Merkels Machtgier: Von einer Frau, die nicht merkt, dass es vorbei ist

Wer dieser Tage einen der unzäh­ligen Fernseh-Polit­talks ver­folgt, könnte glauben, in eine Zeit­ma­schine geraten zu sein. Man wähnt sich zurück­ver­setzt ins Jahr 1989, so sehr erinnern die State­ments des Füh­rungs­per­sonals der aus dem Amt gejagten Bun­des­re­gierung an den unbeug­samen Starrsinn des unter­ge­henden DDR-Polit­büros. „Alles richtig gemacht“, lautet die Devise, „Immer nur weiter so“, der Schlachtruf. Gerade die CDU-Spitze offenbart ein Ausmaß an Rea­li­täts­ver­wei­gerung, das Angst macht. Die jeder Wirk­lichkeit ent­rückte Kanz­lerin und ihre Getreuen haben auch eine Woche nach ihrem ver­hee­renden Debakel bei der Bun­des­tagswahl nicht im Ansatz begriffen, was ihnen die Bürger an der Wahlurne in großen Lettern ins Stammbuch geschrieben haben. Nur noch ein knappes Drittel der Wähler kann sich für die Union erwärmen – das schlech­teste Ergebnis seit 1949. Abge­straft für ihr völ­liges Ver­sagen in der Euro‑, Ein­wan­de­rungs- und Ener­gie­po­litik, ist der Kanz­ler­wahl­verein aus CDU und CSU im Ver­gleich zu 2013 um satte acht­einhalb Pro­zent­punkte abge­rutscht. Nimmt man nur das Ergebnis für Merkels CDU, so haben ihr nicht einmal mehr 12,5 Mio. Wähler das Ver­trauen geschenkt. Von einer Volks­partei zu sprechen, ver­bietet sich da fast schon. Im Zusam­menhang mit dem bis­he­rigen Koali­ti­ons­partner von der SPD möchte man diesen Begriff lieber gar nicht mehr in den Mund nehmen. Zusammen mit der CSU kämen beide gerade so über die 50%-Marke. Wer möchte da künftig noch von einer „großen“ Koalition sprechen?

Die in einem Par­al­lel­uni­versum krei­sende CDU-Vor­sit­zende denkt gar nicht daran, per­sön­liche Kon­se­quenzen aus ihrem Desaster zu ziehen

Aber die ist nun sowieso Geschichte. Da die SPD nicht mehr will, muss Merkel die unter­schied­lichsten Klein­par­teien an sich binden, um an der Macht zu bleiben. Schwer fällt ihr das nicht, verfügt sie doch selbst über kei­nerlei poli­tische Prin­zipien. Ihre bis zur Unkennt­lichkeit ent­kernte CDU kann im Jahr 2017 nahezu überall andocken und findet so immer eine beliebige Zahl an Koali­ti­ons­partnern. Erstmals in der deut­schen Nach­kriegs­ge­schichte wird es auf diese Weise nun wohl ein Vie­rer­bündnis geben, damit die mit der Selbst­ver­ständ­lichkeit einer Staats­rats­vor­sit­zenden herr­schende Kanz­lerin wei­ter­re­gieren kann. Zwar gestaltet sich dies weit weniger bequem als die Liaison mit der SPD, doch kann es der Merkel-CDU letztlich gleich sein, wie viele andere Frak­tionen sie sich ähnlich der SED ein­ver­leiben muss, um ihre ewige Herr­schaft abzu­si­chern. Wäh­rend­dessen denkt die in einem Par­al­lel­uni­versum krei­sende und von ihren medialen Satel­liten beklatschte CDU-Vor­sit­zende gar nicht daran, per­sön­liche Kon­se­quenzen aus dem vor allem ihr anzu­las­tenden Desaster zu ziehen. Statt­dessen begreift sie es als klare Bestä­tigung ihrer Politik, dass ihr der „Große Bruder“ aus Brüssel Glück­wunsch­gir­landen bindet und die Riege der Bru­der­staaten artig gra­tu­liert, ein Ritual, das ihr von den Volks­kam­mer­wahlen bestens ver­traut ist. Kalt dürfte es Merkel trotzdem nicht lassen, dass nur noch etwas mehr als ein Viertel der Wähler sie und ihre CDU wollen. Umso trot­ziger ver­kündet sie, nichts falsch gemacht zu haben.

„Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt“, sagt Sta­nislaw Tillich, wissend, dass dies mit Angela Merkel nahezu aus­ge­schlossen ist

Noch hätte die Kanz­lerin die Chance, sich mit Anstand zurück­zu­ziehen. Doch sie wird es nicht tun. Dabei hat ihre Demontage längst begonnen. Immer häu­figer trauen sich auch füh­rende Par­tei­kol­legen aus der Deckung, nachdem das Raunen in Berlin zuletzt lauter geworden war. Sachsens CDU-Minis­ter­prä­sident Sta­nislaw Tillich wurde nun deutlich: „Die Leute wollen, dass Deutschland Deutschland bleibt“, las er seiner Vor­sit­zenden öffentlich die Leviten. „Mitte rechts“ sei der Weg, den die Union ein­schlagen müsse, um poli­ti­sches Terrain zurück­zu­er­obern. Dass dies mit Merkel nahezu aus­ge­schlossen ist, braucht Tillich ebenso wenig hin­zu­zu­fügen wie Horst See­hofer. Let­zerer dürfte mit seiner CSU im Jahr der Baye­ri­schen Land­tagswahl für viel Unruhe in der künf­tigen Jamaika-Regierung sorgen. Aber auch zahl­reiche andere Kon­ser­vative innerhalb der Union werden zunehmend auf­be­gehren, wenn sie ihre Posi­tionen durch faule Kom­pro­misse mit dem grünen Koali­ti­ons­partner immer weiter ver­wässert sehen. Dann dürfte es auch für die Kanz­lerin zu Ende gehen. Erich Hon­ecker wurde vom Politbüro gestürzt, als selbst die bestellten Sta­tisten die Buhrufe bei seinen öffent­lichen Auf­tritten nicht mehr über­tönen konnten. Er ver­stand nicht, warum ihn sein Volk nicht mehr liebte, hatte eine Heer­schar eif­riger Helfer die Rea­lität doch jah­relang geschickt vor ihm zu ver­bergen gewusst. Vor Angela Merkel ver­birgt niemand etwas. Ihre Rea­li­täts­ferne ist nicht zu erklären. Das wie­derum unter­scheidet sie von Erich Honecker.

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Ramin Peymani / peymani.de

Die Redaktion begrüßt an dieser Stelle sehr herzlich Ramin Peymani als neuen Autor auf dieUnbestechlichen.com!

 

Bild: Merkel / flickr.com EPP