Emmanuel Macron: Der Auf­stieg des glo­ba­lis­ti­schen EU-Leviathans

Bei der tra­di­tio­nellen „Woche der Bot­schafter“ im Elysee-Palast sprach Macron vor den rang­höchsten fran­zö­si­schen Diplo­maten, Ministern und Par­la­men­ta­riern und breitete vor ihnen ein Pan­orama dessen aus, wie sich der jüngste, fran­zö­sische Staatschef die Rolle Frank­reichs und der EU in der Welt und die Struktur Europas in Zukunft vor­stellt. Im Prinzip folgt der Franzose mit seiner pro­gram­ma­ti­schen Rede der großen Linie hin zu wei­terer Glo­ba­li­sierung, Umver­teilung, Inte­gration, Verlust natio­naler Sou­ve­rä­nität und Iden­tität, gemein­samen Kassen und Abschaffung von Bürgerrechten.

Die Main­stream­m­edien, wenn sie denn über­haupt von diesem Auf­tritt Macrons berichten, ver­lieren sich in Spe­ku­la­tionen über seine Beliebt­heits­werte, seine bom­bas­ti­schen Auf­tritte und großen Gesten, sein Frank­reich-als-Welt­macht-Getöse, seinen Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Aktio­nismus. Die von Macron klar gezeichnete Blau­pause für einen ver­schmol­zenen Macht­block EU, in dem es keine natio­nalen Struk­turen mehr gibt, wird als „ist nicht neu, ist aber nie was draus geworden“ abgetan.

Wir möchten hier eine kurze Zusam­men­fassung der wich­tigsten Punkte und des großen Plans der sehr langen Rede Macrons bieten. Wer die Ori­gnin­alrede stu­dieren will, findet sie hier.

Macron ist sich sichtlich seiner Sache sicher. Offenbar scheren ihn Zustim­mungs­werte wenig, und wahr­scheinlich müssen sie das auch nicht. Er ist ange­treten, um die alte Agenda aus den 1920er Jahren, die mit Cou­denhove-Kalergi begann, über Jean Monet und andere fort­ge­setzt wurde, nun unver­züglich über die Ziel­linie zu tragen: Aus Europa ein rie­siges, auf Wirt­schafts- und Mili­tär­macht, zen­tra­lis­tisch orga­ni­siertes Monster zu erschaffen. Die Wahl in Frank­reich, die ihn ins Prä­si­den­tenamt brachte, ist nicht mehr wichtig, denn das Europa von morgen, das er in seiner Rede skiz­ziert, wird solche Wahlen nicht mehr abhalten. Da sind Umfra­ge­werte uninteressant.

Macron und Merkel haben sich schon darauf geeinigt, den Mas­terplan gemeinsam durch­zu­ziehen. Er stellte vier Haupt­ge­biete vor:

  • Die Ent­wicklung einer Uni­ons­armee zur Verteidigung
  • Die Linie einer EU-Han­dels­po­litik und die Schaffung der nötigen Instru­mente, stra­te­gische Inves­ti­tionen im Ausland zu schützen und zu kontrollieren
  • Eine Reform des Asyl­rechts und eine euro­päische Linie in Bezug auf Migration
  • Schutz der Arbeitnehmer

Das Volk ist nicht mehr der Sou­verän, Wahlen werden abgeschafft

Denn die „Wahl­de­mo­kratie“ und „reprä­sen­tative Demo­kratie“ in der bis­he­rigen Form soll es im neuen Europa nicht mehr geben, nur noch auf lokaler Ebene in Gemeinden, Ver­bands­ge­meinden und Ver­wal­tungs­re­gionen. Nationale Selbst­be­stimmung und eine kol­lektive Politik eines Mit­glieds­landes, inklusive seiner Bun­des­länder oder Depar­te­ments gibt es nicht mehr, nur noch einen bunten Katalog von Inter­essen, Dingen, Pro­jekten, Ideen, die eine Art “Gemeingut” der Europäer dar­stellen sollen. Der Begriff einer natio­nalen Kultur ist damit – Macron zufolge – hin­fällig. Kultur ist allen­falls etwas regional-folk­lo­ris­ti­sches, viel­leicht auch tou­ris­tisch vermarktbar.

