Rich and Poor - Ian Wood - flickr.com CC BY-NC-ND 2.0

Zur Klage über die ungleiche Vermögensverteilung

Dieter Nuhr brachte es in seiner letzten Sendung auf den Punkt. Wie kann es sein, dass Oxfam erneut meldet, die Reichen seien reicher geworden, wo doch 2018 das schlech­teste Jahr für Ver­mö­gens­werte seit 1901 war? Egal, meinte er, Haupt­sache die Nach­richt passt in das gewünschte Nar­rativ und wird dann ent­spre­chend laut und oft zitiert. Vor allem natürlich von den öffentlich-recht­lichen Medien. 
In den ver­gan­genen Jahren habe ich regel­mäßig Kom­mentare zu diesen Studien geschrieben, weil Autoren die Wirkung unserer Geld­ordnung, der stei­genden Ver­schuldung und der Zins­po­litik der Noten­banken ver­gessen oder unterschlagen.
→ Piketty, Credit Suisse und nun Oxfam: Sym­ptome statt Ursache
In diesem Jahr hatte ich einfach keine Lust. Es lang­weilt mich und die Leser von bto, die das alle min­destens so gut wissen, wie ich. 
Deshalb heute eine Pro­fes­sorin meiner Alma Mata. Zwar ver­gisst auch sie die meines Erachtens ent­schei­dende Bedeutung von Leverage zur Erklärung der uner­freu­lichen Phä­nomene, dafür nimmt sie die Geschichten der Ungleichheit aus anderer Sicht aus­ein­ander. Der Beitrag in Cicero ist frei zugänglich. Hier die High­lights aus meiner Sicht: 

 

  • „Auf dem Papier – und somit als Basis von Sta­tis­tiken wie der­je­nigen von Oxfam – war ich mit einem Net­to­ver­mögen von je ein paar Tausend Franken bis vor wenigen Jahren nicht nur ver­mö­gens­ärmer als meine Söhne – sondern auch als fast alle Bauern in Afrika: Weil die Schulden auf dem Haus die Bewertung der Immo­bilie über­stiegen. Daneben bleiben meine künf­tigen Ren­ten­leis­tungen, teils selbst ange­spart, teils aus Ansprüchen der öffent­lichen Ren­ten­ver­si­cherung, unbe­rück­sichtigt im Ver­mögen.“
    Stelter: Da würde ich nun sagen, dass die Schulden natürlich nor­ma­ler­weise nicht den Wert des Hauses über­steigen sollten. Abge­sehen davon ver­helfen gerade die Schulden zu einem deut­lichen Zuwachs der Ver­mögen auf­grund des bereits dis­ku­tierten Leverage-Effektes. Aber was hier gezeigt wird, bestätigt nur, was immer gilt: Nimm eine Sta­tistik, die du selbst gefälscht hast.

 

  • „Als der kürzlich ver­storbene IKEA-Gründer aus der Schweiz nach Schweden zurück­wan­derte, sank auf einen Schlag die Ver­mö­gens­un­gleichheit in der Schweiz – und stieg in Schweden. Den Schweden ging es nach der Ver­grö­ßerung der Ver­mö­gens­un­gleichheit aller­dings nicht schlechter. Wenn über­haupt, dann eher etwas besser, sorgte doch der zuge­zogene IKEA-Patron für höhere Steuererträge.“
    Stelter: Köstlich!

 

  • „Die Ver­teilung der Ver­mögen wäre dann aus­sa­ge­kräftig, wenn sie die Ver­teilung des Wohl­standes wider­spie­gelte. Tut sie aber nicht, und dies selbst innerhalb eines Landes nicht. Ein paar Fakten: Zu den Ländern mit der größten Ungleichheit im Ver­mögen zählen nicht nur Russland und Indien – sondern auch Schweden und Dänemark. Deutsche Haus­halte haben im Durch­schnitt nur rund halb so viel Ver­mögen wie grie­chische Haus­halte und weniger als ein Drittel ita­lie­ni­scher Haus­halte. Gemessen an der Ver­mö­gens­ver­teilung ist Grie­chenland gerechter als Deutschland und beide Länder viel gerechter als Schweden.“
    Stelter: Wir wissen, dass dies auch mit der Art der Ver­mö­gens­anlage zu tun hat. Mehr Immo­bi­li­en­besitz erklärt es und der wie­derum pro­fi­tiert vom Leverage.

 

  • „Das Ver­mögen einer Familie kann aus zwei Gründen gering sein. Erstens, weil nach Steuern, Kran­ken­ver­si­cherung und den üblichen not­wen­digen Aus­gaben schlicht zu wenig zum Sparen bleibt. Hier geht es den ärmeren Haus­halten in den rei­cheren Ländern nicht anders als der Mehrheit in den ärmeren Gegenden der Welt, auf einem viel höheren Lebens­standard natürlich.“
    Stelter: Und das ist gerade in Deutschland ein Problem, weil den Men­schen zu wenig Geld in der Tasche bleibt und der Staat den Bürgern zu viel wegnimmt.

