Am Mittwoch habe ich nach zwei Wochen Pause wieder über den „Ukraine-Skandal“ und das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump berichtet, weil am Mittwoch das Verfahren im Justizausschuss mit der Anhörung von vier Juristen begonnen hat. Ich habe bei der Gelegenheit eine Zusammenfassung der Ereignisse der letzten zwei Wochen veröffentlicht und einen Bericht des russischen Fernsehens über die Anhörung, weil es offensichtlich für viele Leser interessant ist, auch einmal eine Sicht zu erfahren, die vom Narrativ der deutschen Medien abweicht.
Am Donnerstag gab es gleich mehrere Artikel alleine im Spiegel, die alle nur einen O‑Ton hatten: Trump ist Schuld! Die Artikel im einzelnen anzuschauen, erübrigt sich, da sie teilweise über mehrere Absätze absolut identisch waren, es wurde da beim Spiegel viel mit copy/paste gearbeitet. Offensichtlich ging es der Redaktion nach zwei Wochen relativer Ruhe um das Thema darum, die Leser wieder daran zu erinnern, wen sie böse und wen sie nett finden sollen.
Ich muss das bei dieser Gelegenheit noch einmal wiederholen: Ich bin weder ein Fan, noch ein Unterstützer von Trump, ich kritisiere seine Politik in vielen Punkten sehr heftig. Aber die Welt ist eben nur in Hollywood (und in den deutschen „Qualitätsmedien“) schwarz-weiß, im richtigen Leben sind die Dinge meist komplexer und komplizierter. Und wenn es um das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump geht, dann muss man die ganze Geschichte kennen. Mir geht es hierbei nur um wahrheitsgemäße Berichterstattung. Und wenn ich in meinen Artikeln dabei meine eigene Meinung auch mal nicht hinter dem Berg halte, kann jeder Leser anhand der vielen Links, die ich in die Texte setze, immer nachvollziehen, wie ich zu meiner Ansicht komme. Dabei steht es jedem frei, auch zu anderen Schlussfolgerungen zu kommen.
Meine Losung ist „Bleiben Sie kritisch“ und ich fordere Sie auf: Glauben Sie auch mir nicht blind! Ich setze die vielen Links, damit Sie meine Aussagen überprüfen können und mich, wenn es denn mal vorkommt, auch auf Fehler hinweisen können. Dafür bin ich ausdrücklich dankbar.
Aber zurück zum Thema.
Am Donnerstag gab es nicht so viele echte Neuigkeiten, dass sich die Menge der Artikel im Mainstream erklären ließe. Die Meldungen des Tages waren:
- Das Amtsenthebungsverfahren wurde von den Demokraten erwartungsgemäß im Justizausschuss des Kongresses eingeleitet, die ersten Anhörungen finden am Montag, dem 9. Dezember statt. (Das wird aus vielen Gründen ein interessanter Tag, dazu gleich mehr)
- Trumps Anwalt Rudy Giuliani hat in Budapest und Kiew ehemalige Generalstaatsanwälte der Ukraine getroffen, um mit ihnen über die Machenschaften der Bidens in der Ukraine zu sprechen.
- Melania Trump, die sich sonst öffentlich zurückhält, hat sich auf Twitter über die angeblich neutralen Juristen bei der Anhörung am Mittwoch beschwert.
- Darüber habe ich in Deutschland nichts gefunden: Joe Biden hat mitgeteilt, dass er bei den Anhörungen zum Impeachment nicht aussagen möchte.
- Auch darüber gab es keine Meldung in Deutschland: Ein Zeuge der Republikaner wurde während seiner Aussage vor dem Kongress bedroht.
Nun zu den Meldungen im Detail, danach kommen wir zu dem, was der Spiegel daraus gemacht hat.
Der 9. Dezember
An dem Tag beginnen die Anhörungen vor dem Justizausschuss aus. Außerdem soll an dem Tag ein Untersuchungsbericht veröffentlicht werden, der Aufklärung geben soll, warum Trumps Wahlkampfteam 2016 vom FBI abgehört worden ist.
Außerdem findet am 9.Dezember auch noch das Normandie-Treffen zwischen Putin, Merkel, Macron und Selensky statt. Es wird also ein sehr interessanter Tag.
