By MOs810 - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Geo­po­litik: Warum die EU inter­na­tional bedeu­tungslos wird, aber Russland und China Erfolge feiern

Die inter­na­tionale diplo­ma­tische Repu­tation der EU fällt ins Bodenlose. Das Ver­halten der EU wird dazu führen, dass sie auf dem inter­na­tio­nalen diplo­ma­ti­schen Parkett nicht mehr ernst genommen wird.
Um zu ver­stehen, wie sich die diplo­ma­ti­schen Bemü­hungen der inter­na­tio­nalen Macht­blöcke unter­scheiden, müssen wir erst einmal auf die anderen Macht­zentren schauen, um zu ver­stehen, wie sich die EU dabei von anderen unterscheidet.
Russland und China setzen kon­se­quent auf gleich­be­rech­tigte Koor­per­ation. Russland erntet in diesen Tagen die Erfolge seiner diplo­ma­ti­schen Geduld. Egal, ob es die Einigung zum Thema Syrien ist, die inzwi­schen sehr guten Bezie­hungen zu den Golf­staaten, die in Washington für einige Kopf­schmerzen sorgen dürften oder das rus­sische Ver­hältnis zu den afri­ka­ni­schen Ländern, deren Staats- und Regie­rungs­chefs sich derzeit in Sotschi auf­halten, um am ersten rus­sisch-afri­ka­ni­schen Gipfel teil­zu­nehmen. Russland ist diplo­ma­tisch weltweit auf dem Vor­marsch, weil es kon­se­quent einer ein­fachen Linie folgt: Es mischt sich nicht in die inneren Ange­le­gen­heiten der anderen Länder ein, es behandelt nie­manden von oben herab, sondern respek­tiert auch die Inter­essen klei­nerer Länder, es schließt Part­ner­schaften auf Augenhöhe, ohne Druck aus­zuüben und im Ergebnis ist Russland inzwi­schen auch als Ver­mittler bei Krisen hochgeachtet.
Das gleiche gilt für China. Mit seinem Projekt der neuen Sei­den­straße bietet es massive Inves­ti­tionen in anderen Ländern an und schließt so Part­ner­schaften, die nicht auf Aus­beutung angelegt sind, sondern auf Part­ner­schaft und von denen alle Betei­ligten am Ende pro­fi­tieren. Trotz enormen Druckes aus Washington sind selbst EU-Länder inzwi­schen bereits Partner von China bei dem Projekt, weil es auf dem Win-Win-Prinzip basiert.
So sehr die west­lichen Medien Russland und China auch als des­po­tische Länder zu ver­teufeln ver­suchen, die Erfolge geben den Ländern recht und immer mehr Staaten fühlen sich bei einer Zusam­men­arbeit mit Russland und China besser auf­ge­hoben. Der Grund dafür liegt in der Politik des Westens.
Die Glo­ba­li­sierung schadet den armen Ländern und abge­sehen davon, dass sie es nicht schön finden, wenn sie als Müll­halden für den Kon­summüll der west­lichen Länder miss­braucht werden, haben sie es auch satt, dass der Westen ihnen vor­schreiben will, wie sie zu leben haben. Und anstatt mit den Ländern auf Augenhöhe zu ver­handeln und ihre Inter­essen und Wünsche ernst zu nehmen, droht der Westen mit Sanktionen.
Das ist die Politik der USA, der sich die EU dann regel­mäßig anschließt. Nur macht man sich mit Druck, Dro­hungen und Gewalt eben keine Freunde. Und je mehr sich Russland und China als Alter­native posi­tio­nieren und kon­se­quent eine Linie der Part­ner­schaft mit den kleinen Ländern fahren, desto attrak­tiver werden sie als Partner für diese Länder.