Völker als kul­turell und poli­tisch han­delnde, sou­veräne Sub­jekte sollen der Ver­gan­genheit ange­hören. Diese Neue-Welt­ord­nungs-Eurozone, die er selbst sogar als „Leviathan“ beschreibt, wird mit großer Macht aus­ge­stattet werden.

Die EU als Mili­tär­macht mit Unionsarmee

Dazu gehört auch die Erschaffung und Auf­rüstung einer Euro­päi­schen Armee, die aus einer Ver­ei­nigung der Armeen der Union her­vorgeht. Diese EU-Armee wird, Macron zufolge, selbst­ver­ständlich wie­derum in die NATO inte­griert werden. Es betrachtet diese Uni­ons­armee als ein Werkzeug des EU-Levia­thans, mit dem man poli­tische, stra­te­gische und wirt­schaft­liche Inter­essen, ähnlich der US-Außen­po­litik, überall auf der Welt durch­setzen wird.

Da durch den Wegfall der Natio­na­li­täten kein Bedarf mehr für Armeen der Völker gegen­ein­ander besteht, liegt die Aufgabe der Uni­ons­armee laut den Plänen Macrons nun zum ersten, wie beschrieben, in der Durch­setzung von EU-Inter­essen auf dem glo­balen Spielfeld, aber auch im Kampf gegen den isla­mi­schen Ter­ro­rismus, sowohl in der EU, als auch außerhalb. Innerhalb der EU soll die Uni­ons­armee Poli­zei­auf­gaben unter­stützen und außerhalb als „Pro­jek­ti­ons­streit­kraft“ dienen, die weltweit bei den „Brand­herden des Ter­ro­rismus“ ein­greift. Ob Syrien oder Irak, Libyen oder Sahelzone oder im tiefsten Afrika: Die Uni­ons­armee soll zukünftig wie die US-Army überall auf der Welt den Knüppel her­aus­ziehen, wo euro­päische Inter­essen tan­giert sind oder Ter­ro­risten aus­ge­macht werden. Macron äußerte sich in seiner Rede nicht darüber, dass es in Libyen bis zum Sturz und Mord Gad­dafis keine Ter­ro­risten gegeben hatte und auch keine Flücht­lings­ströme von dort nach Europa. Die Allianz der USA, Groß­bri­tan­niens und Frank­reichs zum Sturz Gad­dafis und die Aus­plün­derung Libyens schufen das Problem erst. Unklar bleibt bei Macrons Rede auch, ob wei­terhin die Schaffung und Finan­zierung von Ter­ror­or­ga­ni­sa­tionen wie Al Qaeda, Al Nusra und IS durch den Westen und deren Aus­bildung und Bewaffnung beab­sichtigt sind.
Zufäl­li­ger­weise dient nun die Existenz dieser, vom Westen selbst erschaf­fenen Ter­ror­or­ga­ni­sa­tionen, als Grund für die Not­wen­digkeit der ange­strebten Uni­ons­armee. Ein Schuft, wer einen Kau­sal­zu­sam­menhang vermutet.

Afrika, Asyl­recht und der Umgang mit der Migration

Macron brachte wieder die schon in den Medien dis­ku­tierte Variante auf, statt Massen von Migranten an die euro­päi­schen Gestade anbranden zu lassen, in Afrika euro­päische Immi­gra­ti­ons­büros zu gründen. Hier sollen die geeig­neten Kan­di­daten für eine Immi­gration aus­ge­sucht und sor­tiert werden, die, wie Frau Claudia Roth (die Grünen) in so dan­kens­werter Offenheit for­mu­lierte, für die Wirt­schaft „unmit­telbar ver­wertbar“ sind.

