By DALIBRI - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Wegen Untä­tigkeit der EU: Iran setzt zwei Teile des Atom­ab­kommens aus

Der Iran hat ange­kündigt, Teile des Atom­ab­kommens aus­zu­setzen. Was bedeutet das und wie stellt es die deutsche Presse dar?
Das Atom­ab­kommen wurde 2015 nach langen Ver­hand­lungen geschlossen. Der Iran hat sich darin ver­pflichtet, sein Atom­pro­gramm ein­zu­stellen und im Gegenzug sollten die Sank­tionen gegen den Iran abge­schafft werden. Der Iran hat sich seitdem an das Abkommen gehalten, niemand wirft ihm vor, es ver­letzt zu haben.
Trotzdem haben die USA den Vertrag gebrochen. Sie sind nicht etwa aus dem Abkommen „aus­ge­stiegen“, wie deutsche Medien es gerne for­mu­lieren, sondern sie haben es gebrochen, denn ein solcher ein­sei­tiger Aus­stieg war laut Vertrag gar nicht möglich.
Aber damit nicht genug. Als die USA vor einem Jahr diesen Ver­trags­bruch ver­kündete, konnte man sogar bei der Tages­schau Fol­gendes dazu lesen:

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„Am 20. Juli 2015 saßen sie damals im UN-Sicher­heitsrat, dem mäch­tigsten Gremium der Ver­einten Nationen, und stimmten darüber ab, was zwölf lange Jahre zuvor aus­ge­handelt wurde. 15 Hände gingen nach oben damals. Ein­stimmig ange­nommen. Dass die USA dieses Abkommen jetzt ein­seitig auf­kün­digten, ist ein klarer Verstoß gegen eine gültige UN-Reso­lution. Es ist der Bruch gel­tenden Rechts.“
Es handelt sich bei dem „Aus­stieg“ der USA aus dem Atom­ab­kommen also nicht „nur“ um einen Ver­trags­bruch, sondern um einen Bruch des Völ­ker­rechts. Das aber haben die Medien heute in diesem Zusam­menhang längst ver­gessen, wenn sie vom „ein­sei­tigen Aus­stieg“ der USA reden.
Dieser Völ­ker­rechts­bruch der USA dürfte in erster Linie dem Ein­fluss von Trumps Schwie­gersohn geschuldet sein, der von Trump zum Nahost-Beauf­tragten ernannt wurde. Kushner, der Schwie­gersohn von Trump, ist ein lang­jäh­riger, enger per­sön­licher Freund von Israels Minis­ter­prä­sident Netanjahu, und er macht im Nahen Osten eine ein­seitig pro-israe­lische Politik. Daher auch die Ver­legung der US-Bot­schaft nach Jeru­salem und die Aner­kennung der israe­li­schen Besetzung der Golan­höhen durch die USA. Und darin dürfte eben auch der Bruch des Atom­ab­kommens begründet sein.
Nach diesem Ver­trags­bruch durch die USA war es die Ver­ant­wortung vor allem der Europäer, das Abkommen und damit die Ein­haltung des Völ­ker­rechts zu schützen. Die US-Sank­tionen sorgten dafür, dass die welt­weiten Sank­tionen de facto wieder ein­ge­führt wurden. Das bedeutete, dass der Iran de facto das Abkommen ein­seitig ein­hielt, indem er auf sein Atom­pro­gramm wei­terhin ver­zichtete, aber wieder strengen Wirt­schafts­sank­tionen aus­ge­setzt war. Hier hätten sich die Europäer gegen die Sank­tionen stemmen und sie igno­rieren müssen, was sie aber nicht getan haben.
Wichtig wäre in erster Linie gewesen, den Zah­lungs­verkehr mit dem Iran auf­recht zu erhalten, denn euro­päische Banken wei­gerten sich aus Angst vor Strafen der USA, den Zah­lungs­verkehr zu erhalten. Ohne Bezahlung ist aber Handel unmöglich. Die EU hat auf dem Papier reagiert und im Januar endlich Instex geschaffen, eine Art Tausch­börse, die keinen Zah­lungs­verkehr durch­führt, sondern nur ver­rechnet. Das war aber nicht ausreichend.
Damit war der Handel zwi­schen der EU und dem Iran prak­tisch tot und die EU ist damit trotz aller schönen Worte, das Atom­ab­kommen erhalten zu wollen, den US-Sank­tionen gefolgt.
Ver­trags­par­teien des Atom­ab­kommens sind der Iran, die USA, Russland, China, Groß­bri­tannien, Frank­reich und Deutschland. Außer den USA wollen alle Par­teien das Abkommen erhalten, auch wenn die EU außer schönen Worten nicht viel getan hat. Russland hat diese „Feigheit der EU“ mehrmals scharf kri­ti­siert.
