Selbst­ver­sorgung: Terra Preta – die schwarze Revo­lution aus dem Regenwald

Mit Kli­ma­gärtnern die Welt retten und gesunde Lebens­mittel pro­du­zieren: Terra Preta do Indio lautet der por­tu­gie­sische Name für einen Stoff, dem man wun­dersame Eigen­schaften zuschreibt.

Die Presse über­schlägt sich mit Berichten über das „Schwarze Gold“, die Wis­sen­schaft glaubt mit der Schwarzerde aus dem Regenwald zwei der größten Mensch­heits­pro­bleme lösen zu können – den Kli­ma­wandel und die Hungerkrise.

Das Gute daran: Jede® kann mit­helfen, denn seit 2005 ist das Geheimnis um die Her­stellung der Wun­dererde gelüftet – ein Geheimnis, welches mit dem Nie­dergang der einstmals blü­henden India­ner­kul­turen Ama­zo­niens ver­loren zu gehen schien.

Die Rezeptur mutet dabei erstaunlich einfach an, denn mehr als Küchen- oder Gar­ten­ab­fälle, Holz­kohle und Regen­würmer sind nicht nötig – Terra Preta ist somit auf jedem Balkon und in jedem Klein­garten herstellbar.

Das Autorentrio Scheub, Pieplow und Schmidt hat sich auf Schatz­suche begeben und das Wissen um die frucht­barste Erde der Welt in einem kun­digen Führer zusammengetragen.

Neben einer fun­dierten Gebrauchs­an­weisung zur Her­stellung von Terra Preta und Bio­kohle (biochar) infor­miert das Handbuch über die Grund­prin­zipien von Kli­maf­arming und Kreislaufwirtschaft.

Es ist ein flam­mendes Plä­doyer gegen Kunst­dünger und Gen­technik und ein uner­läss­licher Rat­geber für alle, denen gesunde Lebens­mittel am Herzen liegen (Selbst­ver­sorgung aus dem Garten: 5 Gemüsearten, die Sie im Winter ernten können).

„(…) eine Art Mut­macher-Buch, das perfekt in die gerade boo­mende Urban Gar­dening-Bewegung passt.“ (Johannes Kaiser, Deutsch­land­radio Kultur, März 2013)

Ein Paradies zum Selbermachen 

Wenn Men­schen sich ein Paradies vor­stellen, gleicht es meist einem Garten. In Gärten fühlen wir uns wohl und erholen uns von Stress aller Art. Gärten sind Orte der Fülle, der Frucht­barkeit und des Über­flusses. Wir erfreuen uns an ihnen mit allen Sinnen – an der Wärme der Sonne, den Farben der Schmet­ter­linge, den Formen und Düften der Blumen, dem Geruch feuchter Erde, dem Geschmack fri­scher Früchte, an den Tönen plät­schernden Wassers und tur­telnder Vögel oder einfach nur an der Stille.

Manchmal glitscht eine fette Nackt­schnecke durch das Idyll, und man glaubt, sie kichern zu hören, weil sie gerade den von uns so zärtlich gepflegten Jung­salat abge­fräst hat – über irgendwas muss man sich auch im Paradies ärgern, sonst wird es dort zu langweilig.

Grün ist gesund und wohl­tuend: Men­schen aller Kul­turen und Natio­na­li­täten ziehen eine natür­liche Land­schaft einem städ­tisch­stei­nernen Ambiente vor. Der Blick aus einem Kran­ken­zimmer ins Grüne fördert Studien zufolge den Hei­lungs­verlauf von Krank­heiten und redu­ziert die Schmerz­mit­tel­dosis. Unter­su­chungen aus Deutschland, den Nie­der­landen und den USA zeigen, dass Natur in der direkten Umgebung eine positive Wirkung auf Zufrie­denheit und Gesundheit der dort Lebenden und Arbei­tenden hat.

Gärtnern ist erst recht gesund, man bewegt sich den ganzen Tag in fri­scher Luft, Licht und Sonne. Und abends kann man zufrieden auf sein Tagewerk schauen – wenn nur die Nackt­schnecken nicht wären. Kein Wunder also, dass nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten Gärtnern schwer in Mode ist („Shinrin-yoku“ – Doktor Wald).

Junge und Alte, Frauen, Männer und Kinder, Ange­stellte und Arbeitslose, Ein­hei­mische und Flücht­linge ackern zusammen, lassen Gemein­schafts- und inter – kul­tu­relle Gärten erblühen, pflegen das Grün hinterm eigenen Haus oder kümmern sich um irgendein kom­mu­nales Fleckchen Erde.

