„Exportweltmeister“ – klingt das nicht gut? Wir sind was in der Welt und so wie der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft etwas Tolles ist, so muss doch auch der Gewinn der – nicht existierenden – „Exportweltmeisterschaft“, etwas Tolles sein. So zumindest der Eindruck, den Medien und Politik in schöner Regelmäßigkeit erwecken.
Doch leider ist es falsch. Denn ein genauerer Blick auf die ökonomischen Zusammenhänge zeigt, dass wir uns nicht freuen sollten, sondern dringend etwas tun, um diesen Titel abzugeben. Allerdings kann es durchaus sein, dass wir schon dabei sind, dies zu tun, indem wir unsere Schlüsselindustrien demontieren. Aber das ist ein anderes Thema.
Was es bedeutet, Exportweltmeister zu sein?
Wenn ein Land einen Außenhandelsüberschuss erzielt, bedeutet dies zwangsläufig einen Export von Ersparnissen ins Ausland. Entweder in Form von Krediten oder aber in Form von Direktinvestitionen im Ausland. Um das zu erklären, tue ich mal so, als ob es keinen Außenhandel gäbe. In diesem Fall bestünde die Volkswirtschaft aus den privaten Haushalten, den Unternehmen und dem Staat. Jeder dieser Sektoren kann sparen oder Schulden machen bzw. Eigenkapital erhöhen. Die Summe der Finanzierungssalden der drei Sektoren ist per Definition null. Normalerweise sparen die privaten Haushalte, während die Unternehmen ein Defizit haben, weil sie investieren und dabei auf Finanzierung angewiesen sind. Das, was die Unternehmen nicht brauchen, leiht sich dann der Staat. Sparen die Haushalte mehr, als Unternehmen und Staat sich leihen wollen, kommt es zu einer Rezession und die Angleichung erfolgt über sinkende Einkommen und Ersparnis oder höhere Staatsdefizite. Es ist in einer geschlossenen Volkswirtschaft, also einer Welt ohne Außenhandel, nicht möglich „zu viel“ zu sparen. Es kommt zu einem Ausgleich.
Anders ist das, wenn man als weiteren Sektor das Ausland mit einführt. So kann es sein, dass ein Land Ersparnisse aus dem Ausland importiert oder eigene Ersparnisse exportiert. Die Summe der Finanzierungssalden der nun vier Sektoren, private Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland ist ebenfalls zwingend null. Wichtig zu wissen ist zudem, dass ein Nettokapitalimport aus dem Ausland zwangsläufig ein genauso großes Handelsdefizit bedeutet und umgekehrt ein Handelsüberschuss immer auch einen Nettokapitalexport in gleicher Höhe bedingt.
Schauen wir uns die Zahlen für Deutschland für genauer an:
- Finanzierungssaldo der privaten Haushalte: 4,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das bedeutet, alle Haushalte zusammen haben netto im Volumen von 4,8 Prozent des BIP gespart.
- Finanzierungssaldo der Unternehmen: 3,2 Prozent vom BIP. Also ebenfalls eine Nettoersparnis.
- Finanzierungssaldo Staat: 0,6 Prozent vom BIP – die berühmte „schwarze Null“.
Wäre Deutschland eine geschlossene Volkswirtschaft, befänden wir uns in einer schweren Krise. Es würde massiv Nachfrage, immerhin im Volumen von 8,6 Prozent des BIP fehlen, weil wir alle sparen. Doch von Krise ist keine Spur! Das verdanken wir dem Ausland, wohin wir unsere überschüssigen Ersparnisse von 8,6 Prozent vom BIP exportiert haben. Dies bedeutet aber zugleich, dass das Ausland im Volumen von 8,6 Prozent des deutschen BIP mehr Waren aus Deutschland gekauft als nach Deutschland exportiert hat. Der Titel des Exportweltmeisters gilt folglich für Waren und für Ersparnisse gleichermaßen.
Was steht hinter den Exporterfolgen?
Zunächst müssen wir festhalten, dass wir in Deutschland von Industrien leben, die es schon im Kaiserreich gegeben hat: Automobil, Maschinen-/Anlagenbau, Chemie. Auf diesen Sektoren sind wir sehr wettbewerbsstark und es ist gelungen, die Spitze der Entwicklung zu halten. Ob dies auch in Zukunft so sein wird, ist zu hoffen, aber nicht sicher. Einstmals führten wir auch bei Unterhaltungselektronik, Fotografie und Pharmazie, um nur einige zu nennen. Der Computer wurde in Berlin erfunden. Gut möglich, dass mit der Automobilindustrie der nächste Sektor vor dem Niedergang steht.
