Innen und außen wenig attraktiv – Das Ver­sagen Lindners und das Elend der Liberalen

Von Peter Helmes

  • „Schöne“ Köpfe ersetzen kein attrak­tives Programm
  • Beide rekla­mieren für sich die Erb­schaft des Liberalismus

Beide stehen ja in einem gewissen Maße in der Erb­schaft des Libe­ra­lismus. Aber wegen einer dif­fusen Auf­fassung vom Begriff Libe­ra­lismus stehen beide mehr oder weniger als Erb­feinde gegenüber. Ver­ein­fa­chend aus­ge­drückt: Die FDP ver­körpert eher den rechten oder wirt­schafts­li­be­ralen Teil des libe­ralen Gedan­ken­gutes – und die Grünen eher den linken Part, den bür­ger­recht­lichen, den auf Rechte von Min­der­heiten bezo­genen und dergleichen.
Von daher gibt es, obwohl es in der Wäh­ler­schaft gar nicht so riesige Über­lap­pungen gibt, sozu­sagen eine natür­liche Kon­kurrenz. Und da die Grünen derzeit eine viel höhere Beachtung bei den Wählern erfahren als die Libe­ralen, fühlt sich die FDP offen­sichtlich gedrängt, sich an den Grünen abzuarbeiten.

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Christian Lindner wird nicht müde, das Schreck­ge­spenst eines öko­lo­gi­schen Auto­ri­ta­rismus an die Wand zu malen und vor hys­te­ri­schen Kli­ma­ak­ti­visten und der Hyper­moral der Grünen zu warnen. Dabei weist er zu Recht mit bei­ßendem Spott darauf hin, dass die Grünen Gefahr laufen, so etwas wie eine Partei der Bevor­mundung zu werden. Das darf man zwar getrost „Stig­ma­ti­sierung“ nennen, aber dadurch wird dieser Angriff nicht falsch.
„Partei der Bevormundung“
Die Grünen ver­suchen derweil, ein Stück davon zu über­winden und eine offenere Ansprache hin­zu­kriegen. Den öffent­lichen Gesichtern der Grünen, vor allem Habeck, gelingt das meistens auch, aber der Partei hängt das natürlich schon ein bisschen an. Und das ist auch keine Erfindung der poli­ti­schen Kon­kurrenz; denn wenn die FDP auf der einen Seite das Problem hat, dass man Freiheit zu sehr mit Wirt­schaft und Auto­fahren asso­ziiert, dann haben die Grünen das Problem, dass bei ihnen die Freiheit des Anders­den­kenden durch ein geradezu „her­aus­ge­hängtes“ Übermaß an Poli­tical Cor­rectness an Grenzen stößt. Die FDP hin­gegen darf dabei nicht ver­gessen, darüber nach­zu­denken, wie weit die Freiheit des Ein­zelnen denn gehen kann – und in einer glo­ba­li­sierten Welt gehen darf.
The­ma­tisch ver­sucht der eine den anderen am Nasenring durch die poli­tische Arena zu führen. So ist es den Grünen wie auch den Demons­tran­tinnen der „Fridays for future“-Kundgebungen zu ver­danken, dass das Thema Kli­ma­schutz so dominant geworden ist, dass sich nun selbst die FDP dazu posi­tio­nieren muss. Bisher gehörte das Thema ja nicht unbe­dingt zu den Kern­kom­pe­tenzen der Partei, doch die gesell­schaft­liche Beachtung ist inzwi­schen so groß, dass die Libe­ralen das Thema nicht mehr igno­rieren können und ihre eigenen Lösungen dazu finden müssen.
Wider einen öko­lo­gi­schen und ideo­lo­gi­schen Auto­ri­ta­rismus der Grünen
Die Antwort der FDP ist dabei kaum über­ra­schend: Der Markt soll es richten. CO2-Zer­ti­fi­ka­te­handel, För­derung von Tech­no­logien zur CO2-Ver­meidung und Spei­cherung. Ob das die rich­tigen Instru­mente sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Was ja genau Ziel der Partei ist, wie der wie­der­ge­wählte Par­teichef Lindner betonte. Mit sach­lichen Argu­menten über poli­tische Lösungen streiten und dabei den besten Kom­promiss finden.
Der FDP geht es dabei vor allem auch darum, sich als eine Alter­native zu den Grünen zu prä­sen­tieren, die Lindner mehrfach als Ver­bots­partei dar­zu­stellen ver­suchte. Er warnte gar vor einem öko­lo­gi­schen Autoritarismus.
„Wir wollen dem grünen Zeit­geist nicht nachgeben“
