Das rus­sische Fern­sehen über die Pro­teste in Hongkong und Par­al­lelen zum Maidan

In der Sendung „Nach­richten der Woche“ hat das rus­sische Fern­sehen einen Kor­re­spon­den­ten­be­richt aus Hongkong gezeigt, der die Situation ganz anders dar­stellt, als sie in den deut­schen Medien ver­breitet wird.
Da ich es inter­essant finde, auch mal eine andere Meinung dazu zu lesen, habe ich den Bericht des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Im chi­ne­si­schen Hongkong gibt es schon viele Wochen Pro­teste. Tat­sächlich haben schon alle ver­gessen, womit es begann. Zuerst war der Grund der Mord eines Mannes an seiner Freundin und Chinas For­derung, den Mörder aus­zu­liefern, um ihn vor Gericht zu stellen. Hong­konger Unru­he­stifter waren der Ansicht, dass Peking auf diese Weise in die Freiheit in der ehe­ma­ligen bri­ti­schen Kolonie ein­greift und sie dann mit einer Über­gangs­re­gelung dem chi­ne­si­schen Hoheits­gebiet anschließt.
Es folgten Pro­teste und Zusam­men­stöße mit der Polizei. Peking machte einen Schritt zurück, aber die Unruhen liefen bereits nach dem Drehbuch des ukrai­ni­schen Maidan, mit den gleichen Tech­no­logien zur Lenkung der Massen und mit dem gleichen Hass auf die Regierung, der von den Ame­ri­kanern ange­heizt wird. Es scheint, dass Amerika dort Blut und Opfer braucht, um Sank­tionen gegen China zu ver­hängen und es damit im Zuge des Han­dels­krieges zu schwächen.
In Hongkong war bereits viel für dieses Sze­nario vor­be­reitet, ein­schließlich eines direkten Appells pro­tes­tie­render Jugend­licher um Hilfe an die Ver­ei­nigten Staaten. Prä­sident Trump sei­ner­seits kom­men­tierte die Ereig­nisse in Hongkong vom UN-Podium aus.
„Wir ver­suchen, unsere Bezie­hungen zu sta­bi­li­sieren und gleich­zeitig ver­folgen wir die Situation in Hongkong sehr genau. Die Welt erwartet von der chi­ne­si­schen Regierung, dass sie ihren Ver­pflich­tungen aus dem Vertrag mit dem Ver­ei­nigten König­reich nach­kommt, in dem China sich ver­pflichtet hat, das Rechts­system und die demo­kra­tische Lebens­weise in Hongkong zu schützen. Die Art und Weise, wie China an diese Situation her­angeht, wird die Rolle Chinas in der Zukunft weit­gehend bestimmen“ sagte Donald Trump.
Ent­schul­digung, aber wer wird in Zukunft über die Rolle Chinas bestimmen? Trump? Peking war der Meinung, das wäre zu viel.
„Wir fordern die Ver­ei­nigten Staaten nach­drücklich auf, das Völ­ker­recht, die Grund­prin­zipien der inter­na­tio­nalen Bezie­hungen und Chinas Sou­ve­rä­nität zu achten und auf­zu­hören, sich in die inneren Ange­le­gen­heiten Chinas ein­zu­mi­schen und unver­ant­wort­liche Erklä­rungen abzu­geben und statt­dessen mehr für Hong­kongs Wohl­stand und Ent­wicklung zu tun.“ sagte Geng Shuang, ein Sprecher des chi­ne­si­schen Außenministeriums.
Das Thema Hongkong ist für Peking im Vorfeld des bevor­ste­henden 70. Jah­res­tages der Gründung des modernen China besonders sen­sibel. Und es scheint, dass die Ereig­nisse in Hongkong spe­ziell auf den 1. Oktober aus­ge­richtet wurden, um irgendwie den Ein­druck der Errun­gen­schaften zu schmälen, die die ganze Welt bereits das „chi­ne­sische Wunder“ nennt.
Aus Hongkong berichtet unser Korrespondent.
Vor noch gar nicht langer Zeit schien es, als würde es eine wirklich fried­liche Kund­gebung werden, aber hier sieht man, dass die Span­nungen zunehmen. Demons­tranten ziehen bis zum Tor, das die Polizei bewacht, sie schreien Belei­di­gungen und richten Laser­pointer in die Gesicht von Poli­zisten. Nach ein paar Minuten kühlten Was­ser­werfer die Inbrunst der Angreifer ab.
Das war alles, was sie wollten, indem sie extra vor­be­reitete Regen­schirme für die west­lichen Kameras auf­spannten, eines der Symbole des Pro­tests. Wenn jemand keinen Regen­schirm dabei hat, kein Problem, sie werden immer für schöne Bilder gratis ver­teilt, wie man hier sieht.