Doch wie kam es zu den Exporterfolgen der letzten Jahre, die durchaus beeindruckend sind?
Die Gründe sind vielfältig:
- Die Globalisierung führt zu einer überproportionalen Nachfrage nach Investitionsgütern, was zu unserem Exportprofil passt.
- Die Nachfrage wuchs vor allem aus China und damit ein großer Teil der Nachfragesteigerung der letzten Jahre.
- Der Euro stabilisierte die Nachfrage aus den anderen Mitgliedsländern der Eurozone, die nicht wie in der Vergangenheit gegenüber der D‑Mark abwerten konnten.
- Die Krise des Euro und die Maßnahmen der EZB, sie zu bekämpfen, führten zu einer deutlichen Abschwächung des Euro und damit zu einer überproportionalen Nachfrage nach deutschen Produkten, die so noch wettbewerbsfähiger wurden.
- Im Nachgang der Reformen der Agenda 2010 in Folge des Einführungsschocks des Euro sind die Löhne in Deutschland fast nicht mehr gestiegen. Real seit der Euroeinführung um rund 0,4 Prozent pro Jahr. Dies macht deutsche Waren noch wettbewerbsfähiger.
Wir sehen also, dass es neben der unstrittigen Qualität hiesiger Firmen und Arbeitnehmer vor allem externe Faktoren waren, die dazu geführt haben, dass unsere Wirtschaft immer exportabhängiger wurde.
Ist es schlecht, so abhängig vom Export zu sein?
2019 wurden von Deutschland Waren im Wert von 1 327,6 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 1 104,1 Milliarden Euro importiert. Damit lag die sogenannte Exportquote, also der Anteil der Exporte am BIP bei rund 32 Prozent. Das ist solange erfreulich, solange das Ausland bei uns weiter in diesem Maße einkauft. Doch das beschreibt auch das Problem:
- Schon 2019 kam es zu einer deutlichen Abschwächung der hiesigen Industrieproduktion aufgrund geringerer Nachfrage aus China.
- Dies dürfte sich angesichts der Corona-Epidemie in China im Frühjahr 2020 fortsetzen und könnte zu einer Rezession führen.
- Es gibt zunehmend Kritik an den Handelsüberschüssen, was Protektionismus zu einer echten Gefahr macht.
Donald Trump ist mit seiner Kritik an Deutschland nicht allein. Noch nicht so laut, aber ähnlich deutlich kommt Kritik aus Italien und Frankreich, und sie dürfte sich in Zukunft weiter verstärken. Wundern kann es nur den naivsten Beobachter – also vor allem die deutsche Bundesregierung. Seit Jahren nehmen die Spannungen wegen der enormen Handelsüberschüsse zu. Während wir diese politisch und medial feiern, machen wir damit vor allem eines: Wir entziehen einer Welt, die kollektiv unter Nachfrageschwäche leidet, Kaufkraft. Nichts können die anderen Länder und Regionen weniger gebrauchen.
Kommt es zu einem – wie auch immer ausgelösten – Rückgang der Exporte, trifft uns das hart. Andere Wirtschaften mit besser balanciertem Handel sind nicht in diesem Maße vom Zustand der Weltwirtschaft abhängig.
Ist es nicht richtig, Kapital im Ausland anzulegen?
Da wir seit Jahren Handelsüberschüsse aufweisen, exportieren wir auch seit Jahren Kapital in erheblichem Maß ins Ausland. Theoretisch bauen wir damit Vermögen auf, das wir zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel, wenn die Folgen des demografischen Wandels eintreten, verkaufen können, um dann unseren Lebensstandard zu erhalten.
Das Problem ist jedoch, dass wir das Geld im Ausland nicht gut investieren. Die Summe der Außenhandelsüberschüsse der letzten Jahre ist nämlich höher als der Zuwachs an Auslandsvermögen. Alleine in der Finanzkrise, schätzt das DIW, haben wir 400 bis 600 Milliarden Euro verloren – also fast den Überschuss von zwei Jahren! Die Summe der Handelsüberschüsse der letzten Jahre liegt deutlich über dem Zuwachs des Auslandsvermögens.
