By Wladyslaw Sojka - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Kli­ma­wandel: BIZ gibt grünes Licht für aktive Rolle der Notenbanken

Der Kampf gegen den Kli­ma­wandel bietet den idealen Ansatz für Noten­banken, Staaten direkt zu finan­zieren, um so das öko­no­mische Problem von Sta­gnation und Über­schuldung zu lösen. Nun hat die Bank für Inter­na­tio­nalen Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) eine neue Studie ver­öf­fent­licht, die sich mit den Folgen des Kli­ma­wandels für das Finanz­system und die Rolle der Noten­banken beschäftigt. In dem sehr lesens­werten Paper werden die beson­deren Risiken des Kli­ma­wandels – aber auch der Maß­nahmen dagegen – für das Finanz­system intensiv beleuchtet.

Risiken für das Finanzsystem

Aus­führlich geht die BIZ auf die Risiken für das Finanz­system ein. Dabei stehen zwei Arten von Gefahren im Vordergrund:

  • Die „phy­si­schen Risiken“, also tat­säch­liche Schäden durch Sturm, Über­schwemmung, Hitze. Diese reichen von Zer­störung von Ver­mö­gens­werten und Leben bis hin zu gerin­gerer Arbeits­pro­duk­ti­vität und einer Ver­schiebung von Res­sourcen von der Inves­tition in die Zukunft zur Behebung von Schäden.
  • Die „Über­gangs­ri­siken“, zum Bei­spiel durch einen schneller als erwar­teten Umstieg von fos­silen Brenn­stoffen zu erneu­er­baren Energien, der zu einer Abwertung der Ver­mögen der Unter­nehmen führt, die fossile Brenn­stoffe fördern und nutzen.

Beide Arten von Risiken sind deshalb so gefährlich, weil das Welt­fi­nanz­system auch zehn Jahre nach der Krise, wie bereits von mir hier erläutert, immer noch mit geringem Eigen­ka­pital und hohem Risiko ope­riert. Kommt es bei­spiels­weise zum Konkurs eines großen Ölpro­du­zenten, führt dies zu erheb­lichen Kre­dit­aus­fällen, die die Kre­dit­geber nicht ver­kraften würden. Der schei­dende Chef der Bri­ti­schen Notenbank, Marc Carney, spricht in diesem Zusam­menhang von einem „grünen Minsky-Moment“. Als Minsky-Moment bezeichnet man den Zeit­punkt, an dem kre­dit­fi­nan­zierte Blasen platzen, es also zum ulti­ma­tiven Margin Call kommt. Ein welt­weiter Crash wäre die unver­meid­liche Folge. Leider wäre dieser umso wahr­schein­licher, je schneller wir Fort­schritte in Richtung einer kli­ma­neu­tralen Wirt­schaft machen.

Damit nicht genug. Selbst ohne Crash sehen die Experten der BIZ das Risiko stei­gender Roh­stoff­preise, weil Lie­fer­ketten zusam­men­brechen und es damit wahr­scheinlich zu uner­war­teten und starken Preis­schüben bei wich­tigen Vor­pro­dukten käme. Alter­nativ könnten die Preise für CO2 in Folge von Natur­ka­ta­strophen und poli­ti­schen Reak­tionen explo­dieren. „Dra­ma­tische“ Ver­tei­lungs­kon­flikte zwi­schen, aber auch innerhalb von Ländern wären die Folge, so die BIZ.

Aus­führlich dis­ku­tieren die Experten mög­liche Ansatz­punkte durch bessere Regu­lierung, Model­lierung von Sze­narien und Änderung der Rech­nungs­legung von Unter­nehmen, um diese Risiken in den Griff zu bekommen. Doch auch nach der Lektüre dieser denk­baren Maß­nahmen bleibt der ungute Ein­druck, dass die nächste Finanz­krise hier ihren Ursprung haben könnte.

Eigentlich müssten höhere Eigen­ka­pi­tal­quoten und geringere welt­weite Ver­schuldung durch­ge­setzt werden. Die BIZ dis­ku­tiert dies – wenig ver­wun­derlich – nicht, denn schon der Versuch, die Schulden im System zu redu­zieren, würde aus­reichen, um den Crash, der ver­mieden werden soll, aus­zu­lösen. Hier rächt sich, dass wir uns um das Berei­nigen der Exzesse vor der Finanz­krise bis heute her­um­ge­drückt haben.

