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Keine Ver­haftung: Zwei IS-Frauen in Frankfurt gelandet und auf freiem Fuß

Am Don­nerstag landete ein Flieger aus Bagdad sicher in Frankfurt. An Bord: Zwei IS-Frauen aus Deutschland und ihre drei kleinen Kinder. Sie kamen aus einem kur­di­schen Gefängnis, in dem sie die letzten Monate inhaf­tiert waren und wurden von Beamten des BKA begleitet. Ihr Fall ist eine Art Premiere.
Die Deutsch-Türkin Sibel H. aus Hessen und die Kon­ver­titin Sabine S. aus Baden-Würt­temberg hatten waren nach Syrien gereist und sollen sich dort den Kämpfern des IS ange­schlossen haben.
Weitere rund 80 deutsche Isla­misten, dar­unter Frauen und kleine Kinder, sollen sich derzeit in Nord­syrien und im Irak in Gefan­gen­schaft befinden. Einige IS-Anhänger, dar­unter Linda W. aus Sachsen und Lamia K. aus Mannheim, wurden vor Ort zu langen Gefäng­nis­strafen verurteilt.
Doch bei ihrer Landung in Frankfurt wurden die beiden IS-Frauen nicht wie geplant fest­ge­nommen. Dazu fehlte dem BKA die Handhabe, denn nach WELT-Infor­ma­tionen liegen gegen Sibel H. und Sabine S. derzeit keine Haft­be­fehle vor. Lediglich Durch­su­chungen waren den Beamten erlaubt.
Die Bun­des­an­walt­schaft, die gegen die beiden Isla­mis­tinnen ermittelt, hatte zwar Haft­be­fehle bean­tragt, aber der Bun­des­ge­richtshof ver­wei­gerte die mit der Begründung bei den beiden Frauen sei keine kon­krete Ter­ror­mit­glied­schaft oder Unter­stützung bewiesen.
Bei Sibel H. habe die Karls­ruher Staats­an­walt­schaft zwar im ver­gan­genen Jahr eine Beschwerde gegen diese Ent­scheidung ein­gelegt – sie würde die IS-Ange­hörige gerne anklagen. Bis Don­nerstag haben die Richter am Bun­des­ge­richtshof aller­dings noch kein abschlie­ßendes Urteil gefällt – die Ent­scheidung steht also noch aus.
Das Ver­fahren gegen Sibel H. hat sich zu einem Prä­ze­denzfall für deutsche Sicher­heits­be­hörden und die Justiz ent­wi­ckelt. Bislang wurden IS-Frauen in Deutschland kaum juris­tisch ver­folgt – selbst dann nicht, wenn sie sich in Syrien oder dem Irak nach­weislich dem Isla­mi­schen Staat ange­schlossen hatten.
Aus Sicht des Bun­des­ge­richts­hofes seien die Rollen beim IS klar ver­teilt – Männer würden Kämpfen, die Frauen den Haushalt und Kinder bekommen. Die Nach­richten von kämp­fenden IS-Frauen und IS-Selbst­mord­at­ten­tä­te­rinnen ist anscheinend noch nicht zu den obersten deut­schen Richtern vorgedrungen.
Und so ermitteln die Staats­an­wälte zwar gegen aus- und wieder ein­ge­reiste IS-Frauen, aber meistens gibt es nicht einmal Haft­be­fehle. Nur in drei Fällen lan­deten Dschihad-Rück­keh­re­rinnen bislang vor einem deut­schen Richter. Zwei Mal ging es um Kin­des­ent­führung, in einem Fall konnten die Ermittler eine kon­krete Ter­ror­un­ter­stützung nachweisen.
Die Deutsch-Polin Karolina R. hatte Geld und Kameras in das Kriegs­gebiet gebracht und so ihren dama­ligen Mann, den IS-Kämpfer Fared S., unter­stützt. Dafür wurde sie vom Ober­lan­des­ge­richt Düs­seldorf zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis ver­ur­teilt, die sie inzwi­schen abge­sessen hat. Sie befindet sich — samt ihrem kämp­fe­ri­schen Gedan­kengut — wieder auf freiem Fuß.
Die gestern zurück­ge­kehrte Sibel H. gilt bei den Sicher­heits­be­hörden als Mus­ter­bei­spiel einer radikale Isla­mistin. Die Deutsch-Türkin aus Offenbach reiste 2013 mit ihrem ersten Ehemann Ali S. nach Syrien. Kurze Zeit später wurde S. getötet, wor­aufhin Sibel H. nach Deutschland zurückkam um im März 2016 mit einem neuen Ehemann, dem Frank­furter Sala­fisten Deniz B, erneut in das Kriegs­gebiet zu reisen. Im letzten Jahr wurde das IS-Paar von nord­ira­ki­schen Kampf­ver­bänden auf­ge­griffen und in Erbil inhaftiert.
Nachdem durch DNA-Proben die Ver­wandt­schaft fest­stand, durfte der Groß­vater den knapp ein­jäh­rigen Sohn von Sibel H., der im ira­ki­schen Tal Afar geboren wurde, Anfang des Jahres nach Deutschland holen. Im Januar brachte die IS-Anhän­gerin Sibel H. in Gefan­gen­schaft ein wei­teres Kind zur Welt, das sie gestern mit­brachte. Um Sibel H. und ihren Nach­wuchs sollen sich nun die hes­si­schen Sicher­heits­be­hörden sowie private Bera­tungs­stellen und Sozi­al­ar­beiter kümmern. Der Vater der Kinder ist wei­terhin im Irak inhaf­tiert. (MS)
 

Quelle: JouWatch.com