„Bischof Bling-Bling“ und die Kos­ten­trans­parenz: Der Fall Tebartz-van Elst und die Folgen

Anfang des Jahres 2014 in dem hüb­schen Städtchen Limburg an der Lahn. Bei schönem Wetter tummeln sich in den idyl­li­schen, von hüb­schen Fach­werk­häusern ein­ge­rahmten Gässchen Tou­risten. Viele kleine Läden mit Kunst­handwerk, Hand­ge­schnei­dertem und Beson­derem und Café Will, das älteste Café am Platz, laden zum Ein­kaufs­bummel und Kaffee und Kuchen ein. Ich liebe diese kleine Stadt, die nicht weit von unserem Dörfchen ent­fernt liegt. Sie sieht aus wie aus einem Bilderbuch.

Das älteste Café am Platze, das Café Will. Es gibt aber mehr als ein Dutzend süße, alte Cafés in Limburg, eins kusch­liger als das andere.

Die Attraktion ist jedoch der mitten in der Alt­stadt lie­gende Dom Lim­burgs. Er ent­stand in einer Zeit, in der die großen, reichen Bis­tümer stei­nerne, gotische Kirchen in der neuen, him­mels­stür­menden Bau­weise errichten ließen. Die Zeit, wo der berühmte Bund der „Frei­maurer“ ent­stand und nach voll­kommen neuen Prin­zipien diese für die damalige Zeit geradezu über­ir­disch wir­kenden, licht­durch­flu­teten Dome erschufen.
Das Bistum Limburg hatte nicht soviel Geld. Der beauf­tragte Bau­meister kannte die neue Bau­weise nicht. Er entwarf ca. 1180 einen Dom, der auf der alten Bau­kunst der Romanik auf­setzte und holte aus diesen Mög­lich­keiten das Äußerste heraus. Es ent­stand ein Kunstwerk, das sei­nes­gleichen sucht. Was schlicht „spät­ro­ma­nische Bau­kunst“ genannt wird, ist eine wun­der­schöne Kathe­drale, die schon die über­schlanke, fein­gliedrige, ver­schachtelt-auf­stre­bende Anmutung der Gotik zu ver­wirk­lichen sucht und damit den boden­stän­digen Baustil der Romanik an die phy­si­ka­li­schen Grenzen treibt. Eine wun­der­schöne Kathe­drale, innen reich aus­ge­schmückt mit Male­reien. Es ist ein so har­mo­nisch-per­fektes Bauwerk und so typisch deutsch, dass es zwi­schen 1964 und 1992 auf der Rück­seite des 1000 DM-Scheines abge­bildet war.
Der Lim­burger Dom, ein Schmuck­stück der Spät­ro­manik oder frü­hester Gotik. Fach­leute nennen das den “rhei­ni­schen Über­gangsstil”. Innen ist er noch schöner.

 
2008 war ein neuer Bischof in Limburg ein­ge­zogen. Franz-Peter Tebartz-van Elst war der jüngste Diö­ze­san­bi­schof Deutsch­lands, galt als intel­lek­tuell und auf­strebend. Er war sehr kon­ser­vativ und liebte Prunk und Prä­sen­tation. Aber schon im Juni 2009 gab es einen gemein­samen, offenen Brief der Seel­sorger, den bald jeder im Bistum kannte. Unter dem Titel „Auf­schrei von Seel­sorgern im Bistum“ wurden darin „Hoch­glanz­kitsch“, „selbst­ver­liebte Rituale“, „leere Wort­hülsen“, „kle­ri­kaler Dünkel“ ange­prangert und dass Tebartz-van Elst sich eine Hof­schranzen-Entourage von „Nach­betern und Kopf­ni­ckern“ her­an­ge­züchtet habe. Der Bischof ant­wortete nicht und stellte sich keiner Dis­kussion. Er war bald bekannt dafür, Leute, die ihm wider­sprachen oder einfach nur poli­tisch nicht passten, ohne jede Anhörung oder arbeits­recht­liche Vor­schriften zu beachten nach Belieben feuerte. Es kris­tal­li­sierte sich auch heraus, dass mittels frag­wür­diger Zeu­gen­aus­sagen und „arbeits­recht­licher Trick­se­reien“ Mit­ar­beiter der Diözese ent­lassen wurden, die Ein­blick in die Finanzen des bischöf­lichen Stuhls hatten, und nicht zum inneren Amigo-Kreis des Bischofs gehörten.
Der unge­liebte, selbst­herrlich- arro­gante Bischof wurde zum Dau­er­thema im Bistum Limburg. Priester kri­ti­sierten ihn in ihren Pre­digten von der Kanzel – unter tosendem Beifall der Gemeinde. Die christ­lichen Jugend­ver­bände ver­passten dem stets mehr oder weniger „over­dressten“ Bischof den Namen „Bischof Bling-Bling“ (so nennen Jugend­liche die viel zu vielen und zu prot­zigen Schmuck­stücke, die pro­mi­nente Rapper zur Selbst­dar­stellung tragen). Bei einem Ausflug junger Christen mit dem Bus, bei dem der Bischof teil­nehmen und als Letzter den Bus besteigen wollte, wurde ihm die Bustür vor der Nase zuge­macht und der Bus fuhr ohne ihn ab, mit fröhlich joh­lenden Jugendlichen.
Sein erster, bun­desweit in den Medien ver­brei­teter Skandal war der Flug nach Bangalore in Indien, um dort mit seinem Ver­trauten, Gene­ral­vikar Kaspar, ein soziales Projekt zu besuchen. Sie buchten zwar einen Business Class Flug, stuften diesen aber mit gesam­melten Bonus­meilen des rei­se­freu­digen Bischofs auf Erster-Klasse-Flüge hoch. Als der Spiegel davon berichten wollte, ver­suchte der Bischof, eine einst­weilige Ver­fügung auf Unter­lassung wegen Falsch­dar­stellung zu erwirken und gab zwei Mal eine Ver­si­cherung an Eides statt ab. Nachdem der Spiegel eine Film­auf­nahme des Gespräches ver­öf­fent­lichte, zog das Bistum seinen Antrag auf Unter­lassung zurück. Im Sep­tember 2013 bean­tragte die Staats­an­walt­schaft Hamburg einen Straf­befehl gegen Bischof Tebartz-van Elst wegen fal­scher Ver­si­cherung an Eides statt in zwei Fällen. Der Bischof erwirkte gegen eine Geldbuße von 20.000 Euro eine Ein­stellung des Verfahrens.
Während dieser Zeit kochte jedoch schon der nächste, letzte und ful­mi­nan­teste Skandal des Bischofs Bling-Bling hoch.
Bischof Tebartz van Eltz, Bild­quelle: Flickr. com, Christ­liches Medi­en­ma­gazin pro