Diese Politik wird ungebremst fortgesetzt. Die TARGET2 –Forderungen der Bundesbank liegen bei über 900 Milliarden Euro. Diese Milliarden sind eine Forderung gegen Krisenländer wie Griechenland und Italien, die mit dem „Hauptfinanzierungssatz“ der EZB – also null – verzinst werden. Im besten Fall bekommen wir auf unsere Ersparnisse also keine Zinsen. Im schlimmsten Fall verlieren wir zumindest einen Teil im Zuge der unumstößlich auf uns zukommenden Schuldenrestrukturierung im Euroraum – egal, ob offen durch Schuldenschnitte oder verdeckt durch Inflation. Wir hätten unsere Autos genauso gut verschenken können.
In einer Welt, die sich immer mehr dem Zustand der Überschuldung nähert, ist es keine gute Idee, Gläubiger zu sein. So erinnert das deutsche Sparverhalten an das Eichhörnchen, das zwar fleißig vorsorgt, aber vergisst, wo es die Ersparnisse versteckt hat.
Studie zeigt: Wir legen unser Geld sehr schlecht an!
Ein Team von Ökonomen hat sich den Erfolg der deutschen Kapitalanlage im Ausland gründlich angeschaut. Wer es gern dynamisch erklärt haben möchte, dem empfehle ich die Aufnahme der Präsentation von Professor Schularick – einem der Autoren – im ifo Institut.
Die Studie kann man auch nachlesen: → EXPORTWELTMEISTER: THE LOW RETURNS ON GERMANY’S CAPITAL EXPORTS
Es lohnt sich, die Studie zu lesen, wenn man bereit ist, sich mit einer der prominentesten Ursachen für unser geringes Vermögen – Stichwort „Märchen vom reichen Land“ – zu beschäftigen. Zunächst die Feststellung: Die Dimensionen sind gigantisch!
- „(…) the last decade is characterized by exceptionally high surpluses, even by historical standards. The recent surpluses were about three times higher relative to GDP than in gold standard times and during the so-called economic miracle in the 1950s and 1960s. As a result of consistently high capital exports, Germany ranks among the worlds top external creditors, both in absolute numbers and relative to GDP, as Figure 3 shows.“ – Stelter: Das ist unser aller Vermögen und deshalb betrifft es uns alle, was wir daraus machen!
- „Furthermore, Figure 4 shows that Germany not only has a large net position but also a large gross position. Both the asset and liability positions rose strongly since the mid- 1990s and now amount to 256 % and 197 % of GDP respectively. While they initially grew in tandem leaving the net position at relatively small levels, the gap has been increasing since the mid-2000s and especially in recent years. While the net position has been positive over the entire post-war period with few exceptions, it currently stands at above 50 % of GDP. This reflects Germany’s sustained past current account surpluses.“ – Stelter: Hier zeigt sich die ungesunde Hatz auf den Exportweltmeistertitel!
- „How does Germany’s international investment position (IIP) compare to accumulated capital exports? In a simple framework, one can think of Germany’s external asset portfolio as a savings account. Adding up all the payments that have flown into this account corre- spond to the historical book value of gross investments. The difference between historical costs and market value then reflects valuation gains on that portfolio. In other words, the larger the difference between the accumulated flow measure and the current market value of external investments, the higher the capital gains. Figure 5 demonstrates that the value of Germany’s (gross) foreign asset position very closely tracks the cumulated current accounts. This implies that the valuation gains, i.e., the wedge between historical flows and current market value, cannot have been large. In light of the multi-decade asset price boom that has characterized the world economy in the past decades this is clearly noteworthy.“ – Stelter: „clearly noteworthy“, dass ich nicht heule. Es ist ein Ausweis außerordentlichen Versagens und es betrifft – ich wiederhole mich – uns alle!
- „Germany today is the world’s foremost exporter of savings. More than 300 billion Euros of German savings are sent abroad every year. Despite the heavy losses on American and other investments in the 2008 crisis, Germany has exported 2.7 trillion Euros in the past decade alone, equivalent to about 70% of GDP. These capital outflows came from German banks, firms, and households. Unlike in China or Japan, the public sector has played only a secondary role in the build-up of Germany’s foreign asset stock, despite the Bundesbank’s much-debated Target2 claims within the Eurosystem (2018, Target2 claims accounted for about 10% of Germany’s total external assets).“ – Stelter: Das ist doch schon mal eine Aussage! 2.700 Milliarden wurden in das Ausland exportiert. Und was haben wir daraus gemacht?