Zwi­schen 1990 und 2010 war der Westen sicherlich massiv über­legen, aber in den letzten zehn Jahren wendet sich das Blatt. Trotz aller Dro­hungen und Sank­tionen des Westens sind Russland und China weiter gewachsen, haben wirt­schaftlich weiter auf­geholt und bleiben ihrer Linie treu. Besonders deutlich wurde das bei einer Rede von Putin Ende letzten Jahres, über die im Westen nicht berichtet wurde, die aber im Rest der Welt für großes Auf­sehen gesorgt hat. Dort hat er eine neue, gerechte wirt­schaft­liche Welt­ordnung skizziert.
Die USA haben ihre Vasallen bisher vor allem durch Druck und Demons­tra­tionen der Stärke bei der Stange gehalten. Und sie haben der Welt gezeigt, was jenen blüht, die sich ihnen wider­setzen. Sie haben das Atom­ab­kommen mit dem Iran gebrochen und viele Länder mit Sank­tionen bestraft. Aber wie im rich­tigen Leben macht man sich auch in der inter­na­tio­nalen Politik mit Gewalt­an­wendung keine Freunde.
Das ist wie auf dem Schulhof früher. Wenn da ein Junger größer und stärker war, als alle anderen, dann hat er den Ton ange­geben und gesagt, wo es lang geht. Und die anderen sind dem auch dann gefolgt, wenn sie es eigentlich gar nicht wollten. Aus Angst eben. Aber sobald ein anderer eine Alter­native geboten und keine Angst gezeigt hat, stellte sich heraus, dass die Mehrheit den einen Schläger eigentlich gar nicht zu fürchten braucht. So funk­tio­niert im Groben auch die inter­na­tionale Politik.
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Die EU jedoch hat sich als Vasall der USA mitt­ler­weile diplo­ma­tisch ins Abseits gespielt. Wirt­schaftlich ist sie noch immer für die ganze Welt inter­essant, sie ist nun einmal der größte Wirt­schaftsraum der Welt. Aber poli­tisch hört ihr kaum noch jemand zu. Wozu auch? Die EU ent­scheidet nichts alleine und daher können die anderen Länder auch gleich mit Washington reden, wenn sie wissen wollen, was die EU tun wird. Und das habe ich Staats­chefs ver­schie­dener Länder auch schon offen in Inter­views sagen hören.
Und da, wo die EU mal etwas alleine tut, macht sie es auch noch grund­falsch. Verbal ist sie gegen den Bruch des Atom­ab­kommens mit dem Iran, aber in der Praxis tut sie nichts dagegen, sondern folgt der US-Linie. Beim Flücht­lingsdeal mit der Türkei hat die EU nie ihre über­nom­menen Ver­pflich­tungen ein­ge­halten. Die Liste dieser Bei­siele ist lang.
Diese Dinge lassen sich in der Echo­kammer der west­lichen Medi­enwelt gut ver­stecken und die meisten Men­schen in der EU wissen gar nichts davon, dass die EU mitt­ler­weile inter­na­tional nicht mehr als ver­trags­treuer Partner ange­sehen wird. Aber die Spit­zen­po­li­tiker der anderen Länder wissen es sehr wohl und kal­ku­lieren das natürlich bei der Wahl ihrer Partner ein.
Daher muss man sich auch nicht wundern, wenn zum Bei­spiel im Nahen Osten niemand mehr die EU ernst nimmt. Wann gab es die letzte echte Initiative der EU zu irgend­einem inter­na­tio­nalen Problem? Ich kann mich nicht erinnern. In Syrien werden inzwi­schen nicht einmal mehr die USA noch in die poli­ti­schen Pro­zesse ein­ge­bunden, von der EU gar nicht zu reden. Und als AKK vor einigen Tagen ihre Schnapsidee von einem UN-Mandat für eine Sicher­heitszone in Nord­syrien prä­sen­tiert hat, da gab es außer schwei­gendem Augen­rollen fast keine offi­zi­ellen Reak­tionen anderer Länder. „Lass die Alte reden“ scheinen sich die anderen Länder zu denken, „wir arbeiten derweil an den wirk­lichen Problemen.“
Und vor einigen Tagen hat die EU ihr nächstes großes diplo­ma­ti­sches Eigentor geschossen. Seit 2003 laufen Ver­hand­lungen mit Maze­donien und Albanien über einen EU-Bei­tritt. Es ist bekannt, dass ich solchen Bei­tritten skep­tisch gegenüber stehe, solange die EU nicht von Grund auf refor­miert worden ist. Aber es geht hier nicht um meine Meinung, sondern um die Frage, ob die EU zu ihrem Wort und zu Ver­trägen steht. Das ist es, worauf die anderen Staaten achten.
