Collage - Originalbild von Peter Altmaier: By RudolfSimon - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Ban­ken­union & EU-Ein­la­gen­si­cherung: Alt­maier ebnet den Weg zur Sparer-Enteignung

Die FAZ wertet es schon im Unter­titel: „Das deutsche ‘Nein’ zur Ver­ge­mein­schaftung des Spa­rer­schutzes im Euroraum wird zum ‘Ja, aber’“. Wieder einmal beob­achten wir, wie mit Don­nerhall vor­ge­tragene, eherne Stand­punkte zur Beru­higung und Ver­trau­ens­bildung für das Volk schon all­zubald geschleift werden und das Gegenteil dessen pas­siert, was ver­sprochen wurde.
Peter Alt­maier, geschäfts­füh­render Bun­des­fi­nanz­mi­nister, kann nicht einmal abwarten, ob die zur Zeit regie­rende Nicht­re­gierung über­haupt wieder zur Regierung wird. Kaum gibt es  grünes Licht zu GroKo-Ver­hand­lungen, schon wird der Gemeinsame-EU-Ein­la­gen­si­che­rungs-Zombie wieder aus der Kiste gezerrt. Diesmal aber nicht unter „Pfui!“-Rufen und um vor dem applau­die­renden Volk abge­watscht und wieder einmal „auf ewig“ in die Kiste geschlossen zu werden.
Noch am 23. Januar 2018, um 19.30 schrieb das Han­dels­blatt unter der Headline „Alt­maier bremst euro­päische Einlagensicherung“:
Die natio­nalen Fonds zur Absi­cherung von Spar­gut­haben sollen zu einer EU-Ein­la­gen­si­cherung zusam­men­gelegt werden. Bislang liegt der Gesetz­entwurf der EU-Kom­mission zum European Deposit Insu­rance Scheme (Edis) auf Eis. Ex-Bun­des­fi­nanz­mi­nister Wolfgang Schäuble bremste das Projekt erfolg­reich aus. Sein Nach­folger (Peter Alt­maier) hält an dieser Linie erst einmal fest.“ 
“Erst einmal” hielt er auch tapfer. Fest stand und treu die Wacht am Rhein. Sechzehn Stunden lang! Doch offenbar war diese Bremse im hef­tigen Kampfe kaputtgegangen.
Denn am 24. Januar 2018, um 11.18 titelt die FAZ: „Alt­maier öffnet Tür zur Einlagensicherung“.
Bis zur Jah­res­mitte schon könnte die EU beschließen, in die Ver­ge­mein­schaftung der Ein­la­gen­si­cherung im Euroraum ein­zu­steigen. Dazu müssten die in den Bank­bi­lanzen schwä­renden Risiken aus­rei­chend gesenkt werden. Man werde bis Juni einen auf Jahre gestreckten Fahrplan dafür ent­wi­ckeln. Als Vorbild könnte der Maas­trichter Vertrag für die Ein­führung des Euros dienen.
Wenn die Regeln für die Ein­la­gen­si­cherung genauso penibel ein­ge­halten werden, wie die Maas­trichter Ver­träge, kann das ja heiter werden. Und über­haupt, meint Herr geschäfts­füh­render Minister Alt­maier, sei ja auch Wolfgang Schäuble eigentlich und so irgendwie in Wirk­lichkeit für die Ver­ge­mein­schaftung von Ban­ken­ri­siken gewesen, wenn die Risiken hin­rei­chend redu­ziert worden seien. (siehe: „Schäuble warnt vor ‘fal­schen Anreizen’ durch EU-Ein­la­gen­si­che­rungen“, „Schäuble wettert gegen euro­päische Ein­la­gen­si­cherung“)
Seit 2008 stolpern die Banken von einer Krise in die andere. Sie sitzen immer noch auf Bergen von faulen Kre­diten, haben große Mengen an PIGS-Staats­an­leihen als Ver­mögen in ihren Büchern, die am Ende sehr wahr­scheinlich größ­ten­teils unein­bringbar sein werden. Das Insol­venz­recht für Banken in der EU ist voll­kommen unein­heitlich und bietet Raum für wag­halsige Tak­tiken. Sehr viele Banken bestanden den schon wenig ver­trau­en­er­we­ckenden „Stresstest“ mit Ach und Krach, von einer Kapi­tal­decke, die per „Bail-in“ in erster Instanz die Ein­leger ent­schä­digen könnte, ganz zu schweigen.