- „Various voices in the domestic debate view Germany’s capital outflows favorably. Often-heard arguments include the potential for international risk sharing and as a hedge against adverse demographic trends, in line with the traditional textbook view. An aging country like Germany (…) can benefit from investing abroad and achieve better investment returns in younger, more dynamic economies abroad. Storing wealth abroad will also help for risk sharing and consumption insurance, for example when German households are hit by a recession while other countries are not, resulting in stabilizing capital income transfers from abroad.“ – Stelter: Wie beim privaten Sparen setzt das aber voraus, dass man sich gut um seine Ersparnisse kümmert und das Geld intelligent anlegt!
Die Ergebnisse zusammengefasst:
- „First, we find that the returns on German foreign assets are considerably lower than those earned by other countries investing abroad. Since 1975, the average of Germany’s yearly foreign returns was about 5 percentage points lower than that of the US and close to 3 percentage points lower than the average returns of other European countries. Germany fared particularly bad as an equity investor where investment returns under-performed by 4 percentage points annually.“ – Stelter: Wenn ich 100 Euro anlege, werden daraus bei 10 Prozent pro Jahr von 1975 bis heute 7290 Euro, bei 5 Prozent pro Jahr 898 Euro – 6391 Euro Unterschied!
- „Second, we find that Germany earns significantly lower foreign returns within each asset category, after controlling for risk. This suggests that Germany’s weak financial performance abroad is not merely the result of a more conservative investment strategy that focuses on safer assets. The low German returns compared to other countries also cannot be explained by exchange rate effects (appreciation), nor by the recent build-up of Target2 balances. Instead, valuation losses are a big part of the explanation. The valuation of Germany’s external asset portfolio has stagnated or decreased, while other countries witnessed considerable capital gains, on average. Germany’s frequent investment losses are remarkable given that the world economy has witnessed a spectacular price boom across all major asset markets over the past 30 years.“ – Stelter: In der Diskussion beim ifo Institut wird in diesem Zusammenhang erwähnt, dass es auch die Unternehmen sind, die falsche Investitionen tätigen und so im Ausland viel Geld verlieren. Man denke an ThyssenKrupp in Brasilien und an Bayer mit Monsanto.
- „Third, German returns on foreign investment were considerably lower than the returns on domestic investment. This is an important insight for the policy debate on the merits of domestic vs. foreign investment. The difference was particularly pronounced in the last decade, when the average return on a domestic portfolio of German bonds, equity, and real estate was about 4 percentage points higher per year than the returns on Germany’s foreign assets.“ – Stelter: Nun könnte man meinen, dass dies klar ist, weil man näher dran ist und es besser managed. Andererseits haben wir wie angesprochen einen weltweiten Boom der Vermögenswerte erlebt. Da muss man schon besonders doof sein, um so schlecht abzuschneiden.
- „Fourth, we find little evidence that foreign returns have positive effects for consumption insurance. The return on Germany’s external assets is highly correlated with German economic activity – even more so than domestic returns – and, thus, provides no hedge against domestic consumption shocks. Moreover, 70 % of Germany’s foreign assets are invested in other advanced economies that face similar demographic risks. In the past decade, less than 10 % of capital flows went to younger, more dynamic economies outside of Europe or North America, despite the fact that emerging markets now account for more than 50 % of world GDP.“ – Stelter: wobei die Assetmärkte gerade in den Industrieländern hochgegangen sind, die Schwellenländer underperformen schon eine Weile. Das heißt, die intellektuell eigentlich falsche regionale Allokation hätte in den letzten Jahren eine super Rendite erbringen müssen. Hat sie aber nicht.
- „Table 1 summarizes the main findings of the paper. The table ranks countries by their average return on foreign investments (…) Germany has the worst investment performance among the G7-countries. In the full country sample from 1975 to 2017, Germany ranks 12th, with only Finland performing worse. The picture looks similar if we consider the past decade (2009–2017), where Germany ranks on the 10th place. The same is true when we use real returns, deflating each country’s foreign asset returns with domestic inflation rates.„
- „The cumulative effects of these bad investment returns are quantitatively large, as can be illustrated with a simple counterfactual exercise. In the decade since the 2008 financial crisis alone, Germany could have become about 2 to 3 trillion Euros richer had its returns in global markets corresponded to those earned by Norway or Canada, respectively. This implies a (hypothetical) wealth loss of 70 to 95 % of German GDP (see Section 5 for details). On a per capita basis, this implies an amount of 28.000 to 37.300 Euros of foregone wealth for each German citizen (compared to the performance of Norway and Canada). These numbers are only an illustrative thought experiment, but they highlight the economic magnitude of high vs. low returns on foreign investments. (…) Figure 1 compares the total return performance of German foreign investments, US and UK external assets, as well as a portfolio of domestic German assets (stocks, bonds and houses). Assume you invested 1 Euro in global capital markets in 1975 and that you reinvest any dividends or interest gains. As of 2017, you would own 40 to 60 times of that initial investment had you followed the investment strategy of the UK or the US. In comparison, the initial investment only increased by a factor of 7 using the returns on German foreign assets (before inflation).“
Welche Rolle die Qualität der Geldanlage hat, ist übrigens auch daran ersichtlich, dass die USA seit Jahren ein Handelsdefizit fahren, sich also im Ausland verschulden und dennoch meist ein positives Auslandsvermögen haben. Nur wenn der Dollar stark aufwertet wie in den letzten Jahren, gibt es temporär ein negatives Auslandsvermögen. Bis zur nächsten – unweigerlich – kommenden Dollar-Abwertung. Insofern ist Donald Trump auf dem Holzweg, mit seinem Blick auf das Handelsdefizit der USA.