Ob es um das Wohnen, die Umwelt oder die Rente gehe – für die Freien Demo­kraten könne eine Lösung nur eine markt­wirt­schaft­liche sein, sagte denn auch die bis­herige Stell­ver­tre­tende Par­tei­vor­sit­zende Marie-Agnes Strack-Zim­mermann. Der Zeit­geist, der grün ange­strichen sei, fühle sich zwar gut an, löse aber keine Probleme.
Die eigent­liche liberale Her­aus­for­derung liegt jedoch auf einer anderen Ebene: Die Partei muss einen Weg finden, den Libe­ra­lismus als Idee neu zu erklären. Die Libe­ralen waren in der Wahr­nehmung der Wähler nie so bedeutend wie Kon­ser­vative oder Sozia­listen. Aber wenn der Libe­ra­lismus seinen Platz behaupten will, muss er weit oberhalb der Ebene der Tages­po­litik seine Prin­zipien und sein Men­schenbild erklären. Ob das Christian Lindner schafft, ist noch immer eine offene Frage – auch nach dem gerade abge­lau­fenen Parteitag.
Aber Vor­sicht! Das Bemühen, sich von den Grünen abzu­grenzen, der „Partei der mora­li­schen Über­le­genheit und Emotion“ – dieses Bild zeichnete Lindner in seiner Rede – darf nicht dazu führen, dass die Freien Demo­kraten zu einem emo­ti­ons­losen, kalten Monster werden, das immer nur die Instru­mente des Marktes als Lösung vor sich her trägt.
Der mora­lische Zei­ge­finger der Grünen stört Lindner. Richtig! Er über­sieht aber, dass ein bisschen mehr mora­li­sches Denken den Libe­ralen auf diesem Feld gut­täten. Lindner sieht durch die Kli­ma­de­batte die Freiheit des Ein­zelnen in Gefahr. Weniger fliegen können, weniger Fleisch essen können, hohe Strom­preise – all das schränke den Ein­zelnen ein. Es ist wie bei dem Märchen vom Hase und dem Igel. Der FDP darf was ein­fallen, da kommen die Grünen und sagen „Ätsch, haben wir schon“. Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob die Grünen ihren der­zei­tigen Glaub­wür­dig­keits­vor­schuss werden halten können, wenn sie mal regieren müssen.
Lindner muss höl­lisch auf­passen, dass er den Schein nicht mit dem Sein ver­wechselt. Er ist zu sehr Selbst­dar­steller – und gefällt sich augen­scheinlich in dieser Rolle. Dabei läuft die Partei aber Gefahr, unter Lindner in einen pro­gram­ma­ti­schen Leerlauf zu fallen. Es wird bei ihm nie deutlich, ob er und seine Libe­ralen ein zukunfts­fä­higes Gegen­modell vor­weisen können, das Ecken und Kanten hat und nicht nur wohl­klin­gende Wort­hülsen vorstellt.
Die gerade von der FDP rekla­mierte „freie Gesell­schaft“ braucht über­zeu­gende, rea­li­sierbare Angebote zu all den auto­ri­tären Ideen, von denen die Grünen wie­derum nicht frei sind. Da aber macht Lindners FDP zu wenig aus sich. Wenn sie wieder stärker werden soll, muss sie ihr Potential besser nutzen. Den großen Wurf einer neuen Erzählung frei­heit­licher Weit­sicht gegen eine angeb­liche popu­lis­tische Eng­stir­nigkeit lie­ferte die FDP noch nicht.
Die Mätzchen des Großen Vorsitzenden
Für Mätzchen, wie sie Lindner auf dem Par­teitag krampfhaft lie­ferte, ist da kein Platz:
Mit ein paar Brocken Chi­ne­sisch wollte der Par­tei­vor­sit­zende Lindner einen Akzent setzen: Die Politik müsse deutsche Unter­nehmen ange­sichts der auf­stre­benden Wirt­schafts­macht China stärken. Hinter dem Red­nerpult vier chi­ne­sische Schrift­zeichen: 经济政策 – „Wirt­schafts­po­litik“.
„Diese Sprache ist ein Brocken und deshalb emp­fehle ich, dass wir alles dafür tun, damit es sich für die Chi­nesen wei­terhin lohnt, auch Deutsch und Eng­lisch zu lernen“, so Lindner. Dafür brauche es das Zukunfts­konzept der Libe­ralen: Bessere Bildung, Unter­neh­mer­geist fördern, Steuern senken. Was sollte denn das? Das ist doch wohl eher Theater denn ernst­zu­neh­mende Politik!
Die FDP will zumindest verbal wieder zu ihrem Mar­kenkern zurück­finden, nämlich der (Markt-)Wirtschaftspolitik, und sich damit deutlich vom grünen Haupt­kon­kur­renten abgrenzen. Das Problem: Ohne die Grünen gibt es derzeit keine Macht­option für die FDP. Und ohne Aus­sicht auf eine Macht­option ver­harrt die FDP aber in Sta­gnation und Daueropposition.
