Es gibt verschiedene Namen für die Föhre: Füüre, Forke oder Kiefer – und das ist ja auch kein Wunder für eine Baumart, die von Menschen in so vielerlei Hinsicht genutzt wurde und wird. Die erste Nennung, so sagen die einen, wird im 15. Jahrhundert, von anderen im 16. Jahrhundert belegt. Die Föhre wird immer schnell mit Feuer-machen in Verbindung gebracht. Die Kelten nannten sie deshalb auch Feuerbaum, einerseits wegen ihrer roten Rinde, anderseits auch wegen des hohen Harzgehaltes, und sicher ist, dass mit Föhrenspänen die Chance auf eine Flamme wächst.
Die Föhre steht somit auch sinnbildlich für das innere Feuer, für das Lebensfeuer, für unser Recht, zu sein oder unser Geburtsrecht. Wer inkarniert, also ins Fleisch gekommen ist, hat das Recht, sein Leben zu Leben. Das bedeutet auch, das Leben und sich selbst zu erforschen. Gerade da, im Erforschen des Lebens, stehen wir heute an einem äusserst spannenden Punkt. Die technische Entwicklung zieht uns in eine Richtung, die wir so als Menschheit und empathische Wesen wohl kaum wollen. „Big Data“, „Künstliche Intelligenz“ (KI), „vernetzt sein“ sind die Schlagworte der Zeit, und ja, tatsächlich könnte dies in vielen Bereichen Vorteile bringen. Leider wurde die Technik auf unserer Erde selten zum Vorteil von uns Menschen genutzt.
Unser System, der Glaube an das Überleben des Stärkeren, prägt uns so sehr, dass wir den Vorteil der Kooperation gegenüber dem der Konkurrenz nicht erkennen. Kooperation ist die Liebe zu mir selbst und meinen Nächsten. Konkurrenz wiederum ist der Kampf gegen das andere, das meist auch mit der Wertung „das Böse“ oder „Falsche“ etikettiert wird. Würden wir die Technik zur Kooperation nutzen, wäre das zum Nachteil derer, die uns in Konkurrenz halten wollen.
Könnte es sein, dass der Lehrsatz „Cogito ergo sum“ von Descartes „Ich denke, also bin ich“, das 1641 den Weg in die Aufklärung ebnete und das Rationale vom Aberglauben trennte, der Satz ist, der uns heute unserer Lebendigkeit beraubt? Denken ist doch sehr wohl etwas Tolles. Denken macht auch Spass und bringt uns Wissen. Würde jedoch dieses Wissen unsere Situation als Menschen verbessern, müssten wir doch das Paradies auf Erden haben.
Die Herausforderung, dass wir uns selbst nicht kennen und uns immer wieder in verschiedenen Zeiten und Kulturen sagen lassen, was die Wahrheit ist, macht die Sache nicht einfacher. Das war vor dem Römischen Imperium so, wurde von der römisch-katholischen Kirche weitergeführt, und ist bis in die heutige Zeit ein aktives Dilemma. Diese Zwickmühle, in der wir heute sowohl als Menschheit als auch als Individuum stecken, wird uns solange begleiten, wie wir uns der Illusion der Schuld hingeben.
Sobald wir uns jedoch erlauben, in dieses Ich bin einzutauchen, werden wir feststellen, dass das, was wir Denken nennen, komplett in den Hintergrund rückt. Transzendenz wird erfahrbar, im wahrsten Sinne des Wortes – das Überschreiten, das Darüber-hinaus-gehen, das Jenseitige. Dass die Sehnsucht nach dem Jenseitigen heute besonders groß ist, dazu muss man nur einschlägige Magazine und Websiten besuchen. Die Faszination, dass da noch mehr ist, ist heute besonders groß – oder besser breit. Die Föhre fordert uns auf, dieses Transzendente in uns zu entdecken. Der Feuerbaum stellt uns sein Licht zur Verfügung, um jenes Licht in uns zu entdecken.
Erkennen wir unser Geburtsrecht, führt uns das im besten Falle in die Selbstermächtigung. Selbstermächtigung findet sich im Gewahr-sein.
Der ewige Fluss, unsere Gedanken zu beobachten, ist uns gegeben. Es ist uns erlaubt, unsere Überzeugungen hinter dem Gedanken zu identifizieren. Diese Überzeugungen, die individuell und untrennbar mit unserem Sein verwoben sind, neu zu erleben und Wirklichkeiten in uns zu gestalten, die wir auch als Himmelsreich in uns erleben können, ist uns versprochen.
Aus dieser Selbstverständlichkeit, „sein Selbst zu verstehen“, gelingt es, vis vitalis die Lebenskraft in allen Bereichen unseres Seins erfahrbar und erlebbar zu gestalten. Wir wirken selber als Leuchtfeuer, das sich aus uns selbst heraus entfaltet und Potentiale zur Wirkung bringt.
Die Föhre hat keine hohen Ansprüche an ihre Umgebung. Mit genügend Sonnenlicht und einem kleinen sozialen Baumnetzwerk kann sie schon mit 15 Jahren im Mai erblühen. Ihr Pollen legen sehr große Distanzen zurück und wurden durch die gelbliche Farbe oft als Schwefelregen gedeutet. Über dieses „in-die-Ferne-tragen“ waren sich vielleicht schon die Kelten bewusst, die ihre Ratsplätze auch gerne mit Föhren bestückten. Vielleicht war der Gedanke dahinter, dass die Ratsbeschlüsse sich so schnell verbreiten sollten wie die Föhrenpollen im Frühling. Auch heilige Heine wurden mit Föhren bepflanzt sowie Orte des Rückzugs und der Meditation. Kein Wunder, dass diese von den Römern gleich mit den Dörfern verbrannt wurden, um so wichtige Wurzeln eines Volkes neben Herd und Hof aus dem Leben zu verbannen.