Thü­ringen: CDU überholt AfD

Einen Tag noch bis zur Thü­rin­genwahl. Sah es im Sep­tember noch so aus, als könne die AfD wie in Bran­denburg und Sachsen auch in Thü­ringen auf Platz zwei landen, hier hinter der derzeit regie­renden Links­partei und vor der CDU, so scheint sich die Lage nun etwas ver­ändert zu haben. Denn die CDU steigt auf ca. 25 Prozent, während die AfD auf etwa 22 Prozent und damit nur noch Rang drei zurück­fällt. Zurück fallen auch Die Grünen, die jetzt nur noch auf Platz fünf liegen, hinter der SPD. Besonders auf­fällig dabei ist, wie extrem negativ Björn Höcke, der Spit­zen­kan­didat der AfD, in der Bevöl­kerung bewertet wird. Sogar 70 Prozent der thü­rin­gi­schen AfD-Anhänger wollen nicht Höcke als Ministerpräsidenten.
So in etwa würden die Thü­ringer im Moment wählen

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Gestern ver­öf­fent­liche sowohl das ZDF eine aktuelle Umfrage von For­schungs­gruppe Wahlen als auch die ARD von Infratest dimap. Tele­fo­nisch befragt wurden vom 14.10. (Mo.) bis 16.10.2019 (Mi.) jeweils mehr als tausend zufällig aus­ge­wählte in Thü­ringen Wahl­be­rech­tigte, wem sie ihre Stimme geben würden, wenn jetzt schon Land­tags­wahlen wären. Dies ist also keine Pro­gnose für den 27.10.2019, sondern eine Moment­auf­nahme für diese Woche. Dabei waren die Befra­gungen reprä­sen­tativ für die dort wahl­be­rech­tigte Bevölkerung.
Und das gaben die Thü­ringer von Montag bis Mittwoch an, so würden sie aktuell laut For­schungs­gruppe Wahlen (ZDF, erster Wert) und Infratest dimap (ARD, zweiter Wert) wählen, fett­ge­druckt das arith­me­tische Mittel aus ZDF und ARD (in Klammern die Ver­än­de­rungen im Ver­gleich zur Land­tagswahl 2014):
  1. LINKE: 27 % (ZDF), 29 % (ARD) ==> 28 % (– 0,2)
  2. CDU: 26 % (ZDF), 24 % (ARD) ==> 25 % (– 8,5)
  3. AfD: 20 % (ZDF), 24 % (ARD) ==> 22 % (+ 11,4)
  4. SPD: 9 % (ZDF), 8 % (ARD) ==> 8,5 % (– 3,9)
  5. GRÜNE: 8 % (ZDF), 7 % (ARD) ==> 7,5 % (+ 1,8)
  6. FDP: 5 % (ZDF), 4 % (ARD) ==> 4,5 % (+ 2,0)
  7. Sonstige: 5 % (ZDF), 4 % (ARD) ==> 4,5 % (– 2,6)
2019-10-17

