Das alte Prinzip „divide et impera“, also „teile und herrsche“, haben schon die alten Römer erfunden. Und es hat funktioniert. Die Menschen sind so gestrickt, dass sie etwas, das funktioniert, auch benutzen und es immer weiter verfeinern. Die Briten haben Indien mit wenigen Tausend Soldaten beherrscht, weil sie dieses Prinzip angewendet haben. Sie haben die Konflikte und Streitigkeiten zwischen den vielen kleinen Maharadschas in Indien befeuert, damit die mit sich selbst beschäftigt waren und sich nicht gegen die Kolonialmacht zusammentun konnten.
Und als die Arbeiterbewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Macht wurde, die eine potenziellen Gefahr für die Großkapitalisten zu werden drohte, haben diese die Arbeiterbewegung gespalten, indem sie Firmen-Sportvereine wie Bayer Leverkusen gegründet haben, die gegen die Vereine anderer Firmen angetreten sind. Plötzlich fühlten die Arbeiter sich nicht mehr als „Arbeiterklasse“, sondern als Anhänger ihres Firmen-Vereins gegen den Verein der anderen Firma. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern in den wissenschaftlichen Fachrichtungen, die sich mit Phänomenen der Massenpsychologie beschäftigen, Stand der Wissenschaft. Professor Mausfeld zum Beispiel hat das sehr anschaulich in seinen Vorträgen aufgezeigt.
Später wurde die „Klasse“ der Angestellten geschaffen, eine weitere Abspaltung von der ursprünglichen „Arbeiterklasse“.
Die in den westlichen Demokratien geförderte Individualität produziert immer mehr solcher Abspaltungen: Frauen gegen Männer, wenn es um Gleichberechtigung geht. Alte gegen Junge in der Rentendebatte. Familien mit Kindern gegen Kinderlose, Homosexuelle gegen Heterosexuelle, Links gegen Rechts und so weiter und so fort. Nun gibt es sogar die neue „Genderdebatte“ mit nicht mehr zwei Geschlechtern, sondern angeblich über 60. Ein gigantisches Potenzial für die zukünftige Nutzung des Prinzips „teile und herrsche“.
All diese Dinge, die auch in den Medien ständig befeuert werden, sind in meinen Augen Instrumente für das Prinzip „teile und herrsche“. Man beschäftigt die Gesellschaft mit Konflikten innerhalb der Gesellschaft, damit sich die Gesellschaft nicht gegen die „Herrschenden“ zusammentun kann.
Das merke ich besonders deutlich, weil ich nicht mehr im Westen wohne und daher mit großem Abstand auf all diese – in meinen Augen – künstlich geschaffenen Debatten schauen kann. In Russland gibt es keine dieser Debatten.
Die Frauenbewegung gibt es in Russland nicht. Es gibt ausreichend Kitas, Kind und Beruf sind relativ leicht unter einen Hut zu bringen und wie ich hier aufgezeigt habe, beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Russland fast 40 Prozent und ist einer der höchsten in Europa. Und das ganz ohne Frauenquoten und ohne einen „Geschlechterkampf“. Auch gibt es in Russland keine Neiddebatten zwischen kinderreichen und kinderlosen Familien, die kinderreichen Familien werden gefördert und alle finden das völlig in Ordnung. Russland ist eines der wenigen Länder in Europa, das seine demografischen Probleme weitgehend im Griff und eine positive Geburtenrate erreicht hat, weil es die staatliche Förderung von Kindern reformiert hat und ein Kind kein Armutsrisiko bedeutet. Natürlich kosten Kinder auch in Russland Geld, aber das Vorhandensein von Kitas und eine auf die Kinder ausgerichtete staatliche Förderung hat den negativen demografischen Trend, der über 20 Jahre vorgeherrscht hat, beendet.
Homosexuelle werden in Russland trotz aller Legenden der westlichen Presse in Russland nicht verfolgt. Aber es wird eben auch keine gesellschaftliche Debatte daraus gemacht. Wenn einer schwul ist, ist er eben schwul und damit ist die Sache erledigt. Über die Lage von Homosexuellen in Russland habe ich hier ausführlich geschrieben. Und wenn ich Russen von der Genderdebatte im Westen erzähle, glauben sie, ich wollte sie auf den Arm nehmen. Das russische Fernsehen hat darüber mal sehr ungläubig berichtet.
Eine besondere Form des Prinzips „teile und herrsche“ ist die Rentendebatte, bei der die Jungen, die hohe Beiträge zahlen müssen, gegen die Alten in Stellung gebracht werden, die hohe Renten bekommen. Nur ist diese Debatte aus den deutschen Medien verschwunden, denn die Zeit, als es in Deutschland noch hohe Renten gab, ist längst vorbei. Heute ist Altersarmut in den Vordergrund gerückt.
Aber die Älteren unter uns werden sich noch erinnern. Vor einigen Jahren konnte man in den deutschen Medien regelmäßig von dem Konflikt „Jung gegen Alt“ lesen. Ich habe diese Mediendebatte nie verstanden, denn ich habe meiner Oma und meinem Opa ihre Rente immer gegönnt. Und auch meinen Eltern gönne ich ihre Rente, wobei es da heute ja nichts mehr zu „gönnen“ gibt, bei dem, was sie an Rente bekommen. Jedenfalls war ich da nie neidisch, ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei gegangen ist.
Natürlich habe ich mich immer über hohe Steuern und Abgaben geärgert, als ich noch in Deutschland gewohnt habe. Aber der Beitrag zur Rentenversicherung war da nie mein Hauptproblem.