Woran liegt es?
Da lohnt der Blick auf die Struktur des Auslandsvermögens und auf die Verwalter unseres Auslandsvermögens. Wiederum aus der bereits zitierten Studie:
- „The rise in the overall level in assets was largely driven by increases in foreign direct investment and portfolio investment reflecting increasing international financial integration. Reserve assets on the other hand made up 20 – 30 % of all assets until the 1970s and have become almost irrelevant today. Target2 balances have been increasing in recent years but only represent about 10 % of all assets. As Target2 balances do not generate income, they could potentially bias our estimated downwards, and throughout the paper we will pay close attention that our findings are unaffected by this.“ – Stelter: Es liegt also nicht daran, dass wir auf die TARGET2-Forderungen keine Zinsen bekommen. Schon so sind unsere Erträge schwach.
- „In addition to the composition by functional category, one can also decompose the foreign asset position by domestic sectors. Here, the balance of payments distinguishes between four broad sectors: banks, firms and households, the government, and the central bank. In more recent data, the non-bank private sector is further split into financial firms and non-financial firms plus households. The panel shows that the increase in gross position since the 1990s was mainly driven by banks increasing their exposure relative to GDP. However, since the financial crisis the banking sector reduced its exposure. This decline has been partially offset by non-financial firms.“ – Stelter: Dass unsere Banken nicht gerade Weltklasse sind, wissen wir schon lange. Es genügt auch ein Blick auf die Ranglisten der größten Banken der Welt, um zu erkennen, dass das Finanzwesen nicht gerade eine Stärke der Deutschen ist. Dies ist als solches nicht schlimm, nur muss man sich dann Profis holen.
Und das Ergebnis ist ernüchternd.
Zum einen würden wir mehr verdienen, wenn wir unsere Ersparnisse im Inland anlegten:
Zum anderen sind wir im internationalen Vergleich einfach nur schlecht:
Was zur Frage führt: Woran liegt es? Darüber kann man nur spekulieren. Die Forscher haben es bewusst um die Folgen von Währungsaufwertungen korrigiert. Es liegt also wirklich an der Art der Geldanlage. Wir können oder wollen es offensichtlich nicht richtig machen. Deshalb sollten wir zwei Dinge tun:
- weniger im Ausland anlegen,
- unsere Anlagen im Ausland besser managen.
Mehr im Inland investieren
Eingangs habe ich den Zusammenhang zwischen Ersparnissen und Handelsbilanz gesehen. Dabei ist es irrelevant, ob nun die Ersparnisse zu den Handelsüberschüssen oder die Handelsüberschüsse zu den Ersparnissen führen, eine unter Ökonomen heftig geführte Diskussion. Klar ist, dass es uns nichts bringt, Geld im Ausland zu verlieren. Besser, mehr im Inland zu investieren, vor allem weil es sich auch noch besser verzinst!
Wir brauchen also dringend ein Programm für mehr Investitionen im Inland:
Der Staat muss von der schwarzen Null abrücken – deren falschen Charakter ich in der vergangenen Woche beleuchtete – und entsprechend mehr im Inland investieren (statt weiter mehr zu konsumieren)! Er würde mehr von den Ersparnissen der Privathaushalte absorbieren und damit sogar einen kleinen Effekt auf die Zinsen haben.