Seit zehn Jahren brodelt diese unge­löste Ban­ken­krise, weil man Insol­venzen nicht zulässt, um das marode und brü­chige Welt­fi­nanz­system nicht zu gefährden. Und nun sollen – laut Alt­maier – bis zum Sommer „kon­krete Kri­terien für die erfolgte Risi­ko­re­duktion fest­gelegt werden“. Was will er dem Bürger eigentlich damit sagen? Dass die Ban­kenwelt jetzt plötzlich, weil Alt­maier das meint, innerhalb von ein paar Monaten all das locker zuwege bringt, was zehn Jahre nicht machbar war?
Dass die meisten Poli­tiker von Finanzen, Banken und dem Welt­fi­nanz­system, der Geld­schöpfung und anderen Peti­tessen nicht viel ver­stehen, ist bekannt. Soviel welt­fremdes Geschwätz macht aber sprachlos. Eine andere Erklärung wäre, dass Minister Alt­maier sich sehr wohl im Klaren darüber ist, dass die Selbst­sa­nierung der Banken innerhalb weniger Monate völlig illu­so­risch ist und auch nicht ernsthaft erwartet wird. Sondern dass es darum geht, den fetten Ein­la­gentopf Deutsch­lands mit 5,6 Mil­li­arden Euro noch recht­zeitig in die EU ein­zu­bringen, gerade weil man Ban­ken­pleiten kommen sieht und das deutsche Ein­la­gengeld (plus das der soli­deren Länder) zum Ver­teilen braucht.

Die Idee, dass ein gesamt­eu­ro­päi­scher Ein­la­gentopf natürlich eine viel höhere Summe für eine Ent­schä­digung von Sparern bereithält, sollte es zu einer Ban­ken­pleite irgendwo kommen, klingt auf den ersten Blick gut. Das ganze noch gar­niert mit hehren Worten des „gemein­samen Hauses Europa“ soll das Gefühl von Sicherheit ver­mitteln. Das wahre Leben wird aber ganz anders ablaufen.
Die Volks­banken und Raiff­ei­sen­banken in Deutschland, die eine gut aus­ge­stattete, eigene Ein­la­gen­si­cherung haben, sind alar­miert. Ihre Rück­lagen würden eben­falls in den gemein­samen Topf ein­fließen. Die Mög­lichkeit zum Abbau der Bilanz­ri­siken bei den Banken schätzen sie eher nüchtern ein. Der stell­ver­tre­tende Vor­stands­vor­sit­zende des Genos­sen­schafts­ver­bands – Verband der Regionen e. V, Ralf W. Barkey wird auf der Genos­sen­schafts­verband-eigenen Seite zitiert: „Der Umfang der not­lei­denden Kredite bei einigen euro­päi­schen Banken ist jedoch so groß, dass ein glaub­wür­diger, nach­hal­tiger Risi­ko­abbau in abseh­barer Zeit kaum umsetzbar ist”, pro­gnos­ti­ziert Barkey. Er weist darauf hin, dass die grö­ßeren, von der Euro­päi­schen Zen­tralbank (EZB) direkt beauf­sich­tigten Kre­dit­in­stitute in Europa not­lei­dende Kredite in Höhe von ins­gesamt rund 865 Mrd. Euro in den Bilanzen haben. Das geht aus einer EZB-Sta­tistik per Ende März 2017 hervor. In Deutschland machen die Pro­blem­kredite zwar derzeit weniger als 3 Prozent des Kre­dit­vo­lumens aus. In sechs anderen EU-Ländern beträgt dieser Anteil aber über 10 Prozent. “Auf keinen Fall dürfen die Volks­banken und Raiff­ei­sen­banken zur Haftung für solche Risiken her­an­ge­zogen werden”, fordert Barkey.“ 
Die Staats­ver­schuldung in vielen Ländern, besonders in der Süd-Ost-Schiene, ist unver­mindert viel zu hoch und gemessen an deren Wirt­schafts­kraft eigentlich hoff­nungslos. Nur durch das zur Zeit sehr niedrige Zins­niveau können diese Staaten ihren Schul­den­dienst noch eini­ger­maßen bedienen. Eine Zins­er­höhung wäre für viele das Aus.
