By GFreihalter - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Trennung von Kirche und Staat — Die Kir­chen­steuer ist ein Problem

Die enge Ver­zahnung von Kirchen und Staat ist ein Relikt, das beseitigt werden müsste. Und auch den Kirchen täte eine Frisch­zel­lenkur gut.
(Von C. Schneider)
Eine Serie von PR-Debakeln
Hamburg, Freiburg, Eich­stätt – die drei katho­li­schen Bis­tümer haben in den letzten Monaten Schlag­zeilen gemacht im Zusam­menhang mit dem sehr irdi­schen Mammon. Das Ham­burger Erz­bistum hat die Schließung von bis zu acht Schulen in kirch­licher Trä­ger­schaft ver­kündet – aus­ge­rechnet in sozial schwachen Gegenden. Das Erz­bistum Freiburg hat jah­relang darauf „ver­zichtet“, Sozi­al­ver­si­che­rungs­ab­gaben für gering­fügig Beschäf­tigte abzu­führen. Und in Eich­stätt hat sich ein veri­tabler Krimi abge­spielt: Zwei ehe­malige Ange­stellte des Bistums befinden sich derzeit in Unter­su­chungshaft, weil sie in den USA rund 56 Mil­lionen Dollar des Kir­chen­ver­mögens in dubiosen Immo­bi­li­en­pro­jekten angelegt hatten – und dabei wohl selber auch gut ver­dient haben.
Auch aus anderen Gründen kommen die Kirchen immer wieder in die Schlag­zeilen. Etwa im Bereich des Arbeits­rechts. Da wird geschie­denen Mit­ar­beitern gekündigt, weil sie mit einem neuen Partner zusam­men­leben. Das wäre prin­zi­piell viel­leicht noch gar nicht so pro­ble­ma­tisch, wenn man kein glü­hender Anhänger des „All­ge­meinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes“ ist. Aller­dings sind die kirch­lichen Arbeit­geber oft nicht in einer ver­gleich­baren Stellung wie ein Pri­vat­un­ter­nehmer. Häufig werden ihre Ein­rich­tungen auch in erheb­lichem Maße durch staat­liche Zuschüsse sub­ven­tio­niert und pro­fi­tieren von staat­lichen Pri­vi­legien. Umso unfairer ist es, dass sie Aus­nahmen beim Arbeits­recht machen dürfen, die einem voll­ständig pri­vaten Unter­nehmer nicht gestattet sind.
Kir­chen­steuern: das Gegenteil von Großherzigkeit
Am anschau­lichsten wird die Pri­vi­le­gierung der Kirchen bei der Kir­chen­steuer. Im Jahr 2016 hat die Katho­lische Kirche auf diesem Weg 6,15 und die Evan­ge­lische 5,45 Mil­li­arden Euro ein­ge­nommen. Das sind infla­ti­ons­be­reinigt 1,3 Mil­li­arden bzw. 600 Mil­lionen Euro mehr als vor dreißig Jahren. Und das, obwohl in der Zeit die Katho­lische Kirche 2,65 Mil­lionen Mit­glieder ver­loren hat und die Evan­ge­lische 3,49 Mil­lionen. Die schieren Zahlen sind sehr ein­drucksvoll. Nun muss man der Fairness halber sagen, dass das Ver­schwinden von Mil­lionen in dubiosen Immo­bilien in Miami und Min­nea­polis nicht der Regelfall ist. Und auch die goldene Bade­wanne des ehe­ma­ligen Bischofs von Limburg ist keine übliche Inves­tition in Kir­chen­kreisen. Ein erheb­licher Teil des Geldes wird auch durchaus begrü­ßens­werten Zwecken zugeführt.
