Bild: Sawsan Chebli, via Wikimedia Commons, Pelz, CC BY-SA 3.0

Die ver­lorene Ehre der Sawsan Chebli – bloß keine Gele­genheit für Tamtam ver­streichen lassen

Was eine Belei­digung ist, hat keine ein­deutig klaren Grenzen. Ist Dummkopf eine Belei­digung? Nein, würde man sagen. Das ist eher eine harmlose Kritik. Aber ist Gehirn­vakuum eine? An welcher Stelle wird eine übliche Unmuts­äu­ßerung zu Hass und Hetze? Es gibt Leute die schütteln das mit Leich­tigkeit ab, andere sind da emp­find­licher. Natürlich fördert man die Auf­regung öffentlich enorm,  aber nur bei den Bevöl­ke­rungs­gruppen, die sakro­sankt sind.

Weiße alte Männer, also die Sorte „Scheiß­kar­toffeln“, die unser Land immer noch maß­geblich am Laufen halten, darf man belei­digen und beschimpfen, ihnen alles an Bösem unter­stellen – und sie wehren sich nicht, weil sie genau wissen, dass sie sowieso nicht Recht bekommen.

All­gemein ist der Ton im Netz rauer geworden. Man geht leider schnell zu per­sön­lichen Angriffen über. Und immer wieder mit­tenmang Frau Chebli. Sie mischt sofort kräftig mit, wo die Torten ins Gesicht fliegen, teilt gna­denlos aus und ist stock­be­leidigt, wenn sie im Getümmel einen Treffer kassiert.

Aber die ehe­malige Staats­se­kre­tärin Sawan Chebli gehört zu ihrem Glück zu den Sakro­sankten. Das hat sie ihrer Her­kunft und ihrer Haut­farbe zu ver­danken und der Tat­sache, dass sie eine Frau ist. Was sie in ihrer Funktion als Staats­se­kre­tärin an Erfolgen zuwege gebracht hat, ist zumindest nicht öffentlich bekannt. Sie ist haupt­sächlich durch ihre Empö­rungs­auf­tritte in die Medien gekommen. Dabei hat sie nicht gerade immer einen guten Instinkt, auf welch dünnem Eis sie sich bewegt. Nicht immer gehen ihre Frech­heiten, die sie gern um sich herum ver­teilt, für sie gut aus.

So auch dieses Mal. Leute, die beden­kenlos aus­teilen, aber nichts ein­stecken können, nennt der Volksmund gern „Mimo­fanten“ (Mimose im Ein­stecken, aber Elefant im Aus­teilen). Nun macht sie wieder von sich reden.

Der Fall liegt etwas mehr als zwei Jahre zurück. In seiner Come­dy­sendung befasste sich Dieter Nuhr Ende 2020 mit dem Buch der Autorin Alice Hasters, (eine Frau mit einem weißen und einem schwarzen Elternteil) „Was weiße Men­schen über Ras­sismus nicht hören wollen – aber wissen sollten“. Er sin­nierte darüber, dass allen Weißen immer grund­sätzlich unter­stellt werde, Ras­sisten zu sein. Das hatte die Autorin aber nir­gends im Buch explizit behauptet.

Frau Chebli wit­terte wieder einmal eine Chance auf „virtue signalling“, ein Begriff, der so etwas, wie Tugend­prot­zerei bedeutet. Sie schimpfte wie ein Rohr­spatz auf Facebook:

„Immer wieder Dieter#Nuhr: so ignorant, dumm und unin­for­miert. Er [kann] nur Witze auf Kosten von Min­der­heiten machen. Wie lange will @ARD das mitmachen?“

Auch nicht gerade nett. Satire und Comedy macht IMMER Witze auf Kosten von Irgendwem. Nun hat gerade Frau Chebli mit dieser üblen Beschimpfung Dieter Nuhrs die Verbal-Kei­lerei auf Hoch­touren gebracht. Ein Wort ergab das andere, und irgendwann pol­terte jemand aus Heil­bronn los:

„Selten so ein däm­liches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli. Soll einfach abtauchen und die Sozi­al­schulden ihrer Familie begleichen.“