Eine eigentlich nicht wei­ter­füh­rende Rand­be­merkung sei gestattet: Per­sonell hat sich FDP-Chef Christian Lindner als dyna­mi­sches, attrak­tives Gesicht einer erneu­erten FDP posi­tio­niert – derzeit aber kommt Grünen-Chef Robert Habeck noch dyna­mi­scher und attrak­tiver daher. Ich erwähne es, weil so mancher (poten­tielle) Wähler sich von Gesichtern beein­drucken lässt.
Zurück zur pro­gram­ma­ti­schen Ebene:
„…Liberale Poli­tiker in aller Welt setzen sich uner­müdlich für den Schutz per­sön­licher Frei­heiten, der Men­schen­rechte und der Würde des Men­schen ein. Der Libe­ra­lismus hat eine lange und wichtige Tra­dition und gesell­schaft­lichen wie wirt­schaft­lichen Fort­schritt ermög­licht“, heißt es voll­mundig auf „portal liberal“ vom 25.11.14. Bei genauerem Hin­sehen klaffen da aber Anspruch und Wirk­lichkeit noch weit auseinander:
Zum Bei­spiel Frauenquote:
Nur jedes fünfte FDP-Mit­glied ist eine Frau. Nur CSU und AfD haben einen noch gerin­geren Frau­en­anteil. Mit den libe­ralen Ziel­vor­gaben will Par­teichef Lindner jetzt sein Frau­en­problem lösen. Doch die Debatte auf dem Par­teitag zeigt, wie sehr hier die Mei­nungen in der Partei auseinandergehen.
Mehr Wäh­le­rinnen und mehr Frauen in der Partei, so lautet das erklärte Ziel. Doch über den Weg dorthin wird kräftig gestritten. Den einen gehen die geplanten Ziel­vor­gaben zu weit, den anderen dagegen nicht weit genug. Die Quo­ten­de­batte drohte die Partei zu spalten. Sie stehe hier für viele Frauen aus der Partei, erklärte etwa die NRW-Dele­gierte Anna-Tina Pannes. „Und ich sage Ihnen: Wir wollen diese Quote nicht“, lehnte sie die Pläne der Par­tei­spitze ab. Die Kri­tiker der Frau­en­för­derung sehen darin einen Verstoß gegen das liberale Leistungsprinzip.
Am Ende bleibt es schließlich bei dem Kom­promiss. „Ziel­vor­gaben sind gerade keine Quote“, kämpft die neue Gene­ral­se­kre­tärin Linda Teu­teberg ener­gisch dafür, dass die FDP nicht wei­terhin vor allem eine Män­ner­partei bleibt. „Lasst es uns aus­pro­bieren, aber lasst uns keinen Zweifel daran auf­kommen lassen, dass es uns ernst ist“, wirbt sie am Schluss der Debatte für die umstrit­tenen Ziel­vor­gaben. Der geneigte Zuhörer fühlt sich im Kreis rum­ge­führt und weiß am Schluss nicht mehr, was sie denn nun eigentlich wollen, die Liberalen.
FDP-Euro­pa­li­berale Nicola Beer – mit einem blauen Auge davongekommen
Um die anste­henden Euro­pa­wahlen ging es erst zum Ende des Par­teitags. Spit­zen­kan­di­datin Nicola Beer griff das Thema China wieder auf:
„Ver­trauen wir weiter dem Markt? Oder setzen wir beein­druckt von China auf den Staat? Wollen wir wirklich eine Indus­trie­po­litik à la Alt­maier, in der selbst die Auto­in­dustrie das Elek­troauto nur baut, wenn es Hilfen vom Staat gibt? Das kann doch nicht unsere Antwort sein.“
Nach der Rede höf­licher Applaus, aber keine Begeis­terung. Beer geht geschwächt in den Wahl­kampf. Die schei­dende Gene­ral­se­kre­tärin sicherte sich zwar einen Posten als stell­ver­tre­tende Par­tei­vor­sit­zende. Aller­dings mit einem schwachen Ergebnis von nur 59 Prozent. Ermu­tigend für den Euro­pa­wahl­kampf war das nun nicht gerade.
Fazit
„Willst Du mit den großen Hunden pinkeln, musst Du wenigstens das Bein hoch genug heben können“, lautet eine alte Volks­weisheit. Voilà:
Die FDP sucht ihren Kurs bei den Themen der Moderne und wird dabei lang­fristig mehr liefern müsse als die Antwort, der Markt werde schon alles regeln.
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Peter Helmes´ ceterum censeo:
Am 26. Mai sind Europawahlen.
Auf­rechte Demo­kraten werden Die Grünen (EFA) nicht wählen.
Bitte daran denken!
Herz­liche Grüße!
P. H.

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