Die Unternehmen müssen aufhören, Netto-Sparer zu sein und ebenfalls mehr im Inland investieren. Anders als bei privaten Haushalten, die im Schnitt immer sparen sollten, ist es bei Unternehmen als Sektor normal, dass sie mehr investieren und sich dazu Kapital von den Sparern besorgen, egal ob als Eigen- oder Fremdkapital. Sie sollten also einen negativen Finanzierungssaldo haben und hatten das in der Vergangenheit auch, wie diese Abbildung zeigt:
Quelle: KfW, Destatis; BWS steht für Bruttowertschöpfung
Die Ursache liegt auf der Hand:
- unattraktive Steuerbelastung
- schlechte und zunehmend verfallende Infrastruktur
- Rückstand bei Digitalisierung und Mobilfunk
- absehbar schlechte demografische Entwicklung
- Verfall des Bildungswesens
- falsche politische Prioritäten mit mehr Dirigismus (siehe Donnerstag bei bto)
- Technologieskepsis, investitions- und innovationsfeindliches Klima.
Was ist also zu tun?
- Mehr staatliche Investitionen in bessere Infrastruktur, Digitalisierung führen auch zu mehr privaten Investitionen.
- Staatliche Förderung von Innovation.
- Umstellung der Besteuerung der Unternehmen, um Investitionen besonders zu begünstigen, also keine generelle Steuersenkung, sondern Anreize zu Investitionen in Sachvermögen, aber auch Forschung und Entwicklung.
- Weniger Regulierung und Bürokratie.
- Eine nachhaltige Klimapolitik mit planbaren Kosten, wettbewerbsfähigen Energiepreisen und Verstand.
- Bekenntnis der Politik zur freien Marktwirtschaft und Investition statt Konsum.
Da dies nicht absehbar ist, dürfte der Ersparnisüberhang in Deutschland weiter bestehen bleiben – zumindest bis zu dem Punkt, an dem die De-Industrialisierung so weit vorangeschritten ist, dass die Exporte deshalb fallen. Keine schönen Aussichten.
Das Geld besser im Ausland anlegen
Bleiben wir Weltmeister im Export unserer Ersparnisse, sollten wir sie besser anlegen. Eine mögliche Idee ist, sich am Vorbild anderer Länder zu orientieren und einen „Staatsfonds“ aufzulegen. Angesichts des bisherigen Erfolges unserer Auslandsanlagen, dem geringen ökonomischen und finanziellen Wissen der Bevölkerung – siehe individuelle Geldanlage – und mehr noch unserer Politiker, mag diese Idee völlig abwegig sein.
Das unterstreichen bereits die Äußerungen führender Politiker. So fordern beispielsweise die Grünen einen „Bürgerfonds“ für Deutschland „Der Fonds sollte allen Bürgern offenstehen und langfristig in sinnvolle Projekte zum Umbau der Wirtschaft investieren“, sagte Habeck. Die Bürger würden von Gewinnzuwächsen profitieren. Zugleich könne sich die Lage an den Finanzmärkten stabilisieren. Habeck verwies auf existierende Vorbilder wie den norwegischen Staatsfonds. ‘Insofern wäre so ein Bürgerfonds kein Hexenwerk, sondern machbar.’“ → F.A.Z.: „Grüne fordern Bürgerfonds für die Altersvorsorge“, 23. September 2019 Offensichtlich geht es hier nicht um bessere Rendite, sondern um einen Topf, mit dem aus Sicht der Politik „langfristig sinnvolle Projekte zum Umbau der Wirtschaft“ finanziert werden sollen.
Genau das darf nicht damit gemeint sein. Wenn man im Inland mehr investieren möchte (und das sollte man ja, wie dargelegt!), dann sollte man sich dafür verschulden.
Hier geht es um Anlagen im Ausland und damit per Definition außerhalb des Zugriffs der Parteien. Nur dann ist es ein sinnvolles Unternehmen.
Die Idee eines Staatsfonds für Deutschland ist nicht neu. So schlugen bereits 2013 die Ökonomen Daniel Gros und Thomas Mayer einen solchen Fonds vor: → F.A.Z.: „Ein Vermögensbildungsfonds für Deutschland“, 22. November 2013
- „Die deutsche Regierung haftet dafür in Höhe von 431 Milliarden Euro, darunter nominal mit 291 Milliarden Euro über das Eurosystem. Über das Interbankzahlungssystem „Target 2“ hat die Bundesbank 561 Milliarden Euro (Stand 31. Oktober 2013) an die EZB zur Weiterleitung an die Defizitländer verliehen. Die mit deutscher Staatsgarantie vergebenen Kredite sind der Natur nach ein Staatsfonds zur Anlage deutscher Überschussersparnisse im Ausland. Gegenüber anderen Staatsfonds zeichnet sich der deutsche Fonds durch seine hohe Konzentration der Anlagen in finanzschwachen Staaten und Banken der Eurozone und durch seine geringe Verzinsung aus.“ – Stelter: Und wir haben gesehen, dass es bei den privaten Investitionen nicht besser aussieht!