Manche tun dies auch, weil sie die lieblose Her­stellung von Lebens­mitteln und die per­ver­tierten glo­ba­li­sierten Struk­turen der Agro industrie satt haben. Vor allem an sie, an diese vor­wiegend öko­lo­gisch aus­ge­rich­teten Stadt­gärt­ne­rinnen und Frei­zeit­buddler, richtet sich dieses Buch.

Seine wich­tigste Bot­schaft ist eine frohe: Kli­ma­gärtnern mit Terra Preta könnte den Treib­haus­effekt in der Erd­at­mo­sphäre stark abmildern. Kli­maf­arming – weltweit ange­wandt und flan­kiert mit wei­teren Umwelt­maß­nahmen – könnte ihn womöglich sogar stoppen. Wenn die Menschheit mittels Kli­maf­arming den Humus­gehalt der Böden in den nächsten 50 Jahren um zehn Prozent erhöhen würde, könnte der Koh­len­di­oxid­gehalt der Atmo­sphäre sogar auf vor­in­dus­tri­elles Niveau gebracht werden.

Viel­leicht ist die Nutzung von Pflan­zen­kohle wirklich die »mäch­tigste Kli­ma­schutz­ma­schine, die wir haben«, wie es der aus­tra­lische Umwelt­pro­fessor Tim Flannery aus­drückt. Terra Preta, was auf por­tu­gie­sisch einfach nur »schwarze Erde« heißt, wird manchmal auch »Wun­dererde« genannt.

Das ist sicherlich über­trieben, sie ist auch nur ein von Men­schen fruchtbar gemachter Boden und kein Hexen­elixier, mit dem man – bei Vollmond über die Schulter auf den Boden gespuckt und eins­zweidrei – die Erde retten könnte.

Dennoch hat diese uralte, erst vor wenigen Jahren wie­der­ent­deckte Anbau­me­thode der Urein­wohner am Ama­zonas nach Meinung einer wach­senden Gemeinde inter­na­tio­naler Wis­sen­schaftler das Potenzial, das welt­weite Hunger‑, Armuts‑, Wasser- und Kli­ma­problem gleich­zeitig angehen zu können. Und von welcher anderen Methode kann man das schon behaupten?

Nach dem bis­he­rigen Wis­sens­stand sind die Vor­teile der Terra Preta-Technik unge­heuer viel­fältig: Sie fördert fruchtbare Böden, gesunde Pflanzen und gesunde Lebens­mittel, ermög­licht auf kleinem Raum hohe und sichere Ern­te­er­träge, macht Klein­bauern und Gärt­ne­rinnen unab­hängig von teurem Dünger, gif­tigen Pes­ti­ziden oder Gen­technik, kann Abfall­stoffe in Natur­dünger ver­wandeln, Kreis­läufe schließen, Hygie­ne­pro­bleme in Slums und Sani­tär­sys­temen lösen, Böden ent­giften, Steppen und tro­ckene Mager­böden zu Agrarland machen und eben auch den Kli­ma­wandel ent­scheidend mildern (Globale Erwärmung: Wer sind jetzt die Kli­ma­leugner?).

Wie das? Der ent­schei­dende Bestandteil von Terra Preta ist Pflan­zen­kohle, die mittels kli­ma­neu­traler Pyrolyse her­ge­stellt wird. Pyro­ly­siert man pflanz­liche Abfälle, so wird der Koh­len­stoff, den die Pflanzen der Atmo­sphäre in Form von CO2 ent­zogen haben, dau­erhaft sta­bi­li­siert. Die poren­reiche Pflan­zen­kohle kann dann in die Erde ein­ge­bracht werden und dient als als frucht­barer Speicher von Nähr­stoffen und Wasser.

Jede Hob­by­gärt­nerin und jeder Klein­bauer kann Terra Preta und ihre Grund­stoffe selbst her­stellen; wenn man zu wenig Zeit dafür hat, kann man die erfor­der­lichen Zu taten aber auch im Internet kaufen. Aller­dings ist noch lange nicht in allen Details erforscht, was diese Methode alles vermag und womöglich auch nicht vermag.

Ein Engpass für ihre mas­sen­hafte Anwendung in der Land­wirt­schaft ist die kos­ten­günstige Her­stellung grö­ßerer Mengen an Pflan­zen­kohle durch moderne Pyro­ly­se­an­lagen – zumindest bisher. Auch zeigen kon­ven­tio­nelle Agrar­for­schungs­an­stalten wenig Bereit­schaft, ent­spre­chende For­schungs­pro­jekte zu finan­zieren und mitzutragen.

