Ursprünglich richteten sich die Proteste gegen ein Gesetz, das die Auslieferung von Straftäter an andere chinesische Regionen erlauben sollte. Grund war ein Taiwanese, der in Taiwan wegen Mordes gesucht wurde und sich in Hongkong vor dem Strafverfahren versteckt hatte. Die westlichen Medien stellten es aber so dar, als wenn es um die Auslieferung von Regimekritikern nach China ginge. Das Gesetz mag auch das ermöglicht haben, aber der Grund für das Gesetz war die Aufforderung aus Taiwan, den Mordverdächtigen auszuliefern. Und Taiwan ist aus Sicht der USA doch eigentlich einer der „Guten“.
Trotzdem wurde das Gesetz als Grund für die Demonstrationen herangezogen. Selbst nachdem die Regierung in Hongkong das Gesetz wieder kassiert hatte, gingen die Proteste weiter. Die Medien vermitteln nun den Eindruck, es ginge im freie Wahlen und ähnliches.
Und hier sehen wir bereits bekannte Muster: Beim Maidan seinerzeit ging es ursprünglich nur um das Assoziierungsabkommen. Aber schnell kamen – wie aus heiterem Himmel – ganz viele andere Forderungen hinzu, die die ukrainische Regierung gar nicht erfüllen konnte und die auch von der folgenden Maidan-Regierung nicht erfüllt worden sind. Aber der Putsch war passiert und die USA hatten ihr Ziel, eine Marionettenregierung in Kiew zu installieren, erreicht.
Beim Maidan wissen wir heute, wie er finanziert und gesteuert wurde, denn die Organisatoren des Maidan sind „anständige Leute“, die nach ukrainischem Recht ihre Jahresberichte veröffentlicht haben. Daher kann man genau sehen, wer sie mit welchen Summen finanziert hat. Und das waren vor allem die USA und Soros, aber auch Deutschland und die Niederlande. Die Details inklusive Quellen finden Sie in meinem Buch über die Ukrainekrise von 2014.
Auch in Moskau haben wir das gleiche Muster. Zuerst ging es bei den Protesten gegen die Nichtzulassung von Kandidaten zur anstehenden Wahl. In Wahrheit ging es jedoch nie darum, die Kandidaten wollten gar nicht zugelassen werden. Ihnen ging es nur darum, möglichst viel Unruhe zu provozieren und so die russische Regierung, wenn schon nicht zu stürzen, aber wenigstens in Bedrängnis zu bringen und zu schwächen.
Dass diese Kandidaten nie zur Wahl zugelassen werden wollten, sieht man daran, dass sie keinerlei Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Wahlkommission eingeleitet haben. Das Beispiel des einzigen echten Oppositionspolitikers unter den abgelehnten Kandidaten, Mitrochin von der pro westlichen Partei Jabloko, zeigt, dass die Rechtsmittel funktioniert haben. Mitrochin trat auch bei der genehmigten Großdemo in Moskau auf, aber er wollte eben – im Gegensatz zu den anderen „Kandidaten“ – auch wirklich gewählt werden. Und so legte er Rechtsmittel ein und da die Sitzungen des Wahlkommission live im Internet gestreamt werden, konnte jeder Interessierte zuschauen, wie das Verfahren ablief. Ergebnis: Mitrochin wurde zur Wahl zugelassen und gewann auch einen Sitz im Moskauer Stadtparlament.
Die anderen Kandidaten jedoch gingen diesen Weg nicht, sie reifen zu ungenehmigten Demonstrationen auf und sorgten für Unruhe. Da das Thema „Nichtzulassung zur Wahl“ nach dem Erfolg von Mitrochin nicht mehr so gut funktioniert hat, wurde nun angebliche Polizeigewalt als Grund für die Proteste ausgerufen.
Dass die Moskauer Polizei keineswegs gewalttätig war, wen interessiert´s? Im Gegensatz zu Demos im Westen gab es keine Wasserwerfer oder Gummigeschosse, alles lief friedlich ab und die Polizisten haben sich auch nicht provozieren lassen.