Absolut nicht nett, aber in der Hitze des Gefechts, bei dem auch Frau Chebli kräftig mit­ge­mischt hatte, nun auch nicht so streng zu bewerten. Das eigent­liche Wort, das der Heil­bronner mit „Gehirn-Vakuum“ wahr­scheinlich ele­ganter umschreiben wollte, heißt im Sprach­ge­brauch „Hohl­birne“.  Dennoch meinte Frau Sawsan Chebli, den Mann vor Gericht zerren zu wollen. Mög­li­cher­weise ist dabei das Kalkül im Hin­terkopf, dass eine pro­mi­nente Frau aus Zuwan­de­rer­fa­milie sowieso die bes­seren Karten vor Gericht hat, als ein „alter, weißer Mann“. Diese Rechnung geht eigentlich immer auf. Aber diesmal nicht. Das Gericht wies Frau Cheblis Klage kos­ten­pflichtig ab, das heißt, sie musste auch noch Gerichts­kosten zahlen.

Prof. Dr. Thomas Fischer ist ein Münchner Rechts­anwalt und Rechts­wis­sen­schaftler, ehemals Vor­sit­zender Richter des 2. Straf­senats am Bun­des­ge­richtshof und Kolumnist der Seite „Legal Tribune Online“, auf der er recht­liche Fragen und Pro­bleme erörtert und bewertet. So auch die Klage von Frau Chebli

Er seziert den Ablauf des Schlag­ab­tau­sches im Netz und wer den Ton eigentlich maß­geblich ver­schärft hat. Als Dieter Nuhr über das erwähnte Buch räso­nierte, sagte dieser:

“Die Frau behauptet ernsthaft, als Weißer wäre ich auto­ma­tisch Rassist (…) Das Buch war in den USA ein Rie­sen­renner (…) Ehrlich gesagt glaube ich, dass diese Form der Schein­in­tel­lek­tua­lität einer arro­ganten Linken maß­geblich dafür ver­ant­wortlich ist, dass es so etwas wie Donald Trump geben konnte.”

Tat­sächlich wurde in dem Buch gar nicht behauptet, “Weiße” seien “auto­ma­tisch Ras­sisten”. Es war in den USA über­haupt nicht erschienen, deshalb dort auch kein “Renner”. Frau Chebli gab dar­aufhin den Kom­mentar ab, in dem sie Nuhr als „so ignorant, dumm und unin­for­miert“ etc. bezeichnete. Dazu meldete sich der CDU-Land­tags­ab­ge­ordnete und CDU-Vor­sit­zende Bran­den­burgs, Jan Redmann, mit einem Twitter-Pos zu Wort:

“Hat die poli­tische Linke nun endlich einen Vorwand gefunden, einen der wenigen Kaba­ret­tisten, der nicht klar links der Mitte steht, vom Sender nehmen zu wollen? Dieter Nuhr hat einen Fehler gemacht, ok. Er ist dennoch ein meist kluger und oft lus­tiger Beitrag zur Vielfalt in der Medienlandschaft.”

Das wie­derum griff der Heil­bronner User auf seiner Face­book­seite auf und schrieb den Inkri­mi­nierten Aus­spruch mit dem Hirn-Vakuum, der ihm die Klage von Frau Chebli eintrug. Diese warf dem Heil­bronner eine ganze Latte von Para­grafen vor: Belei­digung nach §185 StGB, üble Nachrede (früher „Ver­leumdung“) nach § 186 StGB, Ver­letzung des all­ge­meinen Per­sön­lich­keits­rechtes (Art. 1, Art. 2 GG in Ver­bindung mit § 823 Abs. 1 BGB) und ver­wirk­liche rechts­widrig Schutz­ge­setze im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB.

Der Heil­bronner ver­suchte es zum einen mit der Behauptung, er habe das gar nicht geschrieben, er habe den Laptop mit der geöff­neten Facebook-Web­seite sowohl am Arbeits­platz stehen lassen als auch im Fami­li­en­kreis. Es könnte sogar sein, dass er gehackt worden sei. Aber auch, wenn er es geschrieben hätte, sei der Aus­spruch von der Mei­nungs­freiheit abge­deckt. Von Mär dem gehackten Laptop oder der von einem Anderen geschrie­benen Äußerung hielt das Gericht wenig, befand das aber auch für irrelevant, weil die Anspielung auf „Sozi­al­schuld“ keine ehr­ver­let­zende Tat­sa­chen­be­hauptung dar­stelle, sondern eher eine Wertung.