Giuliani auf Reisen
Rudolph Giuliani ist mit einem Filmteam eines US-Fernsehsenders in Europa unterwegs und interviewt Zeugen zum Biden-Skandal. Zur Erinnerung: Joe Biden war nach dem Maidan als US-Vizepräsident für die Ukraine zuständig und sein Sohn Hunter hat dort sofort einen Job bei einem ukrainischen Gaskonzern mit 50.000 Dollar Monatsgehalt bekommen. Hunter war in den Jahren danach nur drei Mal in Kiew und hatte in der Zeit unbestritten Alkohol- und Drogenprobleme. Wofür er die 50.000 Dollar bekommen hat und darüber hinaus mindestens 900.000 Dollar über verschlungene Wege, ist die große Frage. In der Ukraine sind sogar die Kontoauszüge der verdeckten Zahlungen veröffentlicht worden, nur ziehen es die deutschen Medien vor, ihren Lesern das zu verheimlichen.
Die Antwort ist, dass damals gegen den Gaskonzern Burisma Ermittlungen wegen Korruption, Geldwäsche und so weiter gelaufen sind und Papa Biden den ermittelnden ukrainischen Generalstaatsanwalt Schokin gefeuert hat. Der Nachfolger Luzenko hat die Ermittlungen dann ganz brav eingestellt. Joe Biden hat das selbst 2018 ganz stolz öffentlich erzählt.
Giuliani hat nun in Budapest Luzenko vor laufender Kamera interviewt und in Kiew hat er Schokin vor laufender Kamera interviewt. Der US-Sender One America News wird aus dem Material eine Dokumentation machen. Der Sender hat nach dem Interview mit Luzenko getweetet:
„Laut dem ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Luzenko hat US-Botschafterin Yovanovitch das amerikanische Volk bei den Anhörungen zum Amtsenthebungsverfahren unter Eid angelogen.“
Die Dokumentation verspricht interessant zu werden, denn die ehemalige US-Botschafterin in Kiew wird von den Demokraten als wichtige Belastungszeugin gegen Trump bezeichnet, obwohl sie in der Sache nichts mitzuteilen hatte, sondern sich nur darüber beschwert hat, dass Trump sie unfair behandelt und dass Giuliani gegen sie gearbeitet habe.
Im Gegensatz zu den deutschen Nachrichten haben die russischen Nachrichten sich recht ausführlich mit der Reise von Giuliani beschäftigt, denn Giuliani ist auf seiner Reise keineswegs kamerascheu. Auch über ein Treffen von Giuliani mit dem ukrainischen Abgeordneten Derkatsch wurde berichtet. Das ist der Mann, der die Kontoauszüge veröffentlicht hat, die die verdeckten Zahlungen an Hunter Biden belegen sollen.
Melanie Trump in Rage
Bei den Anhörungen am Mittwoch ist eine Juristin, die die Demokraten unterstützt, weit über das Ziel hinausgeschossen. Sie hat Trump unterstellt, er fühle sich wohl als König, aber er könne keine Barone ernennen, sondern höchstens sein Kind Barron nennen. Damit hat sie auf den gemeinsamen Sohn von Melania und Donald Trump angespielt. Das Kind ist 13 Jahre alt und wird so weit wie möglich von der Öffentlichkeit abgeschirmt.
Was eine solche Aussage in einer juristischen Anhörung zu suchen hat, bleibt unverständlich. Aber es zeigt eben anschaulich, dass die vorgeladenen Experten – auch wenn es sich um Juraprofessoren handelt – dort nicht als Juristen aussagen, sondern als Teil einer politischen Show. Eine Juristin, die sich in einer öffentlichen Anhörung so äußert, zeigt deutlich, wie parteiisch sie ist und das es nicht um Gesetze, sondern um griffige Schlagzeilen für die Medien geht.
Melania Trump, die sich sonst ausgesprochen still verhält, hat jedenfalls einen wütenden Tweet abgesetzt und sich beschwert, dass man nun wirklich keine Kinder zum Thema eines politischen Disputs machen darf.
Trumps Lieblingswort „Hexenjagd“ hat sie nicht verwendet, dabei würde es in diesem Fall sogar durchaus passen. Man stelle sich einmal vor, ein deutscher Politiker würde öffentlich über die minderjährigen Kinder eines anderen Politikers herziehen, da wäre der Spaß vorbei. Auch in den USA, wo politische Kämpfe weit persönlicher geführt werden, galt diese Regel bisher. Anscheinend senken die Unterstützer der Demokraten die Regeln des Anstands derzeit nach Belieben, daran ändert auch die Entschuldigung nichts, die die „Expertin“ später nachgeschoben hat.