CO2-Preis genügt nicht

Auch in anderer Hin­sicht ist das Papier der BIZ ernüch­ternd. Während die meisten Öko­nomen – ich zähle mich aus­drücklich dazu – in einem weltweit ein­heit­lichen und stei­genden CO2-Preis die öko­no­misch beste Variante zur Reduktion des CO2-Aus­stoßes sehen, befürchten die Experten der BIZ, dass dies nicht genügen wird.

Sie sprechen gar von einem „Markt­ver­sagen“. Zwar erwarten sie auch, dass Unter­nehmen und Haus­halte bei einem CO2-Preis die rich­tigen Ent­schei­dungen treffen, die den CO2-Ausstoß ver­ringern. Doch dies genügt nach Auf­fassung der Experten nicht, die dafür zwei wesent­liche Ursachen sehen:

  • Dieser Ansatz wird zwar seit Jahr­zehnten dis­ku­tiert, aber gehandelt wird nicht in aus­rei­chendem Umfang. Die Regie­rungen haben schlichtweg darin versagt, ent­spre­chende Preise durch­zu­setzen. (Was ich aller­dings nicht „Markt­ver­sagen“, sondern „Poli­tik­ver­sagen“ nennen würde). Auf­grund dieses Ver­säum­nisses steigt die Gefahr von Kli­ma­er­eig­nissen mit ent­spre­chenden Verlusten.
  • Die Unsi­cherheit ist für Unter­nehmen und Haus­halte so groß, dass sie die Sze­narien nicht bewerten können. Deshalb trifft die nötige tief grei­fende Änderung auf Wider­stand und die Kosten einer Ver­hal­tens­än­derung für den Ein­zelnen stehen letztlich einem abs­trakten und unsi­cheren Nutzen für die Welt­be­völ­kerung gegenüber. Folge: Es pas­siert nichts.

Aus diesem Grunde kommt die BIZ zu der Schluss­fol­gerung, dass es ohne stärkere staat­liche Ein­mi­schung nicht geht. So sollten die Staaten durch mehr Inves­ti­tionen in die Infra­struktur den Umstieg auf alter­native Tech­no­logien fördern.

Bevor unsere eher inter­ven­tio­nis­ti­schen Poli­tiker in Berlin sich jetzt bestärkt sehen, erlaube ich mir den Hinweis, dass wohl niemand ernsthaft das deutsche Vor­gehen beim Thema Kli­ma­schutz als Vorbild ansehen kann. Im Irr­glauben, es besser zu wissen als die Märkte, hat unsere Politik in den letzten Jahren Mil­li­arden in eine Ener­gie­wende gesteckt, ohne einen posi­tiven Effekt für das Klima zu erzielen. Als Bei­spiel mag die För­derung der Pho­to­voltaik dienen, die bisher 82 Mil­li­arden gekostet hat, ungefähr zu einer Ein­sparung von zwei Prozent des hie­sigen CO2-Aus­stoßes bei­trägt und zum Aufbau einer Pho­to­voltaik-Industrie in China geführt hat. Wenn wir so wei­ter­machen, kostet es 4.000 Mil­li­arden Euro, um kli­ma­neutral zu werden. Wenn schon staat­liche Hilfe, dann bitte intel­ligent.

Intel­ligent wäre bei­spiels­weise – wie es auch die BIZ vor­schlägt –, Grund­la­gen­for­schung, Ausbau der öffent­lichen Infra­struktur und private Inves­ti­tionen zu fördern. Was genau dann gemacht wird, sollte aber der Markt ent­scheiden und nicht Poli­tiker oder Bürokraten.

Geld- und Fis­kal­po­litik Hand in Hand?

Damit stellt sich die Frage nach der Finan­zierung dieses gigan­ti­schen Umbaus. Ein Problem vor dem nicht nur Ursula von der Leyen steht, die zwar eine Billion ver­sprochen, aber noch nicht auf­ge­trieben hat.