Weiter vorne nehmen einige bereits das Kopf­stein­pflaster aus­ein­ander, um Steine zu haben. Wenn man genau hinhört, hört man vom Podium im Themar Park Slogans herüber, wie wichtig es ist, die Demo­kratie auf­zu­bauen und zwar nur mit fried­lichen Mitteln, aber es ist klar, dass diese Meinung nicht von allen hier geteilt wird.
„Das sind doch Kinder“ hört man die übliche Losung nun auch in Hongkong. Die Kinder sind mas­kiert und ganz in schwarz gekleidet. Umso auf­fäl­liger sind sie vor den bunten Flaggen der Länder, denen sie für die Unter­stützung und Anleitung danken.
„Wir hoffen, dass die Ver­ei­nigten Staaten Hongkong wei­terhin auf dem Weg zur Demo­kratie ver­tei­digen werden, damit wir die Auto­nomie erreichen können, die das Weiße Haus sehen will“ sagen Demonstranten.
Sie haben vor kurzem erfahren, wie nahe sie der Ukraine sind, die doch so weit von hier ent­fernt ist. Aber die heroi­schen Geschichten der Maidan-Kon­fron­tation werden nun seufzend erzählt. Auf Bild­schirmen auf den Straßen werden Bilder aus Kiew wie ein Block­buster gezeigt, prak­ti­scher­weise bereits mit Unter­titeln im kan­to­ne­si­schen Dialekt. Nach dem Zuschauen schluchzten viele sogar unter einer eigens in Taiwan geschrie­benen Pro­test­hymne, die „Ruhm für Hongkong!“ heißt. (Anm. d. Übers.: Inter­essant, wie der Schlachtruf der Faschisten vom Rechten Sektor der Ukraine, „Ruhm der Ukraine!“, sogar eins zu eins ins Chi­ne­sische über­setzt wird. Gleiche Losung, andere Stadt.)
Einer der Orte, von denen aus der Film über den Maidan sich mit der Geschwin­digkeit einer viralen Werbung ver­teilt hat, ist ein kleiner Raum im 10. Stock. Das Museum der Erin­nerung an die Opfer auf dem Platz des Himm­li­schen Friedens ist nur wenige Qua­drat­meter groß, aber das Wich­tigste ist der große Bild­schirm und was dort zu sehen ist. Es wird genau erklärt, warum Opfer im Namen der Revo­lution etwas nor­males sind.
„Dort wurde fried­licher Protest mit Stöcken und Kugeln unter­drückt. Und in Hongkong stehen wir vor dem gleichen Druck von Seiten der Polizei“ sagte Mac Hoy-Wa, Chef der Patrio­ti­schen Bewegung Unterstützungsallianz.
Ein Hong­konger Polizist namens Keith erklärte sich nur unter der Bedingung, dass sein Gesicht nicht gezeigt wird, zu einem Interview bereit. Die Familien der Polizei werden ständig bedroht und wurden immer wieder angegriffen.
„Die Gefahr ist nicht, dass du getötet wirst. Dazu haben die nicht den Mut. Die Gefahr ist, dass sie nach den Kindern der Poli­zisten suchen. Die werden ange­griffen. Auch in der Schule und sogar von den Lehrern. Der Lehrer kann einfach sagen, schau, das ist der Sohn eines Poli­zisten“ sagte Keith.
Die Dämo­ni­sierung der Polizei ist Teil einer erprobten Tech­no­logie, bei der Ver­gel­tungs­maß­nahmen als unge­recht­fer­tigte Aggression der Behörden dar­ge­stellt werden, was in Hongkong bereits Tou­risten erzählt wird.
Hier bestellen!

Ein Mahnmal zum Gedenken an die angeblich von der Polizei getö­teten Demons­tranten an der U‑Bahn-Station „Prince Edward“ ist bereits zum Kult­platz geworden: Blumen, Kerzen und Plakate, die zu wei­terem Kampf mit der Polizei auf­rufen. Was fehlt, sind Namen des Getö­tetem und vor allem ihre Fotos, die gab nie hier. Sie exis­tieren über­haupt nicht, es gab keine getö­teten Demons­tranten. Aber das ist unwichtig ist für die­je­nigen, denen Gerüchte wichtig sind, um so wieder Demons­tranten zu mobilisieren.
Als Getötete werden fünf Selbst­mörder geführt. Einer von ihnen sprang mit einem Zettel mit der Auf­schrift „Weiter so, Hongkong“ von einer Brücke. So ent­stand eine uner­füllbare For­derung an die Regierung, die For­derung nach Bestrafung der Schul­digen für die Todes­fälle. Aber wen für Selbst­morde bestrafen?