© JFB

Zu berück­sich­tigen ist hierbei, dass zurzeit der Befragung 38 Prozent noch nicht sicher waren, wen oder ob sie über­haupt wählen wollen. Dabei darf ver­mutet werden, dass die meisten von diesen nächste Woche dann auch nicht zur Wahl gehen werden.
Gewinner und Verlierer
Der ganz große Gewinner dieser Wahl wird, das kann man wohl schon jetzt sagen, die AfD mit ihrem Spit­zen­kan­di­daten Björn Höcke werden, die im zwei­stel­ligen Bereich zulegen dürfte, nach aktu­ellem Stand etwa 11 bis 12. Das heißt, die AfD wird ihr Ergebnis von 2014 (10,6 Prozent) höchst­wahr­scheinlich ver­doppeln. Die FDP, die von Thomas Kem­merich in den Wahl­kampf geführt wird, wird sich aller Vor­aus­sicht nach deutlich ver­bessern. Im Moment sieht es so aus, dass sie ihr 2014er-Ergebnis even­tuell sogar ver­doppeln könnte. Gleichwohl könnte es ihr wie schon in Bran­denburg und Sachsen ergehen, dass sie knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Die Grünen mit ihrer Spit­zen­kan­di­datin Anja Sie­gesmund werden ihr Resultat dagegen wohl nur leicht steigern können. Wie es im Moment aus­sieht, sehr viel weniger, als noch vor zwei, drei, vier Monaten zu erwarten gewesen wäre. Im Ver­gleich zu July und August fallen sie nämlich von 11 auf ca. 7,5 Prozent. Das heißt, die Grünen geraten wie schon in Bran­denburg und Sachsen kurz vor der Wahl in einen Abwärtstrend.
Die Links­partei unter Bodo Ramelow würde nach aktu­ellem Stand nur minimale Ver­luste ein­fahren, wobei dies innerhalb der Feh­ler­to­leranz liegt. Die Klein­par­teien (Sonstige) würden derzeit zusammen Ver­luste von ca. zwei bis drei Punkten hin­nehmen müssen. Ein noch dickeres Minus von etwa vier Pro­zent­punkten droht der SPD mit ihrem Spit­zen­kan­di­daten Wolfgang Tie­fensee. Derzeit deutet alles darauf hin, dass es für die SPD sogar in den ein­stel­ligen Bereich gehen wird. Der größte Wahl­ver­lierer wird aber, auch das dürfte jetzt schon relativ klar sein, die CDU unter Mike Mohring werden, welche zuletzt immerhin noch mehr als ein Drittel aller Stimmen erhielt. Der CDU droht ein Verlust von etwa acht bis neun Punkten! Doch was würde das alles für die Regie­rungs­bildung bedeuten, sollte es am 27. Oktober so oder so ähnlich kommen?
Die Regie­rungs­bildung dürfte extrem schwierig werden in Thüringen
Sollte die FDP erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, dann könnten schon ca. 45 – 46 Prozent der gül­tigen Zweit­stimmen für eine Mehrheit der Sitze im Landtag reichen. Gleichwohl käme Dun­kelrot-Grün-Rot laut ZDF und ARD im Moment lediglich auf ca. 44 Prozent. CDU und AfD zusammen dagegen auf 47 Prozent. CDU und AfD hätten also mehr Sitze im Par­lament als Links­partei, Grüne und SPD. Das heißt, Dun­kelrot-Grün-Rot hätte derzeit keine Mehrheit und könnte nicht wei­ter­re­gieren.
Wenn die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nehmen sollte, dann wären die Ver­hält­nisse noch klarer. RGR hätten dann ca. 44 Prozent, AfD, CDU und FDP ca. 52 Prozent. Sollte also die FDP den Einzug ins Par­lament schaffen, sieht es ziemlich düster aus für Rot-Grün-Rot.
Sollte Rot-Rot-Grün keine Mehrheit mehr erhalten, wird es schwer, für die derzeit regie­rende Links­partei eine neue Regierung zu bilden. Mit der AfD wird sie mit Sicherheit kein Bündnis ein­gehen wollen, also bliebe nur die CDU. Diese hätte wahr­scheinlich am liebsten eine schwarz-rot-grüne Koalition. Doch die käme nach jet­zigem Stand gerade einmal auf 41 Prozent. Sollte die FDP die Fünf­pro­zent­hürde über­winden, könnte es gerade so für Schwarz-Rot-Grün-Gelb reichen. Ansonsten müsste sich die CDU womöglich ent­scheiden, ob sie a) Juni­or­partner der Links­partei unter einem Minis­ter­prä­si­denten Bodo Ramelow werden möchte oder b) eine Koalition mit der AfD ein­gehen möchte mit Mike Mohring als Minis­ter­prä­sident. Wenn all das nicht zustande kommt, bliebe womöglich nur noch die Mög­lichkeit einer Minderheitsregierung.
Bodo Ramelow in Thü­ringen am belieb­testen, Björn Höcke extrem unbeliebt
Laut For­schungs­gruppe Wahlen (ZDF-Polit­ba­ro­meter) ist für 60 Prozent der Thü­ringer die Lan­des­po­litik wich­tiger für ihre aktuelle Wahl­ab­sicht als die Bun­des­po­litik. Für 34 Prozent ist dagegen die Bun­des­po­litik wich­tiger für ihre Wahl­ab­sicht (Rest zu 100 Prozent hier und im Fol­genden: „weiß nicht“).

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Ferner konnten die Befragten ein­zelne Poli­tiker auf einer Skala von plus fünf bis minus fünf bewerten, wie gut oder wie schlecht sie diese finden. Ergebnis: Bodo Ramelow (Linke) ist der belieb­teste Poli­tiker in Thü­ringen, Björn Höcke der mit großem Abstand unbeliebteste:
  • Bodo Ramelow (Linke): + 2,0
  • Wolfgang Tie­fensee (SPD): + 1,6
  • Mike Mohring (CDU): + 1,2
  • Björn Höcke (AfD): – 3,5

Dabei fällt auf, dass Bodo Ramelow in allen Par­tei­an­hänger-Lagern außer der AfD positive Beur­tei­lungen erhält. Björn Höcke wird dagegen von den Anhängern sämt­licher Par­teien außer der AfD extrem negativ bewertet. Uns sogar bei den AfD-Anhängern selbst erhält Höcke lediglich einen Wert von 0,7, also deutlich weniger als der nicht son­derlich beliebte Mike Mohring von allen Thü­ringern, auch von denen, die gar nicht CDU wählen wollen.
Selbst 70 Prozent der thü­rin­gi­schen AfD-Anhänger wollen nicht Björn Höcke als Ministerpräsidenten
Auf die Frage, wen sie lieber als Minis­ter­prä­si­denten hätten, Amts­in­haber Bodo Ramelow (Linke) oder den CDU-Spit­zen­kan­di­daten Mike Mohring, antworteten:

  • Bodo Ramelow: 50 %
  • Mike Mohring: 31 %

Das heißt, Ramelow ist in Thü­ringen durchaus recht beliebt. Noch viel krasser fällt das Ergebnis aus, wenn die Bürger sich zwi­schen Ramelow und dem AfD-Spit­zen­kan­di­daten Björn Höcke zu ent­scheiden hätten, wen sie zum Minis­ter­prä­si­denten wählen sollen:

  • Bodo Ramelow: 76 %
  • Björn Höcke: 6 %

Nur 6 von 100 Thü­ringern wollen Björn Höcke gerne als Minis­ter­prä­si­denten haben. Die AfD wählen wollen aber laut ZDF 20 Prozent. Das heißt, selbst 70 Prozent der AfD-Anhänger wollen auf keinen Fall Björn Höcke als Minis­ter­prä­si­denten. Dann hätten sie sogar lieber den Linken Bodo Ramelow als Höcke.
Ramelow-Höcke
 


Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com