Das rus­sische Fern­sehen über die Schwäche der EU und die Wahlen zum EU-Parlament

Das rus­sische Fern­sehen hat sich am Sonntag in der Sendung „Nach­richten der Woche“ mit der Situation in der EU und den bevor­ste­henden Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament befasst. Eine tref­fendere Analyse der poli­ti­schen Situation der EU habe ich lange nicht gesehen, daher habe ich den Beitrag übersetzt. 
Beginn der Übersetzung:
Wird Angela Merkel die Chefin der euro­päi­schen Regierung? Und was können die Folgen der Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament sein?

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Der Besuch des US-Außen­mi­nisters in Deutschland war mit hohen Erwar­tungs­hal­tungen ver­bunden, man erhoffte sich ein offenes und klä­rendes Gespräch. Die deutsche Regierung erlebt seit langem einen Mangel an direkter Kom­mu­ni­kation mit der Trump-Regierung, sie beschränkt sich auf böse Briefe, die der ame­ri­ka­nische Bot­schafter Grenell immer wieder schreibt. Und fast hätte es ein Gespräch gegeben. Mike Pompeo sollte sich mit Außen­mi­nister Maas treffen und dann mit Angela Merkel. Doch in Berlin hat man sich ver­geblich herausgeputzt.
„Die Absage von Pompeos Besuch passt in die diplo­ma­tisch inak­zep­table Stra­tegie der Ver­ei­nigten Staaten, die Deutschland her­aus­fordert. Die Bezie­hungen sind jetzt sehr schlecht, und auch der ame­ri­ka­nische Bot­schafter in Berlin trägt seinen Teil dazu bei. Der Diplomat droht ständig Unter­nehmen und der Bun­des­re­gierung, wie es bei Nord Stream‑2 oder den ira­ni­schen Aben­teuern der USA der Fall war“, sagte der frühere Bun­des­tags­ab­ge­ordnete Jörg Tauss.
Deutschland wird für die Tat­sache bestraft, dass es bei einer Reihe von Themen wagte, seine natio­nalen Inter­essen über die ame­ri­ka­ni­schen zu stellen. Sei es, dass Europa mehr für die NATO bezahlen soll, von den USA teures Gas kaufen soll oder den USA bei Staats­streichen helfen soll. In der Ukraine hat das gut geklappt, aber danach lief alles schief: In Syrien hat es nicht geklappt, in Vene­zuela läuft es auch nicht wie gewünscht. Also wurde beschlossen, sich wieder dem Iran zuzu­wenden und sich an die alten Erfah­rungen mit totalen Sank­tionen zu erinnern.
Nach jah­re­langen Ver­hand­lungen gab es eine Einigung über das ira­nische Atom­pro­gramm, auf die Europa so stolz war. Und jetzt kann man es weder in den Müll­eimer werfen noch stolz an die Wand hängen.
Auf dem EU-Gipfel in Rumänien wurde zu diesem Thema eine Reihe wich­tiger Erklä­rungen mit Null Inhalt abgegeben.
„Das Abkommen müssen wir bei­be­halten. Der Iran muss im Rahmen des Abkommens bleiben und wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht“, sagte der fran­zö­sische Prä­sident Emmanuel Macron.
„Je einiger Europa ist – und diese Position wird von allen hier geteilt — desto wahr­schein­licher ist es, Mög­lich­keiten zur Lösung von Pro­blemen durch Ver­hand­lungen zu erreichen“, meint Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel.
Die USA ver­bieten den Kauf von Öl aus dem Iran. Wenn euro­päische Unter­nehmen Öl aus dem Iran kaufen, werden Sank­tionen gegen sie ver­hängt, wenn sie es nicht tun, wird der Iran seine Zen­tri­fugen wieder in Betrieb nehmen. So einfach ist es. Russland und China können, wenn sie es für not­wendig halten, das Abkommen immer noch retten, aber Europa kann es nicht, denn seine Pro­bleme inter­es­sieren den Sheriff nicht.
„Die Ame­ri­kaner haben auf­gehört, die Deut­schen als Berater bei geo­po­li­ti­schen Themen ernst zu nehmen. Trump will sie mit Putin und dem chi­ne­si­schen Staatschef lösen. Und Europa wird für sich selbst ver­stehen müssen, wie sehr es eigentlich noch ein Ver­bün­deter Ame­rikas ist“, sagte der poli­tische Analyst Alex­ander Rahr.
Die Idee der trans­at­lan­ti­schen Einheit zeigt neue Anzeichen eines poli­ti­schen Bank­rotts, und die Trägheit der Büro­kraten, die als euro­päische Eliten mit guten Gehältern auf ihren Posten sitzen, ist nicht in der Lage, sich bei Freunden oder Feinden noch Respekt zu ver­dienen. Der einzige Ausweg ist, die Eliten aus­zu­tau­schen. Und die bevor­ste­henden Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament Ende Mai könnten ein ernst­hafter Schritt in diese Richtung sein. Die Euro­päische Volks­partei, die kon­ser­vative Kräfte wie die in Deutschland regie­rende CDU und ihre Ver­bün­deten umfasst, und auch die euro­päi­schen Sozia­listen laufen Gefahr, die qua­li­fi­zierte Mehrheit zu verlieren.
Die Partei „Vor­wärts, Republik!“ von Macron hat bereits zu Beginn des Wahl­kampfes eine kleine Kata­strophe erlebt. Wenn man die aktu­ellen Beliebt­heits­werte des Prä­si­denten berück­sichtigt, und bei den euro­päi­schen Wahlen spielen die Gelb­westen auch eine Rolle, kann alles noch schlimmer werden. Die von Macron gegründete Partei posi­tio­niert sich als Sozi­al­li­beral. Aber Macron hat sich immer noch nicht fest­gelegt, wo er sich posi­tio­nieren will: Ob in die Mitte, bei den Sozia­listen oder den Libe­ralen oder den Grünen. Die Antwort auf diese poli­tische Schwäche ist ein Ultimatum.
