Es mangelt nicht an Begründungen, um Migration als „Folge der Globalisierung“, „unvermeidlich“ und „wirtschaftlich nutzbringend“ zu beschreiben. Dabei übersehen die Experten regelmäßig, dass es so nicht gehen kann bei einem schrumpfenden vergreisenden Europa und einer Bevölkerungsexplosion vor unserer Haustür. So auch dieser Experte, den die NZZ zitiert:
- „Von 1870 bis 1913 hat etwa jeder fünfte Schwede sein Land verlassen. Die meisten emigrierten in die USA. Das hatte nicht damit zu tun, dass Schweden in dieser Zeit im Chaos versunken wäre. Vielmehr sei dieser Exodus typisch für die Entwicklung von einer traditionellen zu einer industriell geprägten Nation, sagt der Migrationsexperte Michael Clemens, der an der Washingtoner Denkfabrik Center for Global Development arbeitet.“
– Stelter: Was man da aber auch sagen muss, die Schweden, die gegangen sind, waren die dynamischeren, was die eher gleichmacherische Haltung in dem Land erklärt, wie ich auf meinem Blog schon geschrieben habe. - „Seine These lautet, dass Emigration fast immer Teil der Transformation zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Land sei. (…) Wenn es den Ländern besser ginge, würden weniger junge Menschen ihre Heimat verlassen und der Migrationsdruck auf die Industrieländer nähme ab, lautet die Hoffnung. Doch solche Versprechen müssten zu einer Enttäuschung führen (…).“
– Stelter: vor allem angesichts der Milliarden Menschen, die noch kommen können. - „Seine Forschung deutet jedenfalls darauf, dass es eine Schwelle des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens von 8000 bis 10 000 $ gibt, bis zu der wirtschaftliches Wachstum nicht zu weniger, sondern zu mehr Migration führt.“
– Stelter: Das ist aber untersucht an Ländern, deren Auswanderer sich a) in der neuen Heimat selber ernähren mussten, b) kulturell zur Aufnahmegesellschaft passten (waren ja andere Europäer) und c) sich integrieren wollten. - „(…) weshalb migrieren trotz Wachstum zunächst mehr Menschen? Dafür gibt es eine Reihe von Erklärungen: Wenn das Einkommen steigt, haben die Menschen auch mehr Mittel, um zu emigrieren, können also Schmuggler oder Visagebühren bezahlen. (…) Dazu kommt, dass die beruflichen Ambitionen der Menschen steigen, wenn mehr Personen einen Schulabschluss erwerben. Schliesslich spielt der demografische Übergang von hohen Geburten- und Sterberaten zu niedrigen eine wichtige Rolle. Er ist vorübergehend mit einem Geburtenüberschuss verbunden, bis sich die Geburten- der bereits niedrigeren Sterberate angepasst hat. Während 20 bis 30 Jahren gibt es somit viele junge und auswanderungswillige Menschen.“
– Stelter: weshalb es falsch ist, Förderung nicht an eine Begrenzung der Geburten zu binden. - „Als hilfreich sieht er etwa Programme in diesen Staaten an, die regulatorische Hürden bei der Anstellung von Personen abbauten. Auch Handelsliberalisierungen verbessern die Situation. Das ist aber die langfristige Perspektive, da es bei armen Ländern mehrere Generationen dauert, bis das Einkommen den Schwellenwert erreicht.“
– Stelter: Man muss es eben steuern, was Begrenzung zwingend voraussetzt. - „Einem Teil der Auswanderungswilligen soll schon im Herkunftsland eine Basisqualifikation vermittelt werden, die sie im Zielland sofort einsetzen können, um dort einen Engpass zu beseitigen.“
– Stelter: ja! Und vor allem setzt es ein eigenes Engagement voraus! - „Die Industrieländer sollten somit gewisse Möglichkeiten zur Migration schaffen. Dies gehe aber nur, wenn einzelne Länder nicht überfordert würden, wenn also Deutschland, Griechenland oder Italien nicht alleine gelassen würden. Die Basis der Länder, die Flüchtlinge aufnehmen, müsse verbreitert werden.“
– Stelter: Wir sind doch selbst verschuldet in der Lage, weil wir sozial-staatlich locken. - „(…) weist aber auf ein Beispiel, das zeigt, dass es auch anders geht: den Ungarn-Aufstand 1956. Innert weniger Monate waren damals 200 000 Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich gekommen. Dies entsprach 3% der Bevölkerung in einem Land, das sich noch vom Zweiten Weltkrieg erholte. Damals erklärten sich schliesslich 37 Staaten bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Alleine in die USA gingen 40 000. Einer unter ihnen hiess András István Gróf, der sich in Andrew Grove umbenannte. Ohne ihn würden wir jetzt nicht miteinander telefonieren, scherzt Clemens. Denn Grove war einer der Mitbegründer des amerikanischen Halbleiterkonzerns Intel.“
– Stelter: Und – die Ungarn erfüllten alle Kriterien, die ich genannt habe! DAS ist der Unterschied.
→ nzz.ch: „Migration gehört zur Entwicklung. Sie lässt sich nicht wegwünschen.“, 29. Juni 2018
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com