­ge­würfelt, über­schuldet haben und Banken durch dro­henden Ausfall zu starker Kre­dit­vergabe an unsi­chere Emp­fänger von Insolvenz bedroht sind, kauft die EZB ihnen Anleihen ab, damit sie sich mit dem Erlös weiter über Wasser halten können. Daneben hat sie die Leit­zinsen bis auf Null und dar­unter gesenkt, um Neu­ver­schul­dungen zu erleichtern – auch die von Staaten, so dass diese mit dem neuen Geld Pro­gramme für wirt­schaft­liches Wachstum anstoßen können und sollen. Das jedoch geht über die Kom­petenz der EZB hinaus. Sie tut es trotzdem, weil sie unab­hängig ist. So jedoch war die einst ihr zuge­spro­chene Unab­hän­gigkeit nicht gemeint. Damit miss­braucht sie ihre Unabhängigkeit.
Wer Staaten rui­nieren will, muss ihr Geld­wesen ruinieren
Inzwi­schen schlagen die Leit­zins­sen­kungen mehr und mehr auf den Nor­mal­bürger durch. Daraus resul­tiert Söders Vor­haben, den Banken Straf­zinsen für Spar­gut­haben bis zu 100.000 Euro gesetzlich zu ver­bieten. Klar, für die Banken wäre es ein inter­ven­tio­nis­ti­scher Ein­griff in ihre Ver­trags­freiheit. Auch ver­fas­sungs­recht­liche Gründe könnten dem ent­ge­gen­stehen. Für den eins­tigen Bun­des­ver­fas­sungs­richter Paul Kirchhof ver­letzt bereits ein Zins von Null wichtige Eigen­schaften des Eigentums, die durch das Grund­gesetz geschützt seien. In einer Welt ohne Zins seien zen­trale Eigen­schaften des Geld­ver­mögens und damit des Eigentums gestört (Quelle hier). Ande­rer­seits: Die ganze EZB-Nega­tiv­zins­po­litik ist staat­licher Inter­ven­tio­nismus an der emp­find­lichsten Stelle hoch­ent­wi­ckelter Volks­wirt­schaften ohnehin: an ihrem Geld­wesen. Rat­schlag von Lenin (abge­wandelt zitiert): Wer Staaten rui­nieren will, muss ihr Geld­wesen ruinieren.
FAZ: Verbote helfen keinem Sparer
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Die FAZ[1] hat darauf auf­merksam gemacht, dass die Ban­ken schon heu­te ei­nen Straf­zins in Form von Kon­to­ge­büh­ren erheben. Die­se Kos­ten wür­den noch stär­ker stei­gen, wenn die Ban­ken die EZB-Straf­zinsen nicht auf die Kun­den um­le­gen dür­ften. Ande­rer­seits aber seien die Kre­di­te für Pri­vat­kun­den in den ver­gan­ge­nen Jah­ren im­mer güns­ti­ger ge­wor­den. Näher rü­ckten auch ne­ga­ti­ve Zin­sen auf Bau­kre­di­te. Güns­ti­ge Im­mo­bi­li­en­kre­di­te werde Sö­der doch ge­wiss nicht un­ter­sa­gen wol­len. Ver­bo­te hül­fen kei­nem Sparer.
Politik und EZB mani­pu­lieren den Zins, frei am Markt bilden darf er sich nicht
Nun, ein Straf­zins­verbot hülfe ihnen durchaus – ob rechtlich möglich oder nicht. Und dem dann fol­genden Rat der FAZ mag man eben­falls nichts abge­winnen: Die Bank­kun­den sollten die neue Zins­welt nicht als EZB-Dik­tat wahr­neh­men, son­dern als Fol­ge des Über­hangs an Spar­ver­mö­gen in Volks­wirt­schaf­ten mit ei­ner äl­ter wer­den­den Be­völ­ke­rung.  Aber die neue Zinswelt ist sehr wohl ein Diktat, und ein nied­riger Ertragszins für Sparer als Folge eines Über­hangs an Spar­ver­mögen, weil es an Kre­dit­nach­frage mangelt, wäre nur dann ange­messen, wenn sich der Zins als natür­licher Zins wirklich frei am Markt bilden würde. Das aber darf er nicht. Politik und Zen­tral­banken mani­pu­lieren den Zins. Deren Geld­po­litik ist Inter­ven­tio­nismus pur, nicht Marktwirtschaft.
Die Poli­tiker und unser Land brauchen eine Revo­lution der Bürger
Die Euro-Rettung ist – man muss es immer wie­der­holen – in Wahrheit eine Banken- und Staa­ten­rettung, also eine Schuld­ner­rettung durch Gläu­biger, Sparer, Steu­er­zahler und andere brave Bürger. White-collar-crime hat’s schon immer besser gehabt. Auch Poli­tiker ver­stehen sich darauf, vor allem darauf, es zu ver­schleiern. Die vielen Wähler im Dau­er­schlaf müssen endlich merken, dass sie aus­ge­zogen werden bis aufs Hemd. Und die Poli­tiker, die leider nicht im Dau­er­schlaf liegen (täten sie es doch, bitte), und unser Land brauchen eine Revo­lution der Wähler. So eine wie 1988/89 in der DDR, also unblutig.
Drei Dinge, die helfen, die Müh­se­lig­keiten des Lebens zu tragen
Für den Liber­tären Roland Baader (1940 – 2012) war „das größte Unglück in der Mensch­heits­ge­schichte das Staats­mo­nopol für das Geld­an­gebot“. Alle anderen Desaster seien Folgen davon. Trost gibt es von Immanuel Kant:
Drei Dinge helfen, die Müh­se­lig­keiten des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.
Was dann danach kommt, wird zum Lachen nicht mehr sein.
[1] Frank­furter All­ge­meine Zeitung vom 22. August 2019, Seite 23.
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Über Klaus Peter Krause: Jahrgang 1936. Abitur 1957 in Lübeck. 1959 bis 1961 Kauf­män­nische Lehre. Dann Studium der Wirt­schafts­wis­sen­schaften in Kiel und Marburg. Seit 1966  pro­mo­vierter Diplom-Volkswirt. Von 1966 bis Ende 2001 Redakteur der Frank­furter All­ge­meinen Zeitung, davon knapp elf Jahre (1991 bis Ende 2001) ver­ant­wortlich für die FAZ-Wirt­schafts­be­richt­erstattung. Daneben von 1994 bis Ende 2003 auch Geschäfts­führer der Fazit-Stiftung gewesen, der die Mehrheit an der Frank­furter All­ge­meine Zeitung GmbH und der Frank­furter Societäts-Dru­ckerei gehört. Jetzt selb­stän­diger Jour­nalist und Publizist. Seine website ist www.kpkrause.de

Quelle: misesde.org