„Die Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament müssen eine Volks­ab­stimmung für oder gegen Emmanuel Macron werden. Und in diesem Fall sollte er es wie General de Gaulle machen: Wenn er ver­liert, muss er gehen“, sagte Marine Le Pen, Mit­glied der fran­zö­si­schen Natio­nal­ver­sammlung und Chefin der Partei „Front National“.
Die Rechts­extremen und Euro­skep­tiker haben Ober­wasser. Ihre Führer ziehen von Land zu Land, um ein starkes Gegen­ge­wicht zu den euro­zen­tri­schen Kräften zu schaffen. Eine Mehrheit zu bekommen ist unwahr­scheinlich, aber trotzdem kann viel passieren.
„Leider hat Europa nach wie vor die schäd­liche Tendenz, die Inte­gration zu ver­tiefen, nationale Sou­ve­rä­ni­täten auf­zu­geben und zu ver­suchen, die Ver­ei­nigten Staaten von Europa zu erschaffen. Um der Ent­wicklung ent­ge­gen­zu­wirken, plane ich, ein großes Bündnis mit Matteo Salvini, Marine Le Pen und Hans-Christian Strache zu bilden“, sagte Jörg Meuthen, ein füh­render Poli­tiker der Partei „Alter­native für Deutschland“.
Marine Le Pen erwartet, die pol­ni­schen Natio­na­listen, die in War­schau regieren, ins rechte Bündnis zu holen und dabei die Mei­nungs­ver­schie­denheit über die Politik gegenüber Russland aus­zu­klammern. Der ita­lie­nische Innen­mi­nister Matteo Salvini und der öster­rei­chische Vize­kanzler Christian Strache ver­suchen, die Partei des unga­ri­schen Pre­mier­mi­nisters Orban aus dem Lager der Zen­tristen herüberzuziehen.
Orban, ein radi­kaler Gegner der Migra­ti­ons­po­litik von Merkel und der Euro­päi­schen Union, wehrt sich kaum: Nach den Wahlen werden neue Exe­ku­tiv­gremien der EU gebildet. Der Chef der Zen­trums­fraktion, Manfred Weber, der das Amt des Chefs der Euro­päi­schen Kom­mission anstrebt, ver­är­gerte die Ungarn sehr.
„Kan­didat Weber erklärte, dass er nicht Vor­sit­zender der Euro­päi­schen Kom­mission sein wolle, wenn die Ungarn für ihn stimmen würden. Das ist eine sehr gefähr­liche Aussage und eine sehr seltsame Position“, glaubt Orban.
Es wird gesagt dass es gefährlich ist, als Poli­tiker mehr als 10 Jahre in Brüssel zu ver­bringen, man
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ver­liert den Bezug zur Rea­lität. Manfred Weber, der Vor­sit­zende der Euro­päi­schen Volks­partei im Euro­päi­schen Par­lament, ist dort bereits 15 Jahre. Er ist ein abso­luter Trans­at­lan­tiker. Viele emp­finden seine Kan­di­datur, gelinde gesagt, unver­ständlich, zum Bei­spiel der grie­chische Pre­mier­mi­nister Tsipras findet ihn einfach unge­eignet. Er ist ein Niemand. Doch die Euro­zen­tristen haben noch einen Joker im Ärmel.
„Die euro­päische Elite hat große Angst, dass Europa wirklich geschwächt wird, dass die Idee, eine poli­tische Union auf­zu­bauen und sogar die Erhaltung dieser Union in großer Gefahr ist. Und sie brauchen einen Führer, einen starken, der sie retten kann. Weder Junker, noch Tusk, noch Weber, der es jetzt ver­sucht, können das leisten. Aber die deutsche Kanz­lerin Merkel könnte es schaffen“, sagte Alex­ander Rahr.
Merkel als Chefin der Euro­päi­schen Kom­mission. Jean-Claude Juncker sagte öffentlich, er sehe sie als seine Nach­fol­gerin, was bedeutet, dass es sich nicht mehr um reine Fiktion handelt: Von Berlin nach Brüssel wechseln, Deutschland in der Obhut ihres Schütz­lings Kramp-Kar­ren­bauer zurück­lassend. Zwei deutsche Frauen in Schlüs­sel­po­si­tionen in Europa. Eine schwin­del­erre­gende Wendung. Früher war das wegen London unmöglich, aber jetzt, da Groß­bri­tannien schon mit einem Bein außerhalb der EU steht, ist alles anders. Und obwohl dieses Sze­nario viele Gegner hat — die Rechte wird ver­zweifelt dagegen kämpfen‑, kann es eigentlich nur von einer Person ver­hindert werden, von Angela Merkel.
Rente oder ein zweites Leben in der Politik? Das ist ein sehr hartes Leben. Die Min­dest­aufgabe besteht darin, die Euro­päische Union durch die Trump-Ära zu führen, in der Hoffnung, dass sie nicht allzu lange dauert. Merkel sagte einmal, sie habe nicht die Absicht, in Brüssel zu arbeiten. Aber das kann sich „unter dem Druck außer­ge­wöhn­licher Umstände“ ändern und die aktuelle Situation kann so bezeichnet werden. Anfang Juni ist ein Treffen der Par­tei­größen der regie­renden CDU geplant, bei dem sehr wichtige Erklä­rungen abge­geben werden könnten.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Vor allem Putins Sicht auf Europa und seine Ziele in Bezug auf die EU und das Ver­hältnis zu Russland, sind ein großes Thema, das für viele Men­schen ganz uner­wartete Schwer­punkte hat.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“