Die wei­teren For­de­rungen sind die Unter­su­chung von Poli­zei­ak­tionen, die Reform des Wahl­systems, die Frei­lassung aller wegen Teil­nahme an Unruhen Inhaf­tierter und die Auf­hebung von Ände­rungen des Gesetzes über die Aus­lie­ferung von Straf­tätern auf das chi­ne­sische Festland. Dieses Gesetz war der ursprüng­liche Grund für die Demons­tra­tionen, aber die Regierung hat es bereits gestrichen. Aber niemand erinnert sich mehr an das Gesetz.
Seit fast zwei Stunden finden die ersten öffent­lichen Anhö­rungen statt, der erste Dialog, den die Regierung Hong­kongs selbst führt und orga­ni­siert hat. Regie­rungs­chefin Carrie Lam ist im Inneren des Gebäudes mit Mit­gliedern der Gesell­schaft, es sind 150 Per­sonen, die zufällig von einem Com­puter für das Treffen aus­ge­wählt wurden. Aber die Demons­tranten vor dem Gebäude rufen wei­terhin Parolen und zer­streuen sich nicht, es ist klar, dass sie gar keinen Dialog wollen.
Zuerst warfen sie sich vor die Autos, ließen die Regie­rungs­chefin nicht zu dem Treffen, dann umzin­gelten sie empört das Gebäude. Warum waren dort nur 150 Leute ein­ge­laden und nicht 150.000?
Die Polizei reagierte nicht einmal auf die unge­neh­migte Demons­tration, was die Teil­nehmer offenbar noch mehr ver­ärgert hat.
„Sie sind immer vor­be­reitet. Jemand liefert ihnen auf jeden Fall Aus­rüstung und Waffen, wie Stöcke, Messer und sogar Bomben. In einer der Woh­nungen haben wir Messer und Metall­kugeln beschlag­nahmt, all das lag bereit“ sagte der Polizist Keith.
Die Pro­teste sind eine Bewäh­rungs­probe für die Stärke Chinas und eine Her­aus­for­derung im Vorfeld der Fei­er­lich­keiten zum 70. Jah­restag der Gründung der Volks­re­publik China. Umso aktiver wird in sozialen Netz­werke zu Kund­ge­bungen auf­ge­rufen. Wo und zu welcher Zeit die nächste beginnt, die Infor­mation kommt aufs Handy.
„Sie haben Anwei­sungen, was zu tun ist, sie bekommen sie online. Offen­sichtlich ist all dies gut orga­ni­siert. Und das sind Geld­karten. Wir haben sie von Kindern, die bei den Pro­testen waren. Ganze Packungen solcher Karten, sie können in den Geschäften damit ein­kaufen. Die Kinder sagten, dass sie diese Karten erhalten hätten, damit sie zur Kund­gebung gehen. Sie sollten nichts tun, einfach nur da stehen, damit es nach mehr Teil­nehmern aussah“ sagte der Polizist.
Etwa eine Stunde lang wartete die Polizei geduldig ab. Aber jetzt ver­lassen die Dele­ga­tionen Gebäude der Regierung Hong­kongs und die Polizei beginnt all­mählich, die Demons­tranten vom Gebäude weg zu treiben. Unter Einsatz von Trä­nengas drängt die Polizei die Demons­tranten zur Haupt­straße, um sie dort in Gruppen aufzulösen.
Sie hin­ter­lassen zer­bro­chene Fenster, abge­brochen Stra­ßen­schilder und ton­nen­weise Alt­papier, das sie an die Wände geklebt haben. Und das sind nicht die „Lennon-Wände“ mit Worten über den Welt­frieden. Wer es wagt, diese Plakate abzu­reißen, wird auf Schmie­re­reien verflucht.
„Es gibt viele Aufrufe zur Gewalt. Und das ist nicht das Hongkong, das in den letzten Jahren immer besser geworden ist. Ich bin bereits in vierter Gene­ration in Hongkong ansässig und sehe, wie die Pro­teste es ver­dorben haben“ sagte ein Anwohner.
Um Hongkong vom Müll der Pro­teste an den Wänden zu säubern, gehen Anwohner jeden Morgen mit Schabern und Eimern auf die Straße und ver­suchen, alles so schnell wie möglich zu ent­fernen. Schließlich wurde von Demons­tranten bereits zur Jagd auf jene auf­ge­rufen, die sich für die Bei­be­haltung der Formel „ein Land, zwei Systeme“ einsetzen.
Ende der Übersetzung

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“