Dennoch ist die Kir­chen­steuer ein Problem. Anders als bei einer Spende an eine wohl­tätige Ver­ei­nigung hat der Steu­er­zahler keine Kon­trolle über die Mit­tel­ver­wendung. Es fehlt auch an einer bewussten Ent­scheidung, so dass er das Geld eher miss­ver­gnügt ver­schwinden sehen wird als es mit frohem Herzen und echter Groß­zü­gigkeit zu ver­schenken. Aus reli­giöser Sicht ist das größte Problem, dass der Ärger über die Kir­chen­steuer viele zum Kir­chen­aus­tritt führt. Theo­lo­gisch gesehen ist der Aus­tritt aus einer Kirche freilich nicht ein Ver­wal­tungsakt, sondern kann eigentlich nur durch eine bewusste und dau­er­hafte Ent­scheidung des Men­schen gegen Gott geschehen. Es grenzt aus theo­lo­gi­scher Sicht an eine Per­version, dass die deut­schen katho­li­schen Bischöfe die Wei­gerung, die Kir­chen­steuer zu bezahlen, wie eine Ent­scheidung gegen Kirche und damit gegen Gott behandeln. So treibt man die Men­schen erst recht aus der Kirche.
Kirchen und Staat: Zeit für den Ein­stieg in den Ausstieg
Es wäre unsinnig bis unmöglich, die viel­fachen Ver­qui­ckungen von Staat und Kirche von heute auf morgen zu lösen. Aller­dings sollten sich beide Seiten – poli­tische und kirch­liche Akteure – darauf ein­stellen, dieses Relikt des 19. Jahr­hun­derts schritt­weise abzu­bauen und per­spek­ti­visch ganz zu besei­tigen. In dem Zusam­menhang wäre es ange­bracht, darüber nach­zu­denken, wie etwa das Steu­er­recht so gestaltet werden kann, dass Geld­zu­wen­dungen für kirch­liche Auf­gaben, die andern­falls vom Staat über­nommen werden müssten, noch viel stärker pri­vi­le­giert werden. Wobei dann freilich auch Waldorf-Schulen, isla­mische Wohl­tä­tig­keits­vereine und private Käl­te­busse für Obdachlose die gleichen Pri­vi­legien genießen sollten.
Die Ham­burger Katho­liken planen gerade genos­sen­schaft­liche Lösungen zum Erhalt der Schulen, die das Bistum schließen möchte. Die orthodoxe Kirche, viele evan­ge­lische Frei­kirchen und die aller­meisten nicht­christ­lichen Gemein­schaften in Deutschland erheben keine Kir­chen­steuern. In den aller­meisten Ländern der Welt leben die Kirchen einzig und allein von Spenden und Enga­gement ihrer Gläu­bigen. Diese aktive Ein­bindung anstelle der zwangs­weisen Ver­pflichtung kann übrigens ganz erstaun­liche Kräfte frei­setzen und ein ganz neues Gefühl der Ver­ant­wort­lichkeit und Loya­lität gegenüber der Reli­gi­ons­ge­mein­schaft erzeugen. Ein Aus­stieg aus der engen Ver­flechtung von Kirchen und Staat ist nicht nur ange­messen wegen der abneh­menden Bedeutung der Kirchen in unserem Land, sondern kann auch aus kirch­licher Sicht eine echte Chance der Erneuerung sein. Das hat schon der ehe­malige Papst Benedikt erkannt, als er – zum Ent­setzen der ver­sam­melten Berufs­ka­tho­liken Deutsch­lands – in einer Rede im Sep­tember 2011 in Freiburg feststellte:
„Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die ver­schie­denen Epochen der Säku­la­ri­sierung zur Hilfe, die zu ihrer Läu­terung und inneren Reform wesentlich bei­getragen haben. Die Säku­la­ri­sie­rungen – sei es die Ent­eignung von Kir­chen­gütern, sei es die Strei­chung von Pri­vi­legien oder ähn­liches – bedeu­teten nämlich jedesmal eine tief­grei­fende Ent­welt­li­chung der Kirche, die sich dabei gleichsam ihres welt­lichen Reichtums ent­blößt und wieder ganz ihre welt­liche Armut annimmt.“
 


Quelle: Pro­me­theus – das Frei­heits­in­stitut & TheEuropean.de