Die Parallelen zu Hongkong sind also offensichtlich: Man sucht sich einen aktuellen Vorwand für Demonstrationen und wenn die Regierung den angeblichen oder echten Missstand behebt, dann sucht man sich kurzerhand einen neuen Grund, um weiter zu machen. Es geht dabei nicht um eine Sache, es geht darum, Unruhe zu stiften und im besten Fall eine Regierung von der Straße stürzen zu lassen.
Gerne genommen wird als Vorwand dabei Polizeigewalt, auch wenn die Demonstranten die Polizisten erst provozieren müssen, bevor die reagieren. Wichtig sind die Bilder für die Tagesschau, die voranstürmende Polizisten zeigen, die danach Demonstranten abführen. Die Vorgeschichte wird der Einfachheit halber weggelassen.
Das Muster gab es beim Maidan, aktuell in Moskau und bei vielen vorherigen Anlässen, wenn dem Westen eine Regierung nicht gepasst hat. Und nun sehen wir das gleiche Muster in Hongkong.
Aber ist das alles Zufall oder vom Westen gesteuert?
Unsere Medien verbreiten ja, dass das eine normale Entwicklung sei, die Menschen seien so unzufrieden und es habe sich so viel angestaut, dass sie immer neue Forderungen stellen. Peking hingegen beschuldigt den Westen, und da vor allem die USA, aber auch Deutschland, sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen und die Demonstranten aufzustacheln und zu unterstützen.
Das bestreitet der Westen natürlich kategorisch, so etwas würde er nie tun!
Das Problem ist, dass es viele Bilder gibt, auf denen zu sehen ist, wie die Organisatoren der Proteste in Hongkong sich mit Vertretern der US-Botschaft treffen. Wer das nicht schlimm findet, der sollte sich eine Frage stellen: Was wäre wohl in Deutschland los, wenn sich Mitarbeiter der chinesischen Botschaft mit den Organisatoren von Pegida treffen und diese öffentlich unterstützen? Die Bundesregierung würde heftig protestieren und sich eine solche Einmischung in innere Angelegenheiten Deutschlands verbieten.
Aber warum sollte China ein solches Verhalten akzeptieren?
Egal, geschenkt, denn das ist ja ohnehin nur „chinesische Propaganda“.
Oder doch nicht? Es gibt reichlich unbestrittene Beispiele dafür, wie sich der Westen in Hongkong einmischt.
Im Juli war FDP-Chef Lindner in China und hat sich mit den Demonstranten in Hongkong getroffen und ihnen öffentlich Mut gemacht. Dass sein Besuch in Peking daraufhin zum Fiasko wurde, weil die Chinesen über diese Einmischung nicht erfreut hat, konnten weder die deutschen Medien, noch Lindern verstehen. Aber wie hätte man in Deutschland darauf reagiert, wenn sich ein chinesischer Politiker beim Deutschlandbesuch zuerst mit Pegida oder den Mahnwachen für den Frieden getroffen und denen Mut zugesprochen hätte, bevor er sich mit der Bundesregierung trifft? Das Treffen mit der Regierung wäre wahrscheinlich empört angesagt worden.
In den USA wurden gerade mal wieder Gesetzentwürfe in Senat und Kongress eingebracht, die die Proteste offen unterstützen sollen und auch Sanktionen gegen Vertreter Chinas ermöglichen würden. Was ist das, wenn keine offene Einmischung der USA?
Natürlich werden solche Kleinigkeiten im Spiegel nicht erwähnt, da wird es genau anders herum dargestellt:
„Tausende Protestierende in Hongkong sind vor das US-Konsulat gezogen und riefen US-Präsident Donald Trump zu einer Befreiung der Stadt auf. Sie schwenkten das Sternenbanner, stimmten die US-Nationalhymne an und verlangten auf Plakaten mehr Demokratie. Sie forderten dabei Unterstützung von den USA: „Kämpft für die Freiheit, steht an der Seite Hongkongs“, riefen Demonstranten, die dem US-Konsulat eine Petition übergaben.“
Wie kommen Demonstranten, die ursprünglich nur gegen ein Auslieferungsgesetz demonstriert haben, plötzlich dazu, mit US-Fahnen durch die Stadt zu ziehen? Im übrigen hat der Spiegel Ursache und Wirkung ein wenig „verwechselt“, denn das Gesetz, um das es geht, der Hong Kong Human Rights and Democracy Act, wurde seit 2017 immer wieder in Washington eingebracht und pünktlich zum nächsten Versuch, das Gesetz endlich durchzusetzen, gibt es hübsche Bilder von Demonstranten mit US-Fahnen, die vor dem US-Konsulat die US-Hymne singen. Rührend und sicher nicht ohne Wirkung in den USA.
