Die USA haben auf Atom-U-Booten Interrkontinentalraketen mit „Mini-Atombomben“ stationiert. Das senkt die Hemmschwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen.
Manchmal schaffe ich es nicht, über alles zu berichten, was ich erfahre. Dies ist so ein Fall und eine Mail eines Lesers hat mich darauf aufmerksam gemacht, weil RT-Deutsch darüber berichtet hat.
Schon am 4. Februar hat das Pentagon gemeldet, es habe auf einem U‑Boot der Ohio-Klasse „Mini-Atombomben“ stationiert. Im Gegensatz zu den deutschen „Qualitätsmedien“ haben die russischen Medien darüber berichtet.
Die Ohio-Klasse soll die Zweitschlagskapazität der USA sichern. Das bedeutet, dass – sollten die USA nuklear vernichtet werden – diese U‑Boote in einem atomaren Zweitschlag den Gegner trotzdem noch vernichten können. Dazu sind die 18 U‑Boote mit bis zu 24 Interkontinentalraketen bewaffnet, von denen wiederum jede acht atomare Sprengköpfe tragen kann. Dabei handelt es sich um große Sprengköpfe mit einer Sprengkraft von bis zu 100 Kilotonnen. Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen.
2019 haben die USA eine neue Mini-Atombombe entwickel, die W76‑2. Diese Bombe hat eine Sprengkraft von „nur“ 5–6 Kilotonnen, ist also nicht einmal halb so stark, wie die Hiroshima-Bombe.
Experten befürchten, dass diese Bomben die Hemmschwelle zum Einsatz von Atombomben senken werden, da man damit einen „begrenzten“ Schlag ausführen kann. Daher werden diese Waffen gerade wegen ihrer „geringen“ Sprengkraft heftig kritisiert.
Diese Waffen nun auf strategischen Interkontinentalraketen zu stationieren hat das Pentagon wie folgt begründet:
„Das Ministerium sieht die Notwendigkeit, eine kleine Anzahl von U‑Boot-gestützten Sprengköpfen zu modernisieren, um auf potenzielle Gegner wie Russland zu reagieren“
Man möchte in den USA also den Einsatz von Einsatz kleiner Atombomben gegen Russland möglich machen. Der Grund ist, dass in den USA Strategen gibt, die einen „begrenzten Atomkrieg“ für möglich halten, in dem zwar gegrenzte Atomschläge vorkommen, aber nicht das gesamte Arsenal abgefeuert wird. Diese Strategie ist jedoch unrealistisch, da die Logik des Krieges besagt, dass man auf einen Schlag mit einem Gegenschlag reagiert und der Einsatz kleiner Atomwaffen zwangsläufig zu einer Antwort mit größeren Atomwaffen führt.
Hinzu kommt, dass Russlands Atom-Doktrin einen atomaren Erstschlag ausdrücklich verbietet. Russland behält sich den Einsatz von Atomwaffen nur in zwei Fällen vor: Erstens als Reaktion auf einen nuklearen Angriff und zweitens, wenn Russlands Existenz akut gefährdet ist, es also eine konventionellen verlieren würde.
Die USA hingegen haben in ihrer Doktrin den Einsatz von Atomwaffen auch als Erstschlag ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Das macht die Stationierung dieser Waffen so gefährlich, denn damit könnten die USA der Meinung sein, einen begrenzten Erstschlag führen zu können.
Entsprechend besorgt war die Reaktion des russischen Außenministeriums:
„Wir reagieren mit großer Sorge, nicht weil wir es als Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes betrachten, die ist als Ergebnis unserer Anstrengungen sichergestellt, sondern wegen der Doktrinen und Konzepte, die von den Amerikanern im Bereich der Atomwaffen angewendet werden. Das ist sehr beunruhigend. (…) Die Stationierung von Atomwaffen mit geringer Sprengkraft durch die Vereinigten Staaten bedeutet, dass die früher von den Amerikanern geäußerten Argumente über die Möglichkeit, solche Waffen in einem hypothetischen Konflikt einzusetzen, bereits Realität geworden sind. Das zeigt, dass die Vereinigten Staaten tatsächlich die nukleare Schwelle senken und annehmen, einen begrenzten Atomkrieg führen und einen solchen Krieg auch gewinnen zu können.“
US-Verteidigungsminister Esper erklärte am 7. Februar dazu auf einer Pressekonferenz:
„Atomsprengköpfe mit geringer Sprengkraft geben dem Präsidenten – dem Oberbefehlshaber – Möglichkeiten für verschiedene Optionen. Wir wollen immer alle Optionen haben, sie ermöglichen es uns, Konflikte einzudämmen. Letztendlich wollen wir den Konflikt eindämmen, aber wenn nötig, wollen wir bereit sein zu kämpfen und zu gewinnen. Letztendlich besteht unsere Aufgabe also darin, dem Präsidenten mehr Möglichkeiten zu geben, jedes Land von einem Konflikt mit den USA abzuschrecken.“
Man fragt sich, warum man russische Medien lesen muss, wenn man erfahren will, was der Westen tut. In deutschen „Qualitätsmedien“ habe ich bisher keine einzige Meldung darüber gefunden.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“