 
Schon 2004, vor der Inthro­ni­sation des Bischofs Tebartz-van Elst, gab es Pläne, das Bischofshaus in der alten Vikarie gegenüber dem Lim­burger Dom zu reno­vieren, bzw. teil­weise zu erweitern und neu zu bauen. Unter der Ägide des neuen Bischofs begann 2007 die Planung des Neubaus. Der Bischof brachte ständig neue Wünsche ein und das Bau­vor­haben wurde immer größer und teurer. Die Regio­nal­zei­tungen brachten immer neue Berichte und der Unmut der Bürger wuchs pro­por­tional zu dem Bau­vor­haben. Schluss­endlich beinhaltete das gigan­tische Bau­projekt nicht nur die Restau­rierung und den Ausbau der alten Vikarie und der Küs­ter­wohnung, sondern auch die der angren­zenden Stadt­mauer, des Neubaus einer Bischofs­wohnung, einer Bischofs­ka­pelle, eines Schwes­tern­hauses, sowie von Emp­fangs- und Sit­zungs­räumen, weit­räu­migen Außen­an­lagen und noch wei­teren, nicht genau genannten Gebäuden. Von sieben Mil­lionen Euro Bau­kosten war die Rede, die Auf­regung unter den Bürgern groß, unter den Katho­liken fingen die Kir­chen­aus­tritte an.
Das Dom­ka­pitel begrenzte die Aus­gaben dann endlich auf zwei Mil­lionen Euro. Zusätzlich kamen noch Gelder vom „Bischöf­lichen Stuhl“. Dieser schuldete nie­mandem Rechen­schaft über die Aus­gaben, als dem Bischof selbst und dessen Gene­ral­vikar. Niemand wusste, wie hoch die gesamten Bau­kosten eigentlich sein würden.
Im August 2012 wurden 5,5 Mio. Euro Gesamt­kosten ver­an­schlagt, davon 200.000 Euro für die Wohnung des Bischofs, 300.000 Euro für seine Pri­vat­ka­pelle, 500.000 Euro für den Ver­wal­tungs- und Gäs­te­be­reich, zwei Mio. Euro für die Sanierung der his­to­ri­schen Mauern und Dar­stellung der archäo­lo­gi­schen Funde, sowie 2,5 Mio. Euro für die Sanierung der Alten Vikarie und des Küs­ter­hauses. Im August 2012 sprach man von einer Kos­ten­stei­gerung auf über neun Mio. Euro, rechnete aber mit wei­teren „Über­ra­schungen“.
Bei der Eröffnung des Diö­ze­san­zen­trums am 29. Juni 2013 gab das Bistum Gesamt­kosten von 9,85 Mio. Euro bekannt, ohne diese Kos­ten­stei­gerung zu erklären.
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Am 8. Oktober 2013 schrieb „Der Spiegel“ unter dem Titel „31 Mil­lionen! Unfassbar, mir wird schlecht“, der Ver­mö­gens­ver­wal­tungsrat des Doms zu Limburg habe bekannt­ge­geben, man sei bei einer „ver­wal­tungs­in­ternen Kos­ten­rechnung“ auf (bis­herige) Gesamt­kosten des Gebäu­de­kom­plexes von min­destens 31 Mio. Euro gekommen. Nicht ein­ge­rechnet seien Bau­ne­ben­kosten in Mil­lio­nenhöhe. Die Stadt Limburg werde ein Gut­achten dazu erstellen lassen.
Aus dem Ver­mö­gens­ver­wal­tungsrat des Bistums hieß es, Tebartz-van Elst habe ein Verbot erlassen, die Gesamt­kosten zu ver­öf­fent­lichen und trotz meh­rerer Mah­nungen weder Haus­halts­pläne für 2012 und 2013 vor­gelegt und so alle „hinter das Licht geführt“. Tebartz-van Elst sei „ent­weder ein raf­fi­nierter Betrüger oder krank“.
Nach Infor­ma­tionen der „Welt am Sonntag“ rechnete die Lim­burger Stadt­ver­waltung zusätzlich zu den bisher ver­an­schlagten 31 Mil­lionen Euro für den Bischofssitz mit Fol­ge­kosten in Mil­lio­nenhöhe. Der Grund seien Schäden in der direkten Umgebung der Residenz, die durch die Bau­maß­nahmen ent­standen sind und von der Kirche beglichen werden müssen. Die Gesamt­kosten könnten dem Ver­nehmen nach damit auf bis zu 40 Mil­lionen Euro steigen.
Das Prä­sidium der Lim­burger Diö­ze­san­ver­sammlung und der Vor­stand des Diö­ze­san­syn­odal­rates gingen nun endlich gemeinsam zum offenen Angriff über. Man warf nun dem Bischof öffentlich einen „beängs­ti­genden Umgang mit der Wahrheit“ und „bewusste Fäl­schung“ in Bezug auf seine Angaben zum Bischofsbau vor. Der Bischof stehe dem kirch­lichen Ver­kün­di­gungs­auftrag „gewaltig im Weg“. Man bat den Papst um eine Entscheidung.
https://www.youtube.com/watch?v=YyRjgok527k
 