Ist ein so gutes Timing Zufall? Oder vielleicht doch koordiniert?
Zumal das Gesetz, wenn es in den USA angenommen wird, sicher zu einer chinesischen Reaktion führen würde, zum Beispiel zu einer Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Hongkong und den USA. Damit wäre sicher niemandem geholfen. Daher hat nun sogar die Regierungschefin von Hongkong die USA ermahnt, sich nicht in innere Angelegenheiten Hongkongs einzumischen.
Wir lernen in unseren Medien auch immer, dass es so repressiv in Hongkong zugeht. Aus dem Beispiel der Demos in Moskau weiß ich aus eigener Erfahrung, wie gerne sich die Medien so etwas wie Polizeigewalt nur ausdenken. Und auch aus China habe ich reichlich Material gesehen, auf dem zu sehen war, wie die Demonstranten randaliert haben.
Ich kann kein Chinesisch und habe keine eigenen Quellen in Hongkong, aber ich kann logisch denken: Wenn China in Hongkong so repressiv wäre und die Demonstranten unterdrückt und gewaltsam gegen sie vorgeht, warum werden die Organisatoren dann nicht verhaftet und mindestens solange weggesperrt, bis sich die Lage beruhigt hat?
Stattdessen ist der berühmteste Organisator der Proteste, Joshua Wong, gerade in Berlin angekommen und hat sogar sofort einen Termin beim deutschen Außenminister bekommen und wurde auch gleich zu einem Empfang bei der „Bild“ eingeladen.
Der 22-jährige bekommt also die größte mediale Unterstützung, die Deutschland zu bieten hat und sicher werden die Demonstranten in Hongkong diese Meldungen verbreiten und die große deutsche Unterstützung für sich dort öffentlichkeitswirksam nutzen.
Natürlich ist China wieder sauer und hat heftig gegen diese offensichtliche Einmischung in seine inneren Angelegenheiten durch Deutschland protestiert. Wieder zum Vergleich: Wie würden wohl die deutschen Medien und Politiker reagieren, wenn die Organisatoren von Pegida in Peking derart hofiert würden, wie Wong in Berlin?
Fazit: Ohne alle Details über chinesische Versammlungsgesetze und die Situation in Hongkong zu kennen, kann man sicher sagen, dass China Recht hat, wenn es dem Westen Einmischung in seine inneren Angelegenheiten vorwirft. Das muss man nicht diskutieren, es geschieht ja in aller Öffentlichkeit. Was darüber hinaus noch hinter den Kulissen abläuft, mag man sich kaum vorstellen. Aber sichtbar ist nur die Spitze des Eisberges.
Das kann jeder anhand des Beispiels Maidan erkennen: Öffentlich zu sehen waren damals, wie heute, ein paar westliche Politiker, die dem Maidan Mut zugesprochen und dort Brötchen verteilt haben. Aber über wie viele westliche Kanäle, aus Botschaften und über NGOs der Maidan finanziell und organisatorisch unterstützt wurde, ist kaum zu überblicken.
Es gibt keinen Grund, dass es in Hongkong anders sein sollte, zumal wieder die „üblichen Verdächtigen“ in Erscheinung treten.
Und wie umfangreich die Unterstützung der Proteste in Hongkong durch NGOs ist, kann man nur raten. Aber ein offener Brief von gibt einen ersten Einblick. Er wurde von sage und schreibe 74 pro-westlichen NGOs unterzeichnet, was zeigt, wie engagiert der Westen – und allen voran – die USA dort sind. Zumal einige der NGOs, die den Brief unterzeichnet haben, komplett von westlichen Staaten finanziert und gesteuert werden. Vielleicht gilt das auch für alle anderen Unterzeichner, ich konnte nicht alle überprüfen, aber einige der „üblichen Verdächtigen“ habe ich auch auf dieser Liste sofort gefunden.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“