Macron stellte ansonsten die drei „D“ vor, mit denen Europa Afrika wieder „die Sicherheit“ her­zu­stellen gedenkt:

  • Defense – Ver­tei­digung (siehe Unionsarmee)
  • Déve­lo­pement – Ent­wicklung (Ent­wick­lungs­hilfe, wie z.B. Roh­stoffe gegen Investitionen)
  • Diplo­matie – Ein­fluss­nahme, Ver­träge, günstige Abkommen, Unter­stützung von EU-freund­lichen Regierungen.

Kurz gefasst: Wirt­schafts­ko­lo­nia­lismus und das Aus­beuten brauch­barer Humanressourcen.

Gemeinwohl und Schutz der Arbeitnehmer

Natürlich ver­zichtet Macron in seiner Rede nicht auf phil­an­tro­pisch-grün-öko­lo­gische Verzierungen.

Die Erde sei das höchste Gut des Gemein­wohls und es gilt sie zu schützen. Das könnte mög­li­cher­weise unter dem Primat des erfolg­reichen Welt­handels und wirt­schaft­licher Effi­zienz zu Kon­flikten zwi­schen den Prio­ri­täten der Ziele führen.

Ein wei­teres Gemeinwohl ist der Frieden. Hier erwähnt Macron dezi­diert das „Europa der Ver­tei­digung“, das der NATO neue Impulse ver­leihen könne. Die tiefe Fried­fer­tigkeit der NATO konnte man in den letzten Jahren in Afgha­nistan, Irak, Libyen, Syrien und der Ukraine beob­achten. Kri­tiker würden ein­wenden, es sei nicht unbe­dingt not­wendig und wün­schenswert, dieser Art Fried­fer­tigkeit neue Impulse hinzuzufügen.

Das dritte Gemeinwohl heißt Gerech­tigkeit und Freiheit. Hier­unter ver­steht Macron, laut seiner Rede, die „Achtung der mensch­lichen Person, reli­giöser Toleranz und Mei­nungs­freiheit“. Weiters kommen „die Stellung der Frau, die Pres­se­freiheit, der Respekt für bür­ger­liche und poli­tische Rechte“ dazu, die er als „Uni­ver­selle Werte“ bezeichnet.

Zu den Arbeit­neh­mer­rechten bleibt anzu­merken, dass Macron in dem Teil der EU, in dem er vorerst per Prä­si­den­tenwahl hand­lungs­befugt ist (aka Frank­reich), einen schmerz­haften Ein­schnitt vor­nehmen wird. So stellt er fest, dass Frank­reich nach dem Fall der Ber­liner Mauer den Anschluss an die neue Zeit der Glo­ba­li­sierung ver­passt habe.

Die Fran­zosen haben bisher ihre sicheren Arbeits­plätze, guten Löhne und Sozi­al­leis­tungen erbittert gegen den Dum­ping­lohn­druck, Sozi­al­abbau, Leih­arbeit und gelo­ckertes Kün­di­gungs­recht des glo­balen Raub­tier­ka­pi­ta­lismus ver­teidigt. Aller­dings brachte dies Frank­reich im glo­balen Wett­bewerb Nach­teile, weil der Glo­ba­lismus nun einmal nicht men­schen­freundlich ist.

Macron bügelte über diese Tat­sache elegant hinweg, indem er unter sou­ve­räner Miss­achtung dieser Tat­sache pos­tu­lierte, um das Land wieder auf­zu­bauen sei es „absurd, zum über­holten Konzept der natio­nalen Sou­ve­rä­nität zurück­zu­kehren“. Au con­traire, man müsse nach vorn und dem Fort­schritt folgend, sich der Glo­ba­li­sierung öffnen unter dem Motto „Unsere Sou­ve­rä­nität ist Europa!“

Bei­tragsbild: Emmanuel Macron: flickr.com, vfut­scher, Bild­lizenz: Attri­bution-Non­Com­mercial 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0)