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Neue BRICS-Währung: „Das kann die Welt aus den Angeln heben“

Interview mit Thorsten Polleit

Ludwig von Mises Institut Deutschland (LvMID): In der inter­na­tio­nalen Presse ist zu lesen, dass die BRICS (also Bra­silien, Russland, Indien, China und Süd­afrika) eine neue Han­dels­währung her­aus­geben wollen. Es wird sogar gemunkelt, die geplante Trans­ak­ti­ons­einheit könnte gold­ge­deckt sein. Bereiten die BRICS einen neuen Gold­standard vor?

Thorsten Polleit (TP): Nein, ich denke nicht, dass die BRICS einen neuen Gold­standard errichten wollen. Ich vermute auch nicht, dass die BRICS sich eine gemeinsame Währung zulegen wollen – wie es die Länder fata­ler­weise im Euroraum gemacht haben. Den BRICS geht es vielmehr darum, dem US-Dollar Kon­kurrenz zu machen. Sie wollen der Vor­herr­schaft des US-Dollars etwas ent­ge­gen­stellen, ihre wirt­schaft­liche und poli­tische Abhän­gigkeit vom Greenback redu­zieren, am liebsten wohl den US-Dollar als inter­na­tionale Reser­ve­währung „ent­thronen“. Eine Mög­lichkeit dazu wäre, dass die BRICS, wie nun zu hören war, eine gold­ba­sierte Rechen­einheit für inter­na­tionale Trans­ak­tionen aus der Taufe heben.

LvMID: Den US-Dollar zurück­zu­drängen, ihn gar zu ver­drängen – ist das aktuell tat­sächlich möglich? Oder ist der Plan der BRICS, eine neue Han­dels­währung zu schaffen, eher eine Art mone­täres Säbelrasseln?

TP: Der US-Dollar ist ohne Zweifel nach wie vor die Währung Nummer eins auf der Welt. Bör­sen­täglich finden an den Devi­sen­märkten Umsätze von umge­rechnet 7,5 Bil­lionen US-Dollar statt. In fast 89 Prozent aller Devi­sen­markt­trans­ak­tionen spielt der Greenback direkt oder indirekt eine Rolle. Zum Ver­gleich: Der Euro kommt nur auf 31 Prozent, der japa­nische Yen nur auf 17 Prozent. Der US-Dollar domi­niert also ein­deutig bei inter­na­tio­nalen Handels- und Finanztransaktionen.

Ver­mutlich hat das Ein­frieren der rus­si­schen Wäh­rungs­re­serven durch die US-Admi­nis­tration – es handelt sich um etwa 600 Mrd. US-Dollar – bei vielen nicht-west­lichen Regie­rungen nun aber das Fass end­gültig zum Über­laufen gebracht, die Alarm­glocken schrillen lassen. Sie sind sich wohl mehr denn je bewusst geworden, dass ihre US-Dollar-Wäh­rungs­re­serven ein großes Risiko bergen: Gerät man mit Washington über Kreuz, ist man plötzlich seine US-Dollar-Gut­haben los. Oder die Ame­ri­kaner ver­schließen einem den Zugang zum US-Dollar-Kapi­tal­markt oder zum inter­na­tio­nalen Zah­lungs­ver­kehrs­system. Aus dieser Per­spektive gesehen ist es also ver­ständlich, dass die BRICS – sie reprä­sen­tieren etwa 40 Prozent der Welt­be­völ­kerung und haben zusammen eine Wirt­schafts­leistung in Höhe der US-ame­ri­ka­ni­schen – sich das nicht gefallen lassen wollen.

LvMID: Aber wie kann das funk­tio­nieren? Kann eine neue Han­dels­währung einfach so am Reiß­brett geplant werden? Ist das auch der Grund, warum gemutmaßt wird, die BRICS könnten eine gold­ba­sierte Han­dels­einheit auf den Markt bringen?