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Hier kommt die BIZ mit einem für diese Insti­tution doch sehr über­ra­schenden Gedanken um die Ecke: Es wäre nötig, über eine engere Abstimmung von Geld- und Fis­kal­po­litik nach­zu­denken. Klartext: Die BIZ sieht aus­drücklich den Weg, über den ich in meinem Beitrag am Montag nach­ge­dacht habe.

Dabei spielt es keine Rolle, dass die Sta­tuten der Noten­banken den Kampf gegen den Kli­ma­wandel nicht beinhalten. Die EZB hat offi­ziell nur ein Ziel: Preis­sta­bi­lität. Die BIZ zeigt sich da fle­xibel. Schon in der Ver­gan­genheit hätte sich das Mandat der Noten­banken je nach Umständen fle­xibel ent­wi­ckelt und in der Finanz­krise wäre es ja auch nicht um Preis­sta­bi­lität, sondern um Sys­tem­rettung gegangen. Vor­schläge für „grüne Geld­po­litik“ wären demnach nur ein Erweitern der Ver­ant­wort­lich­keiten der Notenbanken.

Die Autoren ver­weisen auf die „schnell wach­sende Lite­ratur“, die eine bessere Koor­di­nation von Geld- und Fis­kal­po­litik fordert. Vor allem aus den USA kommen Stimmen, die einen „Green New Deal“ vor­schlagen und die direkte Finan­zierung des Staates aus­drücklich fordern. Füh­rende Ver­tre­terin ist Ste­phanie Kelton, die in der „Modern Monetary Theory“ (MMT) die Lösung aller Pro­bleme sieht. Diese ist weder „monetär“ noch „modern“, da es letztlich um höhere Staats­aus­gaben über die Noten­presse geht – ein schon in der Wei­marer Republik bekanntes Vor­gehen. Dennoch findet sie zunehmend Gehör bei Poli­tikern, die nicht nur ange­sichts der finan­zi­ellen Her­aus­for­de­rungen des Kli­ma­wandels, sondern auch der oft leeren Kassen, zu gern nach neuen Geld­quellen suchen. Die BIZ sieht die Risiken und betont: „(…) num­erous expe­ri­ments in the history of hyper­in­flation in advanced eco­nomies and mostly in deve­loping countries show that, while out­right default in a country’s own central bank cur­rency might be avoided, the value of domestic assets including money could be reduced to almost zero.” 

Ganz so weit sollen die Noten­banken demnach nicht gehen. Doch könnten sie durch anhaltend bil­liges Geld sicher­stellen, dass die Zinsen unter der nomi­nalen Wachs­tumsrate liegen, was nicht nur die bestehenden Schulden sta­bi­li­siert, sondern es auch erlaubt, sich immer höher zu ver­schulden. Statt der direkten Finan­zierung also die Garantie, dass die Zinsen nie mehr steigen und wenn nötig, wieder gesenkt werden, sollte das Wachstum weiter zurück­gehen. Letztlich ist es nichts anderes als die direkte Staats­fi­nan­zierung über Umwegen. Der Unter­schied zum offenen MMT liegt darin, dass die Noten­banken ent­scheiden, wie viel Geld sie zur Ver­fügung stellen und nicht die Politik. Ein wohl nur theo­re­ti­scher Unter­schied, steht die Unab­hän­gigkeit der Noten­banken doch schon länger und nicht nur durch Donald Trump in Frage.

Ganz nebenbei könnte – so die BIZ – der Kampf gegen den Kli­ma­wandel dabei helfen, das andere „Rätsel“ in den Indus­trie­ländern zu lösen: das geringe Wachstum und die geringe Inflation trotz deutlich gesun­kener Arbeits­lo­sigkeit. Gelingt es, Wachstum und Inflation durch den Kampf gegen den Kli­ma­wandel nach oben zu bringen, wäre das allemal besser als andere Ver­suche, die auf mehr Konsum der pri­vaten Haus­halte setzen, so die BIZ. Genau die Dop­pel­stra­tegie, die sich für Europa bereits abzeichnet, wie ich am Montag darlegte.

Damit ist die BIZ die letzte der nam­haften Insti­tu­tionen nach IWF, OECD und Weltbank, die das Tor auf­macht zum großen mone­tären End­spiel. Ausgang: offen.


Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com