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“Par­tei­en­pri­vileg”. Von orga­ni­sierter Kriminalität

Der 1. Sep­tember ist ein geschichts­träch­tiges Datum, nicht nur, weil seit 5.45 Uhr zurück­ge­schossen wurde, sondern auch weil zum 1. Sep­tember 1948 der Par­la­men­ta­rische Rat damit begonnen hat, über ein Grund­gesetz zu beraten. Es hat bis zum 8. Mai 1949, noch ein geschichts­träch­tiges Datum, gedauert, bis Einigkeit über den Text des Grund­ge­setzes erzielt wurde. Letztlich haben 53 Ver­treter des Par­la­men­ta­ri­schen Rats dafür, 12 dagegen gestimmt und das Grund­gesetz wurde zum 23. Mai 1949 ver­kündet. Zu denen, die aus unter­schied­lichen Gründen gegen das Grund­gesetz gestimmt haben, gehören sechs der acht Abge­ord­neten der CSU [Karl Sigmund Mayr, Josef Fer­dinand Klein­dienst, Gerhard Kroll, Wilhelm Laforet, Anton Pfeiffer, Kaspar Gott­fried Schlör, Josel Schwalber, Kaspar Seibold], die beiden Abge­ord­neten der Deut­schen Partei [Wilhelm Heile, