Fall Tellkamp: Wie die Medien Fake-News von dubiosen Recher­che­kol­lek­tiven unge­prüft übernehmen

Ist zur Hexenjagd gegen den Dres­dener Schrift­steller Uwe Tellkamp schon alles gesagt worden? Nein. Ein ent­schei­dender Fakt ist bis jetzt völlig außer Acht geblieben. Die Dis­kussion, die am ver­gan­genen Don­nerstag im Dres­dener Kul­tur­palast stattfand, wurde von einem dubiosen „Dres­dener Recher­che­kol­lektiv“ auf­ge­nommen und zusammengeschnitten.
Ein zwan­zig­mi­nü­tiger Mit­schnitt, der die angeb­lichen „popu­lis­ti­schen Ent­glei­sungen“ Tell­kamps beweisen sollte, wurde kurz nach der Ver­an­staltung ins Netz gestellt und ist offenbar die Quelle für eine Falsch­be­hauptung, die von fast allen Medien ver­breitet wurde.
Die Technik der „Recher­cheure“ bestand darin, in Über­schriften zu sug­ge­rieren, was die „Ent­glei­sungen“ von Tellkamp gewesen seien. Wenn man sich das Machwerk anschaut, stellt man fest, dass haupt­sächlich bloße Tat­sa­chen­be­schrei­bungen skan­da­li­siert werden. Schon das hätte kri­ti­schen Jour­na­listen auf­fallen müssen.
Absolut unver­zeihlich ist, dass die Medien anscheinend die Über­schriften des „Recher­che­kol­lektivs“ über­nommen haben, ohne sich die Mühe zu machen, sich anzu­hören, was Tellkamp an dieser Stelle sagt, von Fak­ten­check ganz zu schweigen.
In der Minute 12:00 erscheint die Über­schrift: „Tellkamp über­nimmt Thesen der AfD“.
Tat­sächlich spricht Tellkamp an dieser Stelle über ein Interview, das der Poli­tik­wis­sen­schaftler Jascha Mounk, der min­destens so AfD-fern ist, wie das anonyme „Recher­che­kol­lektiv“, der ARD gegeben hat. Die Dres­dener Dun­kel­männer können ARD von AfD nicht unter­scheiden, wissen nicht, wer Jascha Mounk ist, machen sich auch keine Mühe, sich zu infor­mieren, sondern hauen einfach eine Fake-News raus.
Das wirklich Erschüt­ternde an dieser Sache ist, dass die Falsch­meldung genauso unge­prüft von vielen Qua­li­täts­medien über­nommen wird. Daraus wird dann eine Ruf­mord­kam­pagne ohne jede Sub­stanz, aus reiner Schlam­perei, Faulheit, Ignoranz und Inkom­petenz – und wahr­scheinlich auch aus Voreingenommenheit.
Der Vorfall zeigt, wie erschre­ckend weit die geistige Ver­wahr­losung bei unseren Mei­nungs­ma­chern bereits fort­ge­schritten ist. Leider ist zu befürchten, dass auch aus diesem für die Qua­li­täts­medien hoch­not­pein­lichen Fauxpas keine Lehren gezogen werden. 

 


Vera Lengsfeld auf vera-lengsfeld.de