Und auch in meinem Bekanntenkreis kann ich mich nicht erinnern, dass der angebliche Konflikt zwischen „Jung und Alt“ jemanden berührt hätte. Aber die Medien haben immer wieder darüber berichtet, über Jahrzehnte war es ein Thema in den Medien.
Nun nicht mehr. Im Gegenteil: Heute ärgern sich die jungen Menschen, dass sie für den immer noch genauso hohen Beitrag zur Rentenversicherung kaum noch eine Rente bekommen werden. Es findet also eher eine Solidarisierung zwischen „Jung und Alt“ statt, wenn die Jungen sich über hohe Beiträge ärgern und sehen, dass die Alten dafür nicht einmal eine menschenwürdige Rente bekommen.
Wenn man der Logik von „teile und herrsche“ folgt, dann ist eine solche Situation der größte anzunehmende Unfall: Die Gesellschaft wird nicht gespalten, sondern geeint und der gemeinsame Ärger könnte sich gegen die „Herrschenden“ richten. Das ist nach der Logik von „teile und herrsche“ gar nicht gut.
Da aber die Rentenfrage nicht mehr als Spaltpilz zwischen Alt und Jung taugt (falls es denn überhaupt jemals mit diesem Thema funktioniert hat), muss dringend etwas anderes her.
Wie also kann man in einer solchen Situation einen Keil zwischen die Generationen treiben?
Da ist es doch unglaublich praktisch, dass es die Fridays for Future gibt. Dort werfen die jungen Leute den älteren vor, ihre Zukunft zu zerstören.
Diese Bewegung lässt sich vielfältig nutzen: Man bekommt die Menschen dazu, für eine neue Steuer zu demonstrieren, was es in der Menschheitsgeschichte wohl noch nie gab. Dass schon die Einführung von CO2-Zertifikaten gezeigt hat, dass man das Problem nicht mit neuen Steuern und Abgaben lösen kann, wird ignoriert.
Und man bekommt ganz nebenbei einen neuen Konflikt zwischen „Jung und Alt“, nachdem die Rente (allein) als Reizthema nicht mehr funktioniert.
Jetzt dürften viele mich für einen Verschwörungstheoretiker halten. Aber es ist nicht zu übersehen, dass die „Herrschenden“ die Fridays for Future und die Greta-Bewegung nach Kräften unterstützen. Und glaubt jemand ernsthaft, dass die „Herrschenden“ plötzlich ihr Herz für die Umwelt entdeckt haben? Wenn es so wäre, hätten sie längst entsprechende Gesetze machen können, es bräuchte die Bewegung gar nicht.
Woran mache ich meine These, die „Herrschenden“ unterstützen die Greta-Bewegung, fest?
In Deutschland herrscht Schulpflicht. Und die nimmt der deutsche Staat immer sehr ernst. Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, bekommen saftige Strafen. Und noch im Mai 2018 hat die deutsche Polizei an Flughäfen Familien aufgelauert, die mit ihren Kindern ein paar Tage vor Ferienbeginn in den Urlaub fliegen wollten. Der Staat versteht beim Thema Schulpflicht normalerweise keinen Spaß.
Aber die Fridays for Future dürfen stattfinden, kein Polizist und kein Jugendamt besucht die Eltern der Schule schwänzenden Kinder, niemand löst die Demos auf und bringt die Kinder zurück in die Klassenräume. Würden die Kids während der Schulzeit jede Woche – sagen wir mal – gegen Ramstein oder Auslandseinsätze der Bundeswehr demonstrieren, wäre der Spuk schnell vorbei, obwohl das ja auch durchaus gute Ziele sind.
Greta selbst wird von den Mächtigen der Welt empfangen, das wäre bei der Friedensbewegung auch undenkbar. Wenn die „Herrschenden“ etwas gut finden, wenn es ihnen nützt und es in ihre Agenda passt, dann fördern sie es. Wenn ihnen etwas nicht gefällt, bekämpfen sie es. Und die Fridays for Future werden nicht bekämpft, sondern von allen Seiten unterstützt.
Ich will nicht darüber spekulieren, warum die Fridays for Future den „Herrschenden“ gefallen und welche Ziele sie verfolgen, wenn sie diese Bewegung über alle Kanäle fördern, seien es positive Medienberichte, Unterstützung durch fast alle Politiker der etablierten Parteien, medienwirksame Audienzen für Greta bei allen wichtigen weltweiten Konferenzen, wie in Davos oder bei der UNO, und so weiter. Über die Gründe soll sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Ich stelle nur das Offensichtliche fest: Die Greta-Bewegung wird von den Mächtigen dieser Welt massiv gepusht.
Und ein positiver Nebeneffekt für die Eliten, wenn auch sicherlich nicht der Hauptgrund für die massive Unterstützung, ist nun einmal, dass man einen neuen künstlich erschaffenen Konflikt zwischen „Jung und Alt“ in die Gesellschaft tragen kann.
So funktioniert das Prinzip „teile und herrsche“ und da in Deutschland inzwischen mehr als die Hälfte der Menschen das Vertrauen in die deutsche Form der Demokratie verloren haben, ist es für die „Herrschenden“ umso wichtiger, dass die Gesellschaft mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt echte Veränderungen zu fordern.
PS: Ich äußere mich in diesem und auch anderen Artikeln nicht zum Thema Klimawandel, davon verstehe ich zu wenig, um einen fundierten Artikel zu schreiben. Dafür gibt es andere Experten. Daher gehe ich auch auf etwaige Versuche, das Thema mit mir zu diskutieren, nicht ein. Ich äußere mich zu Themen, von denen ich etwas verstehe und schweige zu Themen, von denen ich zu wenig verstehe.
Ich analysiere in meinen Artikeln, wie Medien und Politik das Thema Klimawandel für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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