Ist das der Plan? Bri­tische Ärzte warnen, Assange könnte die Haft in London nicht überleben

Wie dreist und geplant Julian Assange in die Falle gelockt wurde und wie das „Problem Assange“ gelöst werden soll, wird deutlich, wenn man sich die Mel­dungen der letzten Wochen zu dem Thema anschaut.
Die USA wollen Assange aus­schalten, weil er mit Wiki­leaks ihre Ver­brechen öffentlich macht. Ohne Wiki­leaks wüssten wir nichts von den Kriegs­ver­brechen der USA im Irak und in Afgha­nistan. Ohne Wiki­leaks wäre Snowden nicht mehr in Freiheit, denn es war Wiki­leaks, die sei­nerzeit seine Flucht aus Hongkong orga­ni­siert haben. Ohne Wiki­leaks wüssten wir auch nicht, wie die Demo­kraten in den USA 2015 und 2016 im Vor­wahl­kampf mit unlau­teren Mitteln Clinton gefördert und Sanders behindert haben. Und noch vieles mehr. Die Liste ist lang.
Wiki­leaks macht also genau das, was Jour­na­lismus tun sollte: Es schaut den Mäch­tigen auf die Finger und deckt ihre Ver­brechen auf. Und genau das passt den USA nicht, sie wollen Assange mundtot machen und am liebsten würde man ihn auch tot im wahrsten Sinne des Wortes sehen. Nur wie lässt sich das anstellen?
Offi­ziell wollen die USA ihm den Prozess machen, es läuft ein Aus­lie­fe­rungs­antrag. Aber ich habe immer gezweifelt, dass die USA eine Gerichts­ver­handlung anstreben. Die Medien würden wochenlang berichten und all die alten Skandale, die man ver­gessen machen will, würden wieder auf­ge­wärmt. Und es wäre schwierig, dabei Assange wie einen Böse­wicht aus­sehen zu lassen. Es ist also zu erwarten, dass Assange vorher stirbt und ähnlich wie im Fall Epstein die pein­lichen Details nicht in einem Prozess öffentlich werden.
Die Frage war also, wie man seiner habhaft werden konnten. Um hier einen Weg zu finden, der in der Öffent­lichkeit keine Pro­teste auslöst, tauchten gegen Assange Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­würfe auf. Angeblich hatte er 2010 in Schweden zwei Frauen ver­ge­waltigt, die gegen ihn Anzeige erstattet haben. Ver­ge­wal­tigung ist böse und und dass sich die Öffent­lichkeit mit einem Ver­ge­wal­tiger soli­da­ri­siert, ist eher unwahr­scheinlich. Die Medien haben aus­führlich berichtet, es ging darum, Assange in ein schlechtes Licht zu rücken.
Dabei gab es gar keine Ver­ge­wal­tigung. Assange hatte ein­ver­nehm­lichen Sex mit zwei Frauen, die sich danach betrogen fühlten und Angst hatten, sich bei ihm eine Geschlechts­krankheit geholt zu haben. Par­allel mit zwei Frauen Sex zu haben, mag mora­lisch ver­werflich von Assange sein, aber es ist keine Vergewaltigung.
Auf diese Weise kam es zu einem Haft­befehl in Schweden. Assange war zu dem Zeit­punkt in London und weil er davon aus­gehen musste, dass die Schweden ihm einen Prozess machen, dessen Ende offen war und weil aus den USA zu hören war, dass sie einen Aus­lie­fe­rungs­antrag stellen würden, war klar, dass Assange im Falle eine Pro­zesses in Schweden hin­terher an die USA aus­ge­liefert würde, selbst wenn er in Schweden frei­ge­sprochen würde.
Assange stellte dar­aufhin einen Asyl­antrag in Ecuador und flüchtete in deren Lon­doner Bot­schaft, wo er sieben Jahre fest saß. In Groß­bri­tannien lag gegen ihn nichts vor, außer einem Verstoß gegen die Kau­ti­ons­re­ge­lungen. Als Ecuador ihn dann nach einem Regie­rungs­wechsel aus seiner Bot­schaft geworfen hatte, wurde er des­wegen in Groß­bri­tannien fast zur Höchst­strafe von einem Jahr Gefängnis ver­ur­teilt, er bekam 11 Monate, und muss diese Strafe in Iso­la­ti­onshaft in einem Hoch­si­cher­heits­ge­fängnis absitzen. Die Strafe und auch das Gefängnis sind dem Ver­gehen also in keiner Weise angemessen.
Man beachte an dieser Stelle, dass es zu dem Verstoß gegen die Kau­ti­ons­re­ge­lungen nur gekommen ist, weil in London der schwe­dische Haft­befehl vorlag und Schweden die Aus­lie­ferung von Assange for­derte. Dass die Ermitt­lungen wegen Ver­ge­wal­tigung 2017 in Schweden ein­ge­stellt worden waren, inter­es­sierte nie­manden. Assange wurde auf­grund von Ver­stößen zu elf Monaten ver­ur­teilt, deren ursprüng­licher Grund nicht einmal mehr exis­tierte. Zwar hat Schweden die Ermitt­lungen im April auf Antrag der Anwälte eines der „Opfer“ nach seiner Ver­haftung in London noch einmal auf­ge­nommen, aber auch diese wurden im November nun end­gültig ein­ge­stellt. Es hat defi­nitiv keine Ver­ge­wal­tigung gegeben. Trotzdem sitzt Assange in London im Gefängnis, weil er gegen Auf­lagen ver­stoßen hat, die es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen, weil es das ihm vor­ge­worfene Ver­brechen nie gegeben hat.