TP: Die BRICS könnten eine neue Bank gründen, zum Bei­spiel die „BRICS-Bank“, die bei Gründung durch Gold­ein­lagen der BRICS-Zen­tral­banken bezie­hungs­weise der BRICS-Staaten finan­ziert wird. Die phy­sisch ein­ge­la­gerten Gold­be­stände würden in der Bilanz der BRICS-Bank auf der Aktiv­seite aus­ge­wiesen – und zwar in der Nomi­nierung, sagen wir, „BRICS-Gold“. Dabei könnte zum Bei­spiel 1 BRICS-Gold als 1 Gramm Feingold defi­niert werden. Die BRICS-Bank könnte dar­aufhin Kredite gewähren in BRICS-Gold (etwa an Expor­teure aus dem eigenen Län­der­kreis bezie­hungs­weise an Güter­im­por­teure aus dem Ausland). Nach­folgend kann die BRICS-Bank auch weitere Gold­ein­lagen ent­ge­gen­nehmen von inter­na­tio­nalen Inves­toren, die auf diesem Wege BRICS-Gold-Depo­siten bezie­hungs­weise Anleihen halten, die die BRICS-Bank ausgibt, um ihr Kre­dit­ge­schäft zu finanzieren.

LvMID: Haben denn die BRICS genügend Gold? 

TP: Den Zahlen des World Gold Council zufolge besaßen die BRICS Ende des dritten Quartals 2023 5.453 Tonnen Gold mit einem Marktwert von etwa 350 Mrd. US-Dollar. Das ist natürlich relativ wenig ange­sichts des Welt­han­dels­vo­lumens, das sich allein im Jahr 2021 auf etwa 28,5 Bil­lionen US-Dollar belief, wie die Zahlen der UNCTAD ver­deut­lichen. Die BRICS könnten jedoch beginnen, zunächst einige wenige Güter (zum Bei­spiel Öl oder seltene Erde) gegen die neue Trans­ak­ti­ons­einheit zu expor­tieren und nach und nach den mit BRICS-Gold gehan­delten Güter­kreis erweitern. Die Expor­teure aus den BRICS-Staaten und aus den wei­teren Mit­glieds­ländern müssten dabei aller­dings bereit sein, ihre Güter gegen BRICS-Gold anstelle von US-Dollar & Co zu ver­kaufen; und die Impor­teure aus den west­lichen Ländern müssten bereit und in der Lage sein, ihre Rech­nungen in BRICS-Gold zu bezahlen.

LvMID: Wie würden denn Impor­teure aus anderen Ländern an die BRICS-Han­dels­währung gelangen?

TP: Nach­frager nach BRICS-Gold müssten sich ent­weder bei der BRICS-Bank einen BRICS-Gold-Kredit besorgen. Oder phy­si­sches Gold im Markt kaufen und sodann in eine dafür vor­ge­sehene Lager­stelle (bei der BRICS-Bank oder einer lizen­sierten Lager­stelle) ein­bringen, und die Gewichts­ein­heiten des ein­ge­la­gerten Goldes werden Ihnen dann auf Ihrem Konto in ent­spre­chenden BRICS-Gold-Depo­siten gut­ge­schrieben. Bei Bezah­lungs­vor­gängen werden bei­spiels­weise die BRICS-Gold-Gut­haben eines Güter­im­por­teurs (gehalten bei der BRICS-Bank) dem Konto eines Güter­ex­por­teurs gut­ge­schrieben (eben­falls gehalten bei der BRICS-Bank oder bei einer lizen­sierten Lagerstelle).

LvMID: Welche wei­teren Folgen wären denn zu erwarten, wenn die BRICS wirklich ernst machen und eine gold­ge­deckte Rechen­einheit herausgeben?

TP: Es könnte sehr tur­bulent werden. Man könnte an das Fol­gende denken: Die Gold­nach­frage steigt merklich an, der Gold­preis gemessen in US-Dollar, Euro & Co, aber auch in den Wäh­rungen der BRICS, schnellt in die Höhe. Ent­spre­chend ver­fällt die Kauf­kraft der nicht gold­ge­deckten Wäh­rungen US-Dollar, Euro & Co, aber auch von Rubel, Rupie und Ren­minbi gegenüber dem Gold. Die­je­nigen, die Gold halten, erfahren einen ent­spre­chenden Kauf­kraft­zu­wachs. Über­setzt sich das in eine stei­gende Güter­nach­frage, steigen über kurz oder lang auch die Güter­preise in den offi­zi­ellen Wäh­rungen – das Fiat-Geld würde folglich ent­wertet. Wei­terhin bauten die BRICS – soweit sie Han­dels­über­schüsse aus­weisen bezie­hungs­weise künftig wei­terhin erzielen – Gold­re­serven auf. Sie wären so gesehen die Gewinner der „Wäh­rungs­um­stellung“, die Länder mit einem Han­dels­bi­lanz­de­fizit, allen voran die USA, hätten das Nachsehen.