Was die Belei­digung angeht, erkannte das Gericht (laut Prof. Dr. Thomas Fischer) fol­gende Wertungsgesichtspunkte:

  • dass die Klä­gerin eine in der Öffent­lichkeit ste­hende Poli­ti­kerin ist;
  • dass ein Sach­bezug der Äußerung des Beklagten zu den vor­an­ge­gan­genen öffent­lichen Äuße­rungen bestand,
  • dass die Klä­gerin in ihrer zitierten (von dem Poli­tiker Redmann ver­linkten) Äußerung ein ähn­liches Voka­bular wie der Beklagte ver­wendet habe,
  • dass die Klä­gerin die pole­mische öffent­liche Aus­ein­an­der­setzung selbst begonnen habe.

Unter Berück­sich­tigung dieser Umstände, so das Land­ge­richt, könne die Äußerung des Beklagten noch nicht als “reine Schmäh­kritik” ange­sehen werden, sondern bewege sich noch innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit.

Wie zu erwarten, setzt sich Frau Chebli und ihre poli­tische Entourage nicht mit den Argu­menten des Gerichtes aus­ein­ander, sondern packt die Moral­keule aus. Das Urteil ist nicht falsch, weil es feh­lerhaft ist. Sondern weil das wegen der Poli­tical Cor­rectness einfach nicht sein darf: “Das Gericht sendet mit dieser Ent­scheidung ein fatales Signal. Mei­nungs­freiheit bedeutet nicht, dass man Men­schen aufs Übelste belei­digen und dif­fa­mieren darf.”

Prof. Dr. Thomas Fischer stellt klar, dass weder jedwede Schmähung und Belei­digung von der Mei­nungs­freiheit gedeckt ist, noch reicht es aus, wenn jemand sich sub­jektiv beleidigt „fühlt“ oder jemand Drittes meint, dass jemand in seiner Ehre gekränkt wurde. Überdies gelten in der poli­tisch-öffent­lichen Aus­ein­an­der­setzung andere Regeln, als in pri­vaten Dis­puten. Solange noch ein Sach­bezug zu sehen ist, müssen Per­sonen des Öffent­lichen Inter­esses (Poli­tiker) auch scharfe und unsach­liche Kritik hin­nehmen. Ins­be­sondere, da die „Klä­gerin Chebli die öffent­liche, pole­mische Dis­kussion begonnen hat, indem sie den Künstler (‚Kaba­ret­tisten‘) Nuhr, bezogen auf seine Per­sön­lichkeit, als ‚so ignorant, dumm und unin­for­miert‘ beschimpfte und aus­führte, er ‚(könne) nur Witze auf Kosten von Min­der­heiten machen‘.“

Außerdem sei „die Bezeichnung einer Person als ‚ignorant und dumm‘ im Voka­bular der Bezeichnung als ‚däm­liches Stück‘ zumindest ähnlich. Das gilt auch für die Bezeichnung ‚Hirn-Vakuum‘. Sie geht zwar in der Schärfe über den Chebli-Angriff hinaus, erreicht aber noch keine völlig neue Qualität.“

Zum Schluss seiner Aus­füh­rungen merkt Prof. Fischer noch fol­gendes an:

„Die Belei­di­gungs-Recht­spre­chung eignet sich nicht für for­mel­hafte abs­trakte Rechts­sätze darüber, welche Äuße­rungen ‚erlaubt‘ und welche ‚ver­boten‘ seien. Die Abwägung zwi­schen dem Grund­recht der Mei­nungs­freiheit und ihre Grenzen bestim­menden Regeln muss stets unter Beachtung der Umstände des Ein­zel­falls vor­ge­nommen werden. All­ge­meine, poli­tische Meta-Regeln, wie die, es müsse ‚dem Hass ent­ge­gen­ge­treten‘ oder es müsse ‚das Per­sön­lich­keits­recht geschützt‘ werden, sind Pro­gramm­sätze, die nicht geeignet sind, die Ent­scheidung von Streit­fällen im Ein­zelfall zu bestimmen.“

Die Orga­ni­sation „HateAid“ unter­stützt Frau Sawsan Chebli und kün­digte bereits an, in die nächste Instanz zu gehen.

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