Die USA fordern jetzt offi­ziell seine Aus­lie­ferung und am 25. Februar wird darüber ver­handelt, damit man ihm in den USA den Prozess machen kann.
Wie passt das zu meiner These, dass die USA gar keinen Prozess gegen ihn führen wollen, sondern dass Assange vorher im Gefängnis stirbt?
Hier kommen die Haft­be­din­gungen ins Spiel. Die UNO hat bereits zwei Mal darauf hin­ge­wiesen, dass Assange im Lon­doner Gefängnis gefoltert wird. Seine Haft­be­din­gungen stellen eine psy­cho­lo­gische Folter da. Er hat keine Zugang zu Büchern oder dem Internet, er sitzt alleine in seiner Zelle und guckt den ganzen Tag an die Wand. In solcher Iso­la­ti­onshaft kann man den Ver­stand ver­lieren. Und bei der letzten gericht­lichen Anhörung deutete alles darauf hin, dass genau das gerade pas­siert. Assange wirkte ver­wirrt und sagte, er sei nicht in der Lage, dem Prozess zu folgen.
Aber diese Haft­be­din­gungen inter­es­sieren weder die west­lichen Medien, noch die west­lichen Regie­rungen. Auf Nach­frage auf der Bun­des­pres­se­kon­ferenz sagten die Regie­rungs­sprecher, sie hätten keine Infor­ma­tionen über die Berichte des UNO-Folterbeauftragten.
In den Medien wird nur das not­wendige Minimum berichtet, aber es gibt von den „Qua­li­täts­jour­na­listen“ kei­nerlei Kritik daran, wie ein Kollege von ihnen in London behandelt wird. Anscheinend wollen sie nicht ver­stehen, dass es morgen auch jeden ein­zelnen von ihnen treffen kann, wenn sie sich ein „fal­sches“ Thema vor­nehmen. Sie müssten schon aus blankem Eigen­in­teresse massiv pro­tes­tieren und täglich berichten. Tun sie aber nicht.
Nun haben 60 bri­tische Ärzte einen offenen Brief an das bri­tische Innen­mi­nis­terium geschrieben und gefordert, Assange solle medi­zi­nische Hilfe bekommen. Darin heißt es:
„Herr Assange benötigt drin­gende eine ärzt­liche Unter­su­chung, sowohl auf­grund seines phy­si­schen, als auch seines psy­chi­schen Gesund­heits­zu­standes. (…) Die medi­zi­nische Behandlung sollte in einem gut aus­ge­stat­teten und fach­kundig besetzten Uni­ver­si­täts­lehr­kran­kenhaus (ter­tiäre Ver­sorgung) erfolgen. (…) Sollte es nicht zu der dringend nötigen Unter­su­chung und Behandlung kommen, haben wir ange­sichts der derzeit ver­füg­baren Infor­ma­tionen ernste Bedenken, dass Herr Assange im Gefängnis sterben könnte. (…) Es gibt keine Zeit zu verlieren.“
Da die bri­tische Regierung bisher nicht einmal auf die Fol­ter­vor­würfe der UNO reagiert hat, ist kaum zu erwarten, dass sie nun auf einen Brief von ein paar Ärzten reagieren wird, aber wir werden sehen. Die aktu­ellen Mel­dungen passen leider zu meiner These, dass sein Tod im Gefängnis gewünscht ist. Ich habe selten so sehr gehofft, mit meiner Ein­schätzung falsch zu liegen, wie in diesem Fall.
Aber leider passt alles zu gut zusammen: In Schweden wurde ein Vorwurf kon­struiert, um Assange zu ver­haften. Als er endlich in London des­wegen ver­haftet wird, exis­tiert der eigent­liche Vorwurf gar nicht mehr. Die USA stellen einen Aus­lie­fe­rungs­antrag, aber es ist nicht gesagt, dass Assange auch nur die Ver­handlung darüber noch erlebt, weil er wegen einer Baga­telle ver­ur­teilt wurde, aber unter Bedin­gungen inhaf­tiert ist, die denen in Guan­tanamo gleichen oder sogar schlimmer sind. Nach allem, was man weiß, hat in Guan­tanamo kein Inhaf­tierter so schnell so starkt abgebaut, wie man es jetzt bei Assange sehen konnte. Und wenn er in Haft stirbt, kommt es nicht mehr zu einem Prozess gegen ihn und an all die Skandale und Ver­brechen, die er auf­ge­deckt hat, wird nicht mehr von neuem erinnert.
Den USA wird sein Tod nur Recht sein.
Hof­fentlich liege ich mit meiner Ein­schätzung falsch!


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“