- „Die Wirtschaftspolitik kann (…) dafür sorgen, dass die deutschen Überschussersparnisse dauerhaft gewinnbringend angelegt und der deutsche Sparer vor der schleichenden Enteignung durch Inflation geschützt wird. Dazu kann sie die von deutschen Sparern bevorzugten festverzinslichen Anlagen in höher rentierende Dividendenwerte transformieren. Durch breite Diversifizierung und einen langfristigen Anlagehorizont kann dies ohne höheres Risiko erreicht werden.“ – Stelter: Und genau das machen die anderen Staatsfonds inklusive der Schweizer Notenbank, die faktisch wie ein Staatsfonds agiert.
- „Aufgrund der Schwierigkeit des privaten Sektors, nationale Überschussersparnisse gewinnbringend im Ausland anzulegen, haben Länder mit chronischen Leistungsbilanzüberschüssen in der Regel staatliche Fonds zu diesem Zweck geschaffen. Der klassische Fall eines Landes mit chronischem Leistungsbilanzüberschuss ist ein rohstoffreiches Land mit relativ geringer Bevölkerung. Dort können die Erlöse aus Rohstoffexporten von den Inländern nicht vollständig zu Konsum und Investition verwendet werden. Sie werden daher über einen Staatsfonds in ausländische Vermögenswerte angelegt.“ – Stelter: Statt, dass jeder Norweger allein das Geld im Ausland anlegt, machen es die Norweger gemeinsam.
- „Erreicht würde dies dadurch, dass ein zu gründender deutscher Vermögensbildungsfonds im Inland langlaufende Anleihen zur privaten Altersvorsorge mit einem garantierten positiven Realzins anbietet. Damit die Garantien des Staatsfonds langfristig nicht im Trend relativ zum Bruttoinlandsprodukt wachsen, könnte sich der Realzins am deutschen Potentialwachstum von etwa einem Prozent pro Jahr orientieren. Darüber hinausgehende Anlageerfolge könnten den Sparern als Boni gutgeschrieben werden. Bei Eintritt in den Ruhestand würde dann das Altersvorsorgevermögen zur Aufbesserung der staatlichen Rente graduell abgebaut.“ – Stelter: Bei professionellem Management und langem Anlagehorizont ist das allemal besser als das, was wir heute machen.
- „Die aufgenommenen Mittel würde der Fonds langfristig in Beteiligungen an Unternehmen und öffentlicher Infrastruktur im In- und Ausland anlegen. Die globale Allokation der Mittel könnte sich an der Größe des Bruttoinlandsprodukts der Länder orientieren. (…) Da der Vermögensfonds wegen seiner größeren Möglichkeit zur Diversifizierung und seines längeren Anlagehorizonts die mit Anlagen in Unternehmensbeteiligungen und Infrastrukturprojekten verbundenen höheren Risiken besser tragen kann als der Privatinvestor, kann er diesem die einem Aktienportfolio entsprechende Rendite bei dem einem Rentenportfolio entsprechenden Risiko bieten.“ – Stelter: Das ist alles so einleuchtend, das man sich fragt, warum wir das nicht machen. Wichtig ist aber die richtige Governance, damit es eben nicht politischen Wunschprojekten dient, sondern der Geldanlage zur Vermögensbildung!
Auch das ifo Institut hat sich (deutlich später) für einen solchen Fonds ausgesprochen:
Die Bertelsmann-Stiftung kommt in einer vergleichenden Untersuchung ebenfalls zu einem positiven Schluss und fasst die Voraussetzungen für einen Erfolg zusammen:
→ Bertelsmann Stiftung: „Ein Staatsfonds für Deutschland“
- „Regierungsunabhängige Organisation: Das norwegische Finanzministerium erteilt der norwegischen Zentralbank ein Verwaltungsmandat für den Government Pension Fund Global.“ – bto: Es dürfen auch keine Politiker im Anlageausschuss sitzen!