Biden will nicht aussagen
Im Kongress haben die Demokraten die Mehrheit. Daher konnten sie auch die Vernehmung von Zeugen, die die Republikaner verhören wollten, ablehnen. Das galt für die Anhörungen im Geheimdienstausschuss und es wird nun auch für die Anhörungen im Justizausschuss gelten. Die Republikaner wollten Hunter Biden und den Whistleblower, der das Verfahren mit seinem Bericht angestoßen hat, verhören. Das konnten die Demokraten verhindern. Und dank ihrer Mehrheit war auch vorher klar, dass der Bericht über Trump negativ ausfällt.
Daher ist auch das Ergebnis der Anhörungen im Justizausschuss relativ vorhersehbar.
Joe Biden hat nun mitgeteilt, dass er nicht vor den Ausschüssen aussagen will. Das wird sich kaum verhindern lassen, wenn er vorgeladen wird, denn wenn das Verfahren an den Senat überwiesen wird, dann haben die Republikaner die Mehrheit. Und man muss sich fragen, ob die Demokraten es wirklich riskieren wollen, dass der Senat Joe und Hunter Biden, den Whistleblower und die ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwälte vorlädt, die Giuliani gerade interviewt hat. Das ganze könnte im Senat für die Demokraten furchtbar nach hinten losgehen.
Bedrohung eines Zeugen der Republikaner
Am Mittwoch wurden vier Juraprofessoren vom Kongress angehört. Drei davon waren Sympathisanten der Demokraten, einer war von den Republikanern eingeladen worden. Die Meinungen waren vorhersehbar: Die Sympathisanten der Demokraten fanden das Verfahren berechtigt, der Sympathisant der Republikaner nicht. Sein Name ist Jonathan Turley.
Jonathan Turley ist Professor an der George Washington University und einen Tag nach den Anhörungen schrieb er in The Hill, dass er noch während seiner Aussagen bedroht wurde. Sowohl bei ihm zu Hause, als auch in seinem Büro, seien Nachrichten eingegangen, er würde wegen der Aussagen seinen Job verlieren.
Die ehemalige US-Botschafterin Yovanovitch hat sich in ihren Aussagen über Bedrohungen von Trump beschwert, ohne diese belegt zu haben, und die deutschen Medien haben das aufgegriffen und in Überschriften verarbeitet.
Aber haben Sie in Deutschland davon gehört, dass am Mittwoch der von den Republikanern vorgeladene Experte bedroht wurde?
Was der Spiegel daraus macht
Der Spiegel hat sich mit Giulianis Reise beschäftigt. Der Artikel mit der Überschrift „Bericht über Rudolph Giuliani – Trumps Anwalt traf in Kiew zentrale Figuren der Ukraineaffäre“ begann mit folgender Einleitung:
„In Washington gehen die Ermittlungen gegen Donald Trump im Ukraineskandal in die nächste Runde. Wie die „New York Times“ berichtet, war sein Anwalt Rudolph Giuliani derweil für eine TV-Doku auf Dienstreise – ausgerechnet in der Ukraine.“
„Ausgerechnet in der Ukraine„. Man möchte den Spiegel fragen: Wo denn sonst? In Disneyland? Es geht bei dem Skandal um Korruptionsvorwürfe gegen Biden in der Ukraine. Wo also, wenn nicht in der Ukraine, soll Giuliani dazu ermitteln und Zeugen befragen?
Der Spiegel und die anderen deutschen „Qualitätsmedien“ verschweigen es ja gerne: Gäbe es die Korruptionsvorwürfe gegen Biden nicht, gäbe es auch kein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Der Vorwurf der Demokraten lautet ja, Trump habe Druck auf Selensky gemacht, damit der in der Ukraine in der Sache ermitteln lässt. Man fragt sich reflexartig: Wo ist eigentlich das Problem? Wenn Biden eine weiße Weste hätte, müsste er diese Ermittlungen am lautesten fordern, um die Vorwürfe zu entkräften und Trump zu blamieren. Stattdessen fordert er aber das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump.
Der Spiegel beschreibt dann – gespickt mit suggestiven Formulierungen – ausführlich, wie Giuliani durch die Gegend reist und Generalstaatsanwälte interviewt. Der Spiegel kennzeichnet Meinungsartikel, Kommentare und Kolumnen ausdrücklich als solche, daher sollte man hier erwarten, nur nüchterne Nachrichten zu bekommen, denn dieser Artikel ist nicht als Kommentar oder ähnliches gekennzeichnet.