Nun also hat der Iran, nachdem er ein Jahr lang still gehalten hat, ange­kündigt zu reagieren. Seine Reaktion ist dabei aus­ge­sprochen zurück­haltend, er will nur zwei Punkte des Abkommens aus­setzen: Es geht dabei um die Beschrän­kungen der Lagerung von ange­rei­chertem Uran und schwerem Wasser.
Auch hier gibt der Iran jedoch den anderen Ver­trags­par­teien 60 Tage Zeit, ihren Teil der Ver­ein­ba­rungen endlich umzu­setzen, er würde seinen Teil sofort wieder ein­halten. Dies ist als Ansage an die EU zu ver­stehen, denn die USA wollen das Abkommen gar nicht ein­halten und Russland und China haben den Handel mit dem Iran nicht ein­ge­schränkt, das hat nur die EU getan. Wenn die EU das Atom­ab­kommen also erhalten will, dann wird es höchste Zeit, nach einem Jahr den schönen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Die EU denkt aber gar nicht daran. Schon gestern hat Frank­reich mit­ge­teilt, dass die EU ihre Sank­tionen wieder auf­nehmen könnte, wenn der Iran das Abkommen nicht auch wei­terhin voll­ständig umsetzt.
Nun stehen Politik und Medien in Deutschland vor dem Problem, dies der Bevöl­kerung ver­kaufen zu müssen. In einer ersten Reaktion berichtet der Spiegel noch weit­gehend korrekt, das wird sich in den nächsten Tagen ändern, wenn man sich auf das offi­zielle „Wording“ ver­ständigt hat. Lediglich in zwei Punkten schreibt der Spiegel schon die Unwahrheit. So schreibt er Spiegel:
„Die USA hatten das Abkommen 2018 ein­seitig auf­ge­kündigt und umgehend Wirt­schafts­sank­tionen erlassen.“
Wie gesagt, gab es die Mög­lichkeit einer ein­sei­tigen Kün­digung nicht, es handelt sich um einen Bruch des Völ­ker­rechts. Aber dass die USA Ver­träge und sogar das Völ­ker­recht einfach brechen, wenn sie ihnen nicht mehr gefallen, kommt einem Spiegel-Redakteur natürlich nicht über die Lippen.
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Weiter schreibt der Spiegel:
„Die Euro­päische Union richtete sogar einen eigenen Finan­zie­rungs­me­cha­nismus ein, um Sank­tionen der USA gegen Iran zu umgehen, damit der Deal erhalten bleibt.“
Nur ist Instex aber kein „Finan­zie­rungs­me­cha­nismus“, sondern eine Tausch­börse, die nicht funk­tio­niert. Aber da der Spiegel das nicht erwähnt, wird beim Leser der Ein­druck erweckt, die EU habe alles getan, was sie konnte, und der Iran steigt trotzdem aus dem Abkommen aus. Der Spiegel schiebt also die Schuld schon mal dem Iran zu, obwohl sie bei der EU liegt, die ihre Ver­pflich­tungen aus dem Abkommen, vor allem im Bereich Öl und Banken, nicht erfüllt hat. Die offi­zielle Erklärung des Iran enthält denn auch fol­genden Teil:
„Der Iran zeigte im ver­gan­genen Jahr maximale Selbst­be­herr­schung und gab anderen Par­teien beträcht­liche Zeit, um die Aus­wir­kungen der US-Sank­tionen zu kompensieren.“
Ein ein­deu­tiger Sei­tenhieb auf die Untä­tigkeit der EU.
Der Iran teilte weiter mit, dass er, wenn die „anderen Ver­trags­par­teien“, also vor allem die EU, nach Ablauf der 60-Tages-Frist ihren Teil der Ver­ein­barung nicht umsetzen, wieder mit der Anrei­cherung von Uran beginnen wird.
Nun liegt es an der EU, zu zeigen, ob sie das Abkommen tat­sächlich erhalten will, oder ob sie als Schoß­hündchen der USA vor Washington kuschen wird. Aber es dürfte klar sein, dass Letz­teres ein­tritt. Die Folgen für die Situation im Nahen Osten dürften ver­heerend sein.
Der Iran hat genau ein Jahr still gehalten, denn die USA haben ihren Ver­trags­bruch am 8. Mai 2018 ver­kündet. So viel Geduld hat vor einem Jahr niemand erwartet, die Ana­lysten haben eine Reaktion des Irans bereits nach sechs Monaten im November erwartet.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“