Nun war der Skandal in den bun­des­weiten Medien, ja, sogar im Ausland ein Auf­reger. Man fing an, die Reich­tümer der deut­schen Bis­tümer zu the­ma­ti­sieren. Sogar die ARD sendete ein Video, das den „Bischof Bling-Bling“ durch den Kakao zog (siehe oben). Die Kir­chen­aus­tritte erreichten neue Höhen und erhielten den Namen „Tebartz-Effekt“. Der päpst­liche Stuhl war nicht glücklich. Einige Diö­zesen machten ihre ihre Ver­mö­gens­ver­hält­nisse öffentlich. Auch in Limburg kün­digte Gene­ral­vikar Rösch an, das Bistum Limburg werde „das Ver­mögen, aber auch die Ver­pflich­tungen voll­ständig trans­parent machen“.
Am 26. März 2014 gab der Vatikan bekannt, dass der Heilige Stuhl den von Bischof Tebartz-van Elst ange­bo­tenen Amts­ver­zicht ange­nommen habe. Man werde ihn zu gege­bener Zeit mit einem neuen Amte betrauen. Hungern muss der geschasste Bischof aber nicht: Obwohl er nicht mehr Bischof von Limburg ist, muss ihm das Bistum etwa 5.500 Euro monatlich über­weisen, weil sich das Salair für Bischöfe nach der Besol­dungs­gruppe B8 für Beamte in Hessen richtet. Ihm stehen 60,59% seiner letzten monat­lichen Bezüge zu, was nach der Besol­dungs­ta­belle 9.145,54 Euro/Monat gewesen sein müssen. Allen Trans­pa­renz­schwüren zum Trotze nennt das Bistum aber keine kon­krete Summe. „Bischof Bling-Bling“ hat derweil eine neue Aufgabe als „Delegat für Kate­chese“ des Päpst­lichen Rates zur För­derung der Neue­van­ge­li­sation in Rom gefunden. Man hört, dass er dafür noch einmal 3000 € zusätzlich erhalte. Aber auch hier ist nichts von der ver­spro­chenen Trans­parenz zu bemerken.
Man atmete auf in Limburg. Eine Prü­fungs­kom­mission zu den Vor­komm­nissen ver­öf­fent­lichte einen Abschluss­be­richt.
Der Auf­bruch zu mehr Trans­parenz in den Bis­tümern der katho­li­schen Kirche über deren Ver­mögen war imposant, hat aber in den drei ver­gan­genen Jahren erheblich an Schwung ver­loren. Die Mil­li­ar­den­schweren Bis­tümer sind wieder in vor­nehmes Schweigen ver­sunken. 2016 erhielt die katho­lische Kirche sechs Mil­li­arden Euro Kir­chen­steuer, die 27 deut­schen Bis­tümer besitzen zusammen 26 Mil­li­arden Euro. Was sie damit machen, bleibt nach wie vor ihr Geheimnis. Die „Trans­parenz-Offensive“ dauerte nur so lange, wie die Auf­regung über den Bischof Bling-Bling noch kochte.
 
Für Interessierte:
Eine Quellen-Sammlung: “Der Fall Tebartz van Elst”: