Gender Gaga: Der, die, das — und dann?

Deutschland wurde in diesem Jahr zum Welt­mit­tel­punkt aller Geschlechter- und Ehe-Fragen. Unser nörd­licher Nachbar, von uns auch gern Großer Bruder genannt, bekam heuer im Sommer vom Gesetz­geber die “Ehe für alle” ver­ordnet. Als Draufgabe hat das Deutsche Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in Karlsruhe dieser Tage ent­schieden, dass der Bun­destag bis Ende 2018 die gesetz­lichen Grund­lagen für die Zulassung eines soge­nannten “Dritten Geschlechts” neben Mann und Frau schaffen muss.

Der Mann, die Frau und das Inter

Dieses dritte Geschlecht soll zukünftig “Inter” oder „Divers“ heißen. Der Hin­ter­grund der bereits jetzt heftig umstrit­tenen Ent­scheidung: Ein deut­scher inter­se­xu­eller Mensch hat Klage erhoben, weil er sich durch die aktuelle Geset­zeslage in seinen Per­sön­lich­keits­rechten ein­ge­schränkt sieht. Die beiden Geschlechter “Mann” und “Frau” würden seine Grund­rechte insofern ein­engen, als er sich weder als das eine noch als das andere fühle, argu­men­tierte der zukünftige Inter. Das Ver­fas­sungs­ge­richt hat dieser Klage stattgegeben.

Bio­lo­gische Grund­lagen und poli­tische Konsequenzen

Dazu sind einige Anmer­kungen aus bio­lo­gisch-medi­zi­ni­scher wie auch poli­ti­scher Sicht nötig. Zunächst ist es wichtig, dass die Inter­se­xua­lität nicht mit der Trans­se­xua­lität ver­wechselt wird. Erstere ist chro­mo­somal bedingt, letztere durch die geschlechts­spe­zi­fi­schen Wünsche und Vor­stel­lungen der jewei­ligen Person.

Bio­lo­gisch betrachtet wird der Mensch durch die Geschlechts-Chro­mo­somen X und Y zu Mann oder Frau. Hat ein Mensch beide X‑Chromosomen, ist er eine Frau (XX). Besitzt er die Kom­bi­nation XY, dann ist er ein Mann. Darüber hinaus gibt es ange­borene Aberra­tionen im Chro­mo­somen-Satz mit über­zäh­ligen oder feh­lenden X‑Chromosomen bzw. gestörten Y‑Chromosomenbildungen. Die bekann­testen dieser medi­zi­nisch defi­nierten Erschei­nungs­bilder sind das Klinfelter‑, das Turner- und das Swyer-Syndrom.

Weder noch

Rich­ti­ger­weise muss man sagen, dass Men­schen mit diesen Syn­dromen aus medi­zi­ni­scher und gene­ti­scher Sicht weder Männer noch Frauen sind. Die Richter haben in ihrem Spruch offen­sichtlich auf diese natür­liche Gege­benheit abge­stellt und ver­meint, dass man einen Men­schen, der weder Mann noch Frau ist, nicht dazu zwingen könne, sich zu einem dieser Geschlechter zu bekennen.

So weit, so schlecht. Der nur auf den ersten Blick nach­voll­ziehbare rich­ter­liche Ent­scheid zieht nämlich einen ganzen Rat­ten­schwanz von wei­teren Fragen und mit Sicherheit auch weitere Klagen nach sich. Die Ver­fas­sungs­richter haben sich auf eine “Slippery Slope” begeben und mit ihrem Spruch die Fun­da­mente der sozio­kul­tu­rellen Ordnung zur Dis­po­sition gestellt. Mit ständig neuen Ver­schlimm­bes­se­rungen der Geschlech­ter­frage ist deshalb zu rechnen.

Nach der Bio­logie kommt die Soziologie

Mit welcher Begründung wird man nun Trans­se­xuelle vom Wechsel der geschlecht­lichen Iden­tität und von einer even­tuell gewünschten unkom­pli­zierten und raschen Änderung im Per­so­nen­stands­re­gister aus­schließen? Im Sinne der Grund­rechte und Gleich­be­handlung ist dies in Deutschland ab jetzt in Wirk­lichkeit unmöglich geworden.