Und gerade für Maze­donien war der Prozess schmerzhaft. Das Land musste sogar seinen Namen in „Nord­ma­ze­donien“ ändern, damit Grie­chenland dem Beginn von Bei­tritts­ver­hand­lungen zuge­stimmt hat. Das war eine riesige Demü­tigung und sie kam nur auf­grund gigan­ti­schen Drucks aus dem Westen über­haupt zu Stande und die Men­schen im Land haben die Kröte irgendwie geschluckt, weil im Gegenzug der EU-Bei­tritt gewunken hat.
Aber Pus­te­kuchen: Letzte Woche sollte der Beginn der offi­zi­ellen Bei­tritts­ver­hand­lungen beschlossen werden und daraus wurde nichts. Ein Veto aus Frank­reich hat es ver­hindert. Aber egal, es hätte auch ein Veto von Lettland oder wem auch immer sein können. Fakt ist: Die EU hat mal wieder ihr Wort gebrochen und zwar sogar in einer Ange­le­genheit, die wirklich nur von ihr abhängt und nicht von „äußeren Umständen“.
In Nord­ma­ze­donien ist die Ent­täu­schung riesig und es wurden Neu­wahlen ange­kündigt. Der Pre­mier­mi­nister sagte in einer Ansprache dazu:
„Ver­ehrte Mit­bürger! Jetzt ist es nötig, dass Sie eine Ent­scheidung treffen: Wir können keine Zeit ver­lieren, darum schlage ich Ihnen vor, dass wir vor­ge­zogene Neu­wahlen ver­an­stalten. Wahlen, bei denen Sie, ver­ehrte Mit­bürger, die Ent­scheidung treffen, welchen Weg unser Land gehen soll.“
Jetzt könnte man in Deutschland ein­wenden: „Na und? Wer oder was ist Maze­donien und wo liegt das überhaupt?“
Aber es liegt auf dem Pul­verfass Balkan. Und nun könnte sich Maze­donien – genauso, wie Serbien – Russland zuwenden. Das wäre eigentlich nicht dra­ma­tisch und für Maze­donien viel­leicht sogar besser, aber es wird geo­po­li­tische Kon­se­quenzen haben, da die USA gegen Russ­lands Ein­fluss auf dem Balkan kämpfen. Während die EU vor einem Scher­ben­haufen steht und die Maze­donier stink­sauer sind, hat der US-Senat sofort ein Gesetz ein­ge­bracht, um Nord­ma­ze­donien mög­lichst schnell in die Nato zu holen, solange dort noch eine mehr oder weniger pro-west­liche Regierung sitzt.
Und damit wird auch ein so kleines Land wie Nord­ma­ze­donien plötzlich geo­po­li­tisch wichtig.
Die EU jedoch dürfte auf die Vor­gänge nicht mehr allzu viel Ein­fluss haben, ihren Worten und Sonn­tags­reden glauben auf dem inter­na­tio­nalen diplo­ma­ti­schen Parkett immer weniger Staaten, viele hören nicht einmal mehr hin.
Damit haben die Staaten der Welt, wenn sie sich Partner aus­suchen, die Wahl zwi­schen dem „Schläger auf dem Schulhof“, den USA, einer­seits und Russland oder China ande­rer­seits. Wenn man sich all die gebro­chenen Ver­sprechen des Westens der letzten Jahr­zehnte anschaut, wen über­rascht es da, dass immer mehr Länder sich nicht mehr für den Schläger entscheiden? 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“