Das ist nicht ver­wun­derlich, trägt die Schwarzerde-Technik doch das Potenzial in sich, Agro­chemie und Gen­technik zu ersetzen. So ähnlich wie die dezen­tralen erneu­er­baren Energien auf längere Sicht die Existenz der zen­tralen Ener­gie­kon­zerne bedrohen, so könnte auch die Terra-Preta-Methode mit zuneh­mender Ver­breitung die Agro­kon­zerne letztlich über­flüssig machen.

Wir müssen damit rechnen, dass wir ab einer gewissen Stufe deren Wider stand zu spüren bekommen – und sei es in Form unsin­niger Hygie­ne­vor­schriften für Gärten, die Lob­by­isten der Agro­in­dustrie dann viel­leicht aus der Tasche ziehen.

(Die zeitgenössischen Gegner des Regen­wurm­for­schers Charles Darwin ver­suchten diesen lächerlich zu machen: »Der Mensch ist nichts als ein Wurm«, steht unter der Zeichnung)

Eine unglaub­liche Fülle von Lebewesen

In einem Qua­drat­meter guten Bodens steckt in den obersten 30 Zen- timetern eine unfassbar große Fülle von Lebe­wesen: schätzungs- weise 1 Billion Bak­terien, 500 Mil­li­arden Gei­ßel­tierchen, 100 Milliarden

Wurzelfüßer, 10 Mil­li­arden Strah­len­pilze, 1 Mil­liarde Pilze, 1 Million Algen, 1 Million Wim­per­tierchen, 1 Million Fadenwürmer, 50.000 Springschwänze, 25.000 Rädertiere, 10.000 Borstenwürmer, 300 Vielfüßler, 150 Kerb­tiere, 100 Zweiflüglerlarven, 100 Käfer und Larven, 80 Regenwürmer und je 50 Schnecken, Spinnen und Asseln.

Die Mikr­oo­ga­nismen sind die ältesten Lebe­wesen auf der Welt. Auch in unserem mensch­lichen Körper leben unglaub­liche Mengen von ihnen – zehnmal mehr, als wir Körperzellen haben. Sie »überfremden« uns völlig – und doch können wir ohne sie nicht leben. Sie besiedeln alle Oberflächen, sie beschützen unsere Haut vor krank­ma­chenden Keimen, sie bewohnen unseren Darm und stellen unsere Ver­dauung sicher (Selbst­ver­sorgung aus dem eigenen Garten oder Balkon: Bauen Sie sich Ihre ganz private Arche Noah!).

Wir nehmen ständig Mikro­or­ga­nismen auf und geben ständig welche ab. Sie sorgen dafür, dass infektiöse Orga­nismen sich nicht ent­wi­ckeln können. Doch auch die Krank­heits­keime haben eine wichtige Funktion. Wo das Leben erlischt, schaffen sie durch Abbau die Vor­aus­setzung für einen neuen Anfang.

Aber in der Natur ist nicht der Abbau der vor­herr­schende Vor- gang, sondern Aufbau, Koope­ration, Koexistenz und Sym­biose. Pilze, Algen und Bak­terien leben mit den Haar­wurzeln der Pflanzen zusammen und tau­schen große Moleküle wie Eiweiße, Vit­amine oder ganze Zell­kraft­werke wie die Mito­chon­drien unter­ein­ander aus.

For­scher haben mit­hilfe von Boden­scree­nings hoch­ge­rechnet, dass bisher nur fünf bis zehn Prozent aller Boden­or­ga­nismen überhaupt bekannt sind. Es ist unmöglich, ihre vielfältigen Wech­selwir- kungen, Koexis­tenzen und Sym­biosen zu (er)kennen.

Die Wie­der­ver­wendung von Stoffwechselabfällen ist eines der Geheim­nisse von leben­diger frucht­barer Erde. Wir bedrohen diese Welt mit jeder Gabe syn­the­ti­schen Düngers, mit jeder Dosis Gift aus Pes­ti­ziden, mit jedem Liter fau­lender Gülle, mit jedem Überfahren des Bodens mit ton­nen­schwerem Gerät.

Das Boden­leben kann sich zwar immer wieder rege­ne­rieren. Aber dafür braucht es viel Humus und Nach­schub an orga­ni­schen Stoffen. Wird jedoch der Humus schlei­chend abgebaut, stirbt der Boden. Mit der indus­tri­ellen Land­wirt­schaft, die per Chemie und Groß­technik einen Krieg gegen die Natur führt, wird die Erde zu Dreck, und wir ver­lieren den Boden unter den Füßen.

Wir ziehen unserem Pla­neten die Haut ab und merken es nicht…

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