Das Minsker Abkommen wurde im Februar 2015 unterzeichnet und seit dem hören wir in den deutschen Medien immer wieder, dass Russland dieses Abkommen umsetzen müsse, bevor die Sanktionen aufgehoben werden können. Das ist insofern interessant, weil Russland in dem Abkommen mit keinem Wort erwähnt wird und auch gar nicht als Partei unterschrieben hat. Wie man aber ein Abkommen erfüllen soll, in dem keine Forderungen an einen gestellt werden und das man nicht einmal unterschrieben hat, bleibt ein Geheimnis der deutschen Medien und der Politik. Die Details zu dem Abkommen finden Sie hier.
Auch die deutsche Regierung behauptet ständig, dass Russland das Abkommen erfüllen müsse, bevor die Sanktionen aufgehoben werden können. Auf Nachfrage waren die Regierungssprecher bei der Bundespressekonferenz aber nicht in der Lage, mitzuteilen, gegen welchen der nur 13 Punkte des Abkommens Russland denn verstößt. Die Ratlosigkeit der Regierungssprecher in dem Video wäre amüsant, wenn es nicht so traurig wäre.
Dass hingegen Kiew das Abkommen nicht umsetzt, indem es auch nach über vier Jahren noch immer gegen neun der 13 Punkte verstößt, liest man in Deutschland nie. Und wer es behauptet, der ist wahlweise Verschwörungstheoretiker oder russischer Propagandist. Oder am besten gleich beides.
Dabei hat Kiew es immer wieder auch öffentlich abgelehnt, die eingegangenen Verpflichtungen umzusetzen. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Alexander Daniljuk, hat dem ukrainischen Portal „lb“ ein Interview gegeben, über das die TASS berichtet hat. Dort sagte er:
„Im Prinzip wollen wir Minsk vollständig umsetzen, das ist in unserem Interesse. Wir wollen die Gebiete integrieren und ich denke, dass wir dazu bereit sind. 2014 wäre das tödlich gewesen, wir hätten das als Land nicht überstanden, das hätten wir nicht gekonnt.“
Weiter meinte er, dass ein Teil der nötigen Gesetze schon angenommen seien:
„Für den Sonderstatus wurde abgestimmt“
Das stimmt nur zum Teil, denn in dem ukrainischen Gesetz wurde, entgegen der Vereinbarung von Minsk, dieser Sonderstatus nur vorübergehend beschlossen. Laut Minsk soll er aber dauerhaft gelten und in der ukrainischen Verfassung festgeschrieben werden. Im übrigen wurde das Gesetz zwar verabschiedet, ist aber nie in Kraft getreten.
Außerdem sprach sich Daniljuk für eine UNO-BLauhelmmission im Osten der Ukraine aus.
Auf die Frage des Reporters, ob die Ukraine sich dabei nicht eine Enklave schaffe die in ihrer „Weltsicht“ gegen die Ukraine eingestellt sei, antwortete Daniljuk:
„Ich bin ein Verfechter des Fortschritts. Ich rede davon, was wie im Minsker Abkommen vereinbart wurde. Es gibt im Osten der Ukraine ein paar Führer, aber die kann man nicht nur mit militärischen Mitteln besiegen. Wenn wir der Bevölkerung zeigen, dass wir bereit und in der Lage sind, für sie zu sorgen, können wir die Propaganda zur Seite schieben. Die Stärke eines Landes wird nicht nur in seiner Armee gemessen. Die Politiker und der Staatsapparat müssen auch ihre Funktion erfüllen, anstatt sich immer nur hinter der Armee zu verstecken.“
Das sind mal ganz neue Töne aus Kiew, denn sonst werden die Menschen in den Rebellengebieten meist nur als „Terroristen“ bezeichnet. Das Problem ist, dass dieser Plan trotzdem schwer umzusetzen sein wird, denn seit nun über vier Jahren hat Kiew über die Gebiete eine Hungerblockade verhängt und die Menschen werden von humanitärer Hilfe aus Russland versorgt. Die OSZE berichtet über die Transporte jedes Mal in Sonderberichten, inzwischen waren es über 80 LKW-Konvois aus Russland, die Lebensmittel und Baumaterial für notdürftige Reparaturen der Kriegsschäden geliefert haben.
Ob die Menschen in den Gebieten nach all dem bereit sind, Kiew noch einmal zu vertrauen, ist die große Frage. Aber in jedem Fall wird es ein sehr langer Prozess werden.
Daniljuk steht mit seiner Meinung im übrigen bisher recht alleine da. Selensky lehnt trotz aller Wahlkampfversprechen direkte Gespräche mit den Rebellen ab und ohne Gespräche, zu denen sich Kiew übrigens ebenfalls im Minsker Abkommen verpflichtet hat, wird man keine Einigung finden.
Allerdings ist es bemerkenswert, dass sich die Politik in Kiew weiterhin auf stur stellt und notfalls den Krieg weiter kämpfen will, anstatt zu verhandeln, während nicht nur Daniljuk, sondern auch der Chef des Generalstabs von der Politik eine Verhandlungslösung einfordern, „anstatt sich immer nur hinter der Armee zu verstecken„.
Vielleicht sind die Militärs in der Ukraine in der Frage bereits weiter, als die Politiker in Kiew.
Wenn Sie sich für die Ukraine nach dem Maidan und für die Ereignisse des Jahres 2014 interessieren, als der Maidan stattfand, als die Krim zu Russland wechselte und als der Bürgerkrieg losgetreten wurde, sollten Sie sich die Beschreibung zu meinem Buch einmal ansehen, in dem ich diese Ereignisse detailliert auf ca. 670 Seiten genau beschreibe. In diesen Ereignissen liegt der Grund, warum wir heute wieder von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Obwohl es um das Jahr 2014 geht, sind diese Ereignisse als Grund für die heutige politische Situation also hochaktuell, denn wer die heutige Situation verstehen will, muss ihre Ursachen kennen.
Übrigens finden sich in dem Buch auch Berichte über die ersten russischen Hilfskonvois, die schon im August 2014 humanitäre zu den Menschen im Donbass gebracht haben.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“