LvMID: Wie Sie bereits gesagt haben: Nicht nur der Westen fiele in die Krise, auch die Kauf­kraft der BRICS-Wäh­rungen würde abnehmen, wenn sich Gold als Geld eta­bliert. Zudem würden die BRICS bei einer realwert-gebun­denen Währung auch ihre Freiheit im Hin­blick auf Geld- und Fis­kal­po­litik ein­büßen. Ein wahr­schein­liches Szenario? 

TP: Richtig, auch auf die BRICS würden gewaltige Umstel­lungs­kosten zukommen. Dem steht gegenüber, dass sie die Vor­herr­schaft der USA und des Westens im Geld- und Finanz­system mög­li­cher­weise beenden würden, ihre auf Fiat-Geld auf­ge­bauten Schul­den­wirt­schaften platzen lassen könnten. Und würde dieser „monetäre Coup“ gelingen, hätte der Westen wirt­schaftlich und geo­po­li­tisch abge­dankt, könnten die BRICS die gold­ge­deckte inter­na­tionale Han­dels­währung wieder ein­ziehen und mit ihrem Fiat-Geld wei­ter­machen wie vorher. Das alles ist natürlich sehr spe­ku­lativ, aber man erkennt schon: Eine BRICS-Han­dels­währung könnte die Welt, wie wir sie heute kennen, in wirt­schaft­licher und finan­zi­eller Hin­sicht und damit auch geo­po­li­tisch aus den Angeln heben. Was man in jedem Falle sagen kann, ist, dass die Frage nach dem Geld für die Welt nach wie vor nicht zufrie­den­stellend beant­wortet ist.

LvMID: Keine Wäh­rungs­ordnung währte bislang ewig. Wie schätzen Sie die Zukunft der vom US-Dollar domi­nierten aktu­ellen Ordnung ein und was halten Sie für eine öko­no­misch ver­nünftige Wäh­rungs­ordnung, die bestän­diger sein könnte?

TP: Nach 1945 waren die USA die unan­ge­fochtene Wirt­schafts- und Mili­tär­welt­macht, der US-Dollar die Welt­re­ser­ve­währung quasi ohne Kon­kurrenz. Diese Ära geht jetzt mit raschen Schritten ihrem Ende ent­gegen. Doch was soll an seine Stelle treten? Das Fiat-Geld ist öko­no­misch und ethisch pro­ble­ma­tisch, und es ist sicherlich nicht wün­schenswert, wenn ein anderer Staat sein Fiat-Geld zur Welt­währung erhebt – oder eine Staa­ten­gruppe wie die BRICS. Solange die Staaten das Geld­mo­nopol inne­haben, können die Men­schen nicht auf gutes Geld hoffen. Ich sehe nur eine über­zeu­gende Lösungs­mög­lichkeit: einen freien Markt für Geld. Die Men­schen müssen sich die Freiheit nehmen, das Geld zu ver­wenden, das ihren Zwecken am besten ent­spricht; und Anbietern muss es frei­stehen, ihren Mit­men­schen ein Gut anzu­bieten, von dem sie meinen, es werde frei­willig als Geld nach­ge­fragt. Ein freier Markt für Geld würde die Welt natürlich auch von den vielen Übeln befreien, die das Fiat-Geld in die Welt bringt. Die BRICS werden vom 22. – 24. August in Johan­nisburg, Süd­afrika tagen. Viel­leicht erfahren wir dann mehr, wie es mit dem Wäh­rungs­projekt der BRICS wei­tergeht. Ich vermute, das Thema wird uns weiter beschäftigen.

LvMID: Sehr geehrter Herr Polleit, herz­lichen Dank für dieses Interview!

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Pro­fessor Dr. Thorsten Polleit ist seit April 2012 Chef­volkswirt der Degussa, Europas größtem Edel­me­tall­han­delshaus. Davor war er als Ökonom 15 Jahre im inter­na­tio­nalen Investment-Banking tätig. Thorsten Polleit ist zudem Hono­rar­pro­fessor für Volks­wirt­schafts­lehre an der Uni­ver­sität Bay­reuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institut, Auburn, Alabama, Mit­glied im For­schungs­netzwerk „ROME“ und Prä­sident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Im Jahr 2012 erhielt er den The O.P. Alford III Prize

 

Der Artikel erschien zuerst hier: misesde.org