- „Transparenz: Der norwegische Staatsfonds gilt als Vorbild für die Umsetzung der GAPP (Anmerkung: das sind die Grundsätze ordentlicher Buchführung). Das Land hält ein diversifiziertes Portfolio aus Minderheitsbeteiligungen und agiert somit als purer finanzieller Investor. Zudem sind ausführliche Informationen über die Verwaltung des Fonds öffentlich zugänglich, (…) Die hohe Transparenz beugt nicht nur dem Misstrauen in den Empfängerländern, sondern auch in der einheimischen Bevölkerung vor.“ – Stelter: Auch das ist einleuchtend.
- „Ethikkommission überprüft Investitionsentscheidungen: In Norwegen prüft eine unabhängige Ethikkommission die Einhaltung sozialer, ethischer und ökologischer Richtlinien bei Unternehmen, in die investiert wird bzw. werden soll. Auf diese Weise hat der Staat die Möglichkeit, aktiv den Wandel der Marktwirtschaft hin zu ethischem und nach- haltigem Wirtschaften zu gestalten.“ – Stelter: Das sehe ich bei einem staatlich organisierten Fonds für unvermeidlich an. Es muss nur gelten, dass diese Kriterien einmal festgelegt werden und nicht in jedem Einzelfall politische Einmischung möglich ist.
- „Nur die erwirtschaftete Rendite darf verwendet werden: Nur die durchschnittlich erwirtschaftete Rendite von jährlich vier Prozent darf in Norwegen für den Staatshaushalt, und somit bspw. zur Deckung von Pensionsforderungen, verwendet werden. Das garantiert eine nachhaltige Vermögensakkumulation, schützt das Staatsfondsvermögen vor kurzfristigen Plünderungen und kombiniert ein Sparziel sinnvoll mit anderen Zielsetzungen.“ – Stelter: Bei einem Fonds, wie von Gros und Mayer vorgeschlagen, wäre dies anders. Da würde auch das eingezahlte Kapital zurückgezahlt, was aber auf Dauer keine Rolle spielen sollte.
- „Beschränkung inländischer Investitionen: Der norwegische Staatsfonds darf ausschließlich im Ausland investieren, um die Entwicklung des Fondsvermögens auch in einheimischen Wirtschaftskrisen zu stabilisieren und inländische Rezessionen nicht noch zu verstärken. Eine inländische Investitionsbeschränkung wäre aus demselben Grund auch für einen deutschen Staatsfonds empfehlenswert, um mit einem stark diversifizierten Portfolio das Risiko etwaiger Vermögensverluste breit zu streuen. Würde zu viel im Inland investiert, könnte die Investitionsstrategie nicht ausreichend diversifiziert sein. Zudem beugt es Vetternwirtschaften und Korruption vor.“ – bto: wichtig!
„Die regierungsunabhängige Organisation eines deutschen Staatsfonds könnte dadurch gewährleistet werden, dass das Bundesministerium der Finanzen der Deutschen Bundesbank ein Verwaltungsmandat erteilt. Die Bundesbank hat Erfahrung mit der Verwaltung von Fondsvermögen, sie hat bereits das Mandat für mehrere Pensionsfonds. Sie ist z. B. an der Verwaltung des Bayerischen Pensionsfonds beteiligt. Eine unabhängige Ethikkommission könnte die Investitionsentscheidungen der deutschen Zentralbank hinsichtlich ethischer, sozialer und ökologischer Richtlinien überprüfen und gegebenenfalls ein Veto einlegen. Die Vorgaben sollten im Bundestag beschlossen werden. Die Legislative sollte sich ebenfalls darauf einigen, dass nur die erwirtschaftete Rendite verwendet werden darf, um die Ziele des Fonds zu verfolgen. Auch die Einhaltung der GAPP sollte gesetzlich verankert werden.“ – Stelter: vernünftige Vorschläge.
Hingegen sehe ich diesen Punkt bei Bertelsmann sehr kritisch: „Die Einschränkung von Inlandsinvestitionen kann hingegen dem Konzept des Investitions‑, Entwicklungs- und Infrastrukturfonds entgegenstehen, weil sie gerade dazu da sind, um in eigene Regionen und Industrien zu investieren.“ – Stelter: Zum einen geht es hier ja um die bessere Anlage unserer Auslandsersparnis, zum anderen um Rendite! Je mehr die Politik ihre Wünsche verfolgt, desto geringer dürfte diese ausfallen.
Fazit
Das nächste Mal, wenn sie die Jubelmeldungen vom Exportweltmeister hören, sind sie hoffentlich nicht mehr so stolz. Denn es ist nicht klug, was wir machen. Es gäbe aber Mittel und Wege, die besser für unseren Wohlstand wären.
Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com
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