Ein großer Teil dieser Staats­schulden in den süd­lichen und öst­lichen EU-Ländern wird von den dort ansäs­sigen Banken als Staats­an­leihen auf­ge­kauft. Diese Banken, meist die schwächsten dar­unter, halten oft ein Viel­faches ihres Eigen­ka­pitals in hei­mi­schen, aber ris­kanten Staats­an­leihen. Kommen diese Staaten nun in Zah­lungs­schwie­rig­keiten, werden die Banken in den Strudel gezogen und könnten zu einem großen Teil kol­la­bieren. Pas­siert das mit meh­reren Banken in meh­reren, schwachen EU-Ländern, wird der gemeinsame Ein­la­gentopf stark bean­sprucht. Somit würde der Ein­la­gen­si­che­rungs­fonds von den schwachen EU-Ländern zuerst in Anspruch genommen. Sollte es im Zuge von Domi­no­ef­fekten auch Banken in den stär­keren EU-Ländern erwi­schen oder eine Großbank mit­ge­rissen werden, kämen die Sparer der wirt­schaftlich starken Länder, die am aller­meisten ein­ge­zahlt haben, zuletzt “dran” und bis zu dem Zeit­punkt wäre der Ein­la­gen­si­che­rungs­fonds pleite.
Reziprok bedeutet das aber, dass über­schuldete Länder, die unter der Knute der auf­er­legten Austerität ächzen, wenig Ansporn ver­spüren, eine strau­chelnde Bank mit den wenigen vor­han­denen Finanz­mitteln auf­zu­fangen. Da lässt man doch lieber die Bank fallen, die Staats­schulden, die die Bank hält, gehen prak­ti­scher­weise mit unter und der EU-Ein­la­gen­si­che­rungs­fonds zahlt die Sparer aus. Bingo.
Das ist menschlich. Erst einmal ist sich jeder selbst der nächste.
Die EZB weiß das auch. Und darum, ohne dass die Öffent­lichkeit davon viel erfährt, tüftelt die EZB an einer ganz anderen Lösung inkusive der Abschaffung der Ein­la­gen­si­che­rungs­fonds herum. Man will es durch ein ganz anderes Vor­gehen ersetzen. Der EZB schwebt offenbar vor, den Zugriff der Bank­kunden auf ihre Erspar­nisse für eine bestimmte Zeit aus­zu­setzen und diesen nur die Abhebung klei­nerer Beträge zu erlauben.“ 
Sogar bei Bankruns, und ohne dass dem betref­fenden Institut eine Insolvenz droht, sollen die Banken schließen:
Bereits seit meh­reren Monaten wird in der EU an Plänen gear­beitet, wie Banken bei einem dro­henden Bankrun für mehrere Tage ein­ge­froren werden können. Die Chefin der euro­päi­schen Ban­ken­ab­wick­lungs­be­hörde, Elke König, möchte noch einen Schritt wei­ter­gehen. Am Dienstag fordert sie, dass im Falle eines dro­henden Bankruns Banken kom­plett mit ihren gesamten For­de­rungen und Ver­bind­lich­keiten ein­ge­froren werden müssten, was nicht nur die Kunden, sondern auch die Geschäfts­partner der Bank und staat­liche Insti­tu­tionen betreffen würde.“ 
Das sind hoch­er­freu­liche Aus­sichten, die uns das gemeinsame Haus Europa beschert. Darüber, welche der beiden Mög­lich­keiten oder ob eine Kom­bi­nation von beiden das Schlimmere ist, lässt sich wohl trefflich streiten.