IB-Aktivisten demonstrieren gegen das NetzDG, das das Grundrecht auf Meinungsfreiheit extrem bedroht (c) IB/Twitter

Krö­ten­schlucken für die CSU: Freie Wähler reden auch mit der AfD

Nach der Bay­ernwahl ist vor dem Koali­ti­ons­ka­russell. Die Zeiten, in denen die CSU selbst­ver­ständlich allein regierte und nie­manden brauchte, sind vorbei. Das war die schmerz­haf­teste Wahl­nie­derlage seit 50 Jahren. Zehn Prozent ver­loren die Christ­so­zialen und sehen sich jetzt in der Ver­le­genheit, eine Braut zu suchen, mit der sie doch noch eine Regierung Bayerns hin­be­kommen. Nur sind sie nicht in der Situation des „Rich Daddy“, sondern der Braut­werber sieht ziemlich gerupft aus und hat ein blaues Auge. Das wird in keinem Falle eine Liebesheirat.
Die SPD ist der­artig vom Wähler zusam­men­ge­prügelt worden, dass ihr die Lust auf das Ehebett mit der CSU ver­gangen ist. Die FDP hat nur gerade eben so den Einzug in den Landtag geschafft. Sie wird die CSU nicht raus­reißen können, viel­leicht aber der Dritte im Bund sein. Bleiben also die Grünen, die Freien Wähler und die AfD.
Was tun? Die Grünen, das ist klar, sind inhaltlich so gar nicht kom­pa­tibel mit der CSU. Das wissen beide. Und jeder würde unter Stress stehen. Die CSU müsste die Inter­essen der Grünen respek­tieren und würde bei der nächsten Wahl noch mehr Watsch’n ein­fangen. Schon die jetzige Einbuße ist der man­gelnden Durch­set­zungs­fä­higkeit des Herrn See­hofer gegenüber der Kanz­lerin sowie der Rück­sicht­nahme für den unge­liebten „Sozi“-Partner geschuldet. Der boden­ständige Bayer außerhalb Mün­chens hält nicht viel von Linken und auch nichts von der Kanz­lerin. Die Grünen sind nun noch einen Tacken linker. Das würde eine kon­flikt­trächtige Part­ner­schaft werden.
Die AfD ist der Feind. Und der schärfste Kon­kurrent. Mit denen „redt mo scho glei goar ned“. Die 10 Prozent, die die AfD aus dem Stand erreicht hat, sind wahr­scheinlich zu einem Großteil ent­nervte CSU- und ein paar SPD-Wähler.
Bleiben also die freien Wähler. Deren Zuwachs speist sich auch zum Teil aus den frus­trierten Wählern der ehemals unan­ge­foch­tenen Volks­par­teien, nur wollen diese nicht gleich die AfD wählen, sondern trauen sich, für den Anfang, mal vor­sichtig an die FW heran, deren Pro­gramm dem der CSU aber auch der AfD nicht unähnlich ist. Dar­über­hinaus haben sich die Freien Wähler durch ihre bür­gernahe Arbeit und ihr Enga­gement für die echten Pro­bleme und Sorgen im Land einen guten Ruf erworben und das Ver­trauen der Bevöl­kerung. Diese Leute, so sehen es ihre Wähler, sind an Lösungen und dem All­ge­meinwohl inter­es­siert, prag­ma­tisch, unideo­lo­gisch und unvoreingenommen.
 

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Darum gab der Par­teichef der als „kon­ser­vativ“ apo­stro­phierten Freien Wähler auch gleich der mit Blu­men­strauß vor seiner Tür wer­benden CSU eine Kröte zu schlucken: Noch vor den Koali­ti­ons­ge­sprächen mit der CSU machte Hubert Aiwanger (FW) klar, dass er mit allen Par­teien reden werde, auch mit der AfD. Es müsse „das Ziel sein, unter allen Par­la­men­ta­riern einen Grund­konsens zu pflegen“.
Wie schön, da hat jemand das Prinzip der par­la­men­ta­ri­schen Demo­kratie verstanden.
Die Reaktion der CSU auf diese Ansage steht noch aus. Begeis­terung wird sie nicht aus­lösen. Doch die CSU ist nicht in der Situation, allzu wäh­le­risch sein zu können und die AfD ist auch in der neuen Par­tei­en­land­schaft kaum noch zu mar­gi­na­li­sieren. Man wird lernen müssen, sie ernst zu nehmen.
Die Freien Wähler sind nicht nur der unkom­pli­ziertere Partner, von dessen Volksnähe ein Abglanz auf die CSU abfärben könnte, sie gehen auch ein Risiko ein. Die CSU wird im Laufe der Zusam­men­arbeit ver­suchen, die besten Leute aus der Partei der Freien Wähler abzu­werben. Die Erfolgs­aus­sichten sind nicht schlecht, denn hat man einmal die Annehm­lich­keiten eines Abge­ord­neten, eines schönen Gehaltes als Staats­se­kretär oder gar eines Minis­ter­postens gekostet, wird man wahr­scheinlich schon offen für einen wei­teren Kar­rie­re­sprung sein.
Diese Gefahr des Aus­waidens der FW sieht auch ihr Gründer und Ehren­vor­sit­zender Armin Grein. Er warnte sogar offen, ins­be­sondere vor Markus Söder: „Bisher war es immer so: Wenn sich eine Partei als Koali­ti­ons­partner mit der CSU ins Bett gelegt hat, lag sie nicht sehr lange dort, sondern wurde von der CSU auf­ge­fressen.“ So sei es sowohl der FDP als auch der Bay­ern­partei ergangen. Herr Grein schätzt den ver­sierten Tak­tierer und Poli­tiker Söder „vom Naturell wie vom poli­ti­schen Agieren“ her als „zumindest eben­bürtig, wenn nicht sogar über­legen“ gegenüber Aiwanger ein und riet diesem, sich „kei­nes­falls über den Tisch ziehen zu lassen“.
 
https://www.youtube.com/watch?v=9UXssaJt1nk