 

  • „Zweitens sind die Ver­mögen dann geringer, wenn größere Erspar­nisse ange­sichts der guten insti­tu­tio­nellen Rah­men­be­din­gungen und der sozialen Absi­cherung gar nicht mehr so nötig sind. Abge­sehen von den Super­reichen ist Ver­mögen kaum Selbst­zweck, sondern vor allem Vor­sorge. Im Sozi­al­staat ist die Aus­bildung der Kinder jedoch kos­tenlos, und die Bewohner sind gegen die meisten Lebens­ri­siken wie Arbeits­lo­sigkeit, Alter oder Tod gut ver­si­chert. Müssten wir ohne diese Ver­si­che­rungen aus­kommen, wären wir gezwungen, nur schon für den Inva­li­di­tätsfall mehrere Jah­res­löhne als Puffer auf die hohe Kante zu legen.“
    Stelter: Das leuchtet ein, erklärt aber nur unter­schied­liche Spar­quoten. Da bei­spiels­weise Italien und Deutschland auf dem­selben Niveau liegen, erklärt dies die Unter­schiede im Ver­mögen nicht.

 

  • „Ein funk­tio­nie­render Kapi­tal­markt, der eben­falls von staat­lichen Rah­men­be­din­gungen abhängt, sorgt zudem für den Zugang zu Kre­diten für eine breite Schicht der Bevöl­kerung. Er erlaubt den Kauf eines Hauses ohne viel Eigen­ka­pital – vor allem aber unter­neh­me­rische Akti­vi­täten, die für den Wohl­stand so zentral sind.“
    Stelter: Und bekanntlich treibt es vor allem die Ver­mö­gens­preise. Frage bleibt trotzdem, ob in Deutschland der Kapi­tal­markt so schlecht ist bzw. schlechter als in Italien. Da bin ich nicht so sicher.

 

  • „Grie­chische Haus­halte sind deshalb ‘reicher’ als deutsche und schwe­dische, weil sie sparen mussten. Als Absi­cherung gegen Schick­sals­schläge, für die Zukunft der Kinder.“
    Stelter: Sie haben aber auch mehr Immobilien.

 

  • „Erstaunlich bleibt die große Ver­mö­gens­un­gleichheit in Ländern mit mode­rater Ein­kom­mens­un­gleichheit dennoch. Auf das Bild des Ver­mögens als geron­nenes Ein­kommen will sie nicht passen. Es gibt noch einen wei­teren Grund dafür, dass die Ein­kom­mens­ver­teilung so stark von der Ver­mö­gens­ver­teilung abweicht: Indi­vi­duelle Ent­schei­dungen prägen die Ver­mögen viel stärker als die Ein­kommen.“
    Stelter: Eben die Frage nach Spar­leistung und der Anlage der Ersparnisse.

 

  • „Mess­barkeit, Insti­tu­tionen, unter­schied­liche Ent­schei­dungen: Sie alle tragen dazu bei, dass Ver­mögen ein viel schlech­terer Indi­kator für Ungleichheit ist als Ein­kommen. Ver­mögen fas­zi­nieren die Men­schen aber mehr. Die Bewertung sehr reicher Men­schen geht von bewun­dernd (Stars in Musik und Sport) bis ablehnend (Wirt­schafts­führer und Inves­toren). Dabei fallen auch die Mil­lionen Roger Federers nicht vom Himmel, sondern werden letztlich aus den Ein­tritts­geldern und TV-Gebühren der kleinen Leute bezahlt. Und der Anteil an den Super­reichen, die bereits in eine super­reiche Familie geboren wurden, ist deutlich tiefer als noch vor 20 Jahren.“
    Stelter: Auch, weil es immer schwerer ist, das Ver­mögen zu erhalten.

 

  • „Die Welt ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden: Die globale Ungleichheit der Ein­kommen ist gesunken, die Kin­der­sterb­lichkeit ist stark zurück­ge­gangen, die Lebens­er­wartung und die Schul­bildung sind gestiegen. Ist also alles gut? Nein, natürlich nicht. Die Ungleichheit in den Ein­kommen ist innerhalb der Länder gestiegen (…).“
    Stelter: Was wie­derum auch nicht über­ra­schend ist. Der Lohn­druck aus der Glo­ba­li­sierung trifft über­pro­por­tional die unteren Ein­kom­mens­gruppen. Hier wäre der Staat gefordert, gegen­zu­steuern. Aber nicht so sehr mit mehr Transfers (die ohnehin mangels Masse bei den „Reichen“ wieder die Mit­tel­schicht zahlen muss), sondern mit Inves­ti­tionen in Bildung. Bekannt, aber anstrengend. Und unser Freund Marcel F. wird dennoch weiter über die Ungleichheit klagend durch die Lande ziehen.

 


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com