Gesetzt den Fall, ein trans­se­xu­eller Mensch fühlt sich heute als Frau, ist aber chro­mo­somal ein Mann und leidet unter dieser Situation so sehr, dass er medi­zi­nische Behandlung (Anti­de­pressiva, Hormone, Ope­ra­tionen etc.) braucht und schon vor jeg­licher Behandlung unbe­dingt als Mann regis­triert sein möchte.

Wie kann ihm der Gesetz­geber die ein­fache Änderung des Ein­trags ver­weigern,  wenn er dies dem zukünf­tigen bio­lo­gi­schen “Inter” aber gestattet? Und wie kann der Gesetz­geber eine neu­er­liche Änderung des Ein­trags ver­bieten, falls der trans­se­xuelle Mensch nach ein paar Jahren doch wieder ein Mann sein will? Derzeit müssen Trans­se­xuelle für eine Änderung im Per­so­nen­stand­re­gister relativ auf­wendige juris­tische Ver­fahren durch­laufen — ange­sichts der Ent­scheidung aus Karlsruhe wird das aber jetzt zur Zumutung und zur Diskriminierung.

Und Con­chita lächelt

Diese Fragen klingen noch hypo­the­tisch, sind aber der Klärung zuzu­führen, weil diese Dinge regelhaft einen immer stär­keren Spin bekommen und die hin­rei­chend bekannten Lobbys daran arbeiten, die mensch­liche Geschlecht­lichkeit bis zur Unkennt­lichkeit zu diver­si­fi­zieren. Es sei daran erinnert, dass es zur Zeit etwa 60 Mög­lich­keiten gibt, sein soziales Geschlecht zu defi­nieren. Und das Ziel der ein­schlägig agie­renden Lobbys ist es, einer­seits maximale sexuelle Vielfalt her­zu­stellen, aber ande­rer­seits die totale Gleichheit zu fordern. Die Gal­li­ons­figur dieser wider­sprüch­lichen Phi­lo­sophie kommt aus Öster­reich: Es ist Con­chita Wurst. Am Ende soll alles egal, also wurscht sein.

Die Richter im Dilemma

Vom Poli­ti­schen zurück zum Juris­ti­schen: Warum sollte man zukünftig eine x‑beliebige Auswahl des sozialen Geschlechts (vulgo Gender) und ein breiter gefä­chertes Per­so­nen­stands­re­gister ver­bieten, wenn man man es dem chro­mo­somal nicht exakt Zuor­den­baren gestattet, seine eigene Defi­nition zu bekommen? Die sub­jektive Situation ist ja für alle, die sich nicht ein­deutig als Mann oder Frau fühlen oder die Rolle wechseln wollen, immer die­selbe: Man fühlt sich in seinen Grund­rechten ein­geengt, weil man die eng gehaltene geschlecht­liche Defi­nition vom Gesetz­geber zwangs­weise ver­ordnet bekommt.

Die deut­schen Ver­fas­sungs­ju­risten rudern in Wirk­lichkeit in einem Dilemma herum. Sie werden wei­terhin ständig neue Regu­lie­rungen und Gesetze ver­an­lassen müssen, um all die Leute, die sich in ihren geschlechts­be­zo­genen Grund­rechten ver­letzt fühlen, zu beru­higen und zu befrie­digen. Und es werden immer neue Facetten einer sub­jektiv gefühlten Dis­kri­mi­nierung auf­tauchen, die dann irgend­jemand klagen will.

Die Ein­führung des  “Dritten Geschlechts” ist wie fast alles, was in den letzten Jahren in Deutschland pas­siert ist, eine fort­ge­setzte Kapi­tu­lation vor der eigenen dunklen Geschichte des Dritten Reichs. Deutschland will als späte Antwort auf seine His­torie alles besonders gut machen — und bestätigt damit in haar­sträu­bender Weise immer wieder den alten Spruch: “Gut gemeint ist das Gegenteil von gut”.

Dr. Marcus Franz / thedailyfranz.at