Stattdessen kommt danach folgendes:
„Konservative Kreise in den USA klammern sich jedoch an die haltlose Behauptung, Biden habe Schokin feuern lassen, um seinen eigenen Sohn Hunter Biden zu schützen, der für eine große Gasfirma in der Ukraine arbeitete. Für diese Theorie gibt es keinerlei Belege oder auch nur Anhaltspunkte.“
Der Spiegel ordnet es freundlicherweise für seine Leser ein: Es ist eine „haltlose Behauptung„. Und es gibt „keinerlei Belege oder auch nur Anhaltspunkte„. Dass Biden selbst öffentlich damit geprahlt hat, dass er die ukrainische Regierung erpresst hat, damit sie Schokin feuert? Erfährt der Spiegel-Leser nicht. Dass in der Ukraine Kontoauszüge veröffentlicht wurden, die verdeckte Zahlungen von Burisma in Höhe von mindestens 900.000 belegen? Erfährt der Spiegel-Leser auch nicht, stattdessen „gibt es keinerlei Belege„. Und dass der neue Generalstaatsanwalt Luzenko dann brav nicht nur die Verfahren gegen Burisma eingestellt hat, sondern auch gleich noch alle laufenden Korruptionsverfahren gegen wichtige Leute in der Ukraine? Kein Wort im Spiegel darüber. Dass Biden offiziell einen neuen Generalstaatsanwalt gefordert hat weil Schokin angeblich nicht gegen Korruption vorgegangen ist, aber der neue Generalstaatsanwalt Luzenko alle laufenden Korruptionsverfahren eingestellt und danach nie wieder auch nur ein einziges eröffnet hat? Braucht der Spiegel-Leser auch nicht zu wissen.
Nachdem der Spiegel-Leser erfahren hat, dass das alles „haltlos“ ist, geht es so weiter:
„Trotzdem hatte Trump, so der Vorwurf im Kern der Impeachment-Untersuchungen, den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedrängt, Ermittlungen zu den angeblichen Verwicklungen der Bidens anzustellen. Diese hätten, einmal publik, Biden als möglichen Konkurrenten bei der Präsidentschaftswahl 2020 geschwächt. Trumps Mittelsmann in der Affäre: Rudolph Giuliani.“
Das klingt für den vorher durch Weglassen desinformierten Spiegel-Leser alles ganz böse und Giuliani, der wegen Korruption ermittelt, ist nun „Trumps Mittelsmann„. Das klingt im Spiegel fast wie bei der Mafia. Dann kommt folgendes:
„All diese Verflechtungen werden nun in den Impeachment-Ermittlungen aufgearbeitet – während sich Giuliani mit exakt den Personen trifft, die im Zentrum stehen.“
Die Verflechtungen werden also „in den Impeachment-Ermittlungen aufgearbeitet„? Ich würde den Spiegel bitten, einem begriffsstutzigen Menschen wie mir einmal erklären, wie das denn aufgearbeitet wird, wenn die Bidens und die Generalstaatsanwälte nicht verhört werden, weil die Demokraten das im Kongress mit ihrer Mehrheit verhindert haben. Ist das in den Augen des Spiegel jetzt „Aufklärung“, wenn verhindert wird, dass wichtige Zeugen vorgeladen werden?
Da muss der Spiegel sich wirklich nicht über seine neuen Spitznamen wundern. Was passt Ihrer Meinung nach am besten? „Relotius-Presse“? „Ehemaliges Nachrichtenmagazin“? Oder noch ein anderer Begriff, der mir gerade nicht einfallen will? Egal, ich bleibe bei „Qualitätsmedien“, so nennen sie sich ja auch manchmal selber, ohne den ironischen Unterton zu verstehen, den der Begriff hat.
Im letzten Absatz des Artikels kann man noch lesen:
„Viele Republikaner lassen sich jedoch auch durch die erdrückende Beweislast nicht von einem Fehlverhalten des Präsidenten überzeugen.“
Wer aber die Aussagen der Zeugen gesehen hat, der fragt sich stirnrunzelnd, von welchen „erdrückenden Beweisen“ der Spiegel schwadroniert. In meiner Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen der Anhörungen, die für den Spiegel „Beweise“ darstellen, habe ich alle Kernaussagen des Spiegel zitiert. Vergleichen Sie die Zusammenfassung des Spiegel und meine Zusammenfassung, wenn Sie möchten. Ich konnte im Spiegel beim besten Willen keine „Beweise“ finden. Überprüfen Sie es selber und teilen Sie mir bitte mit, wenn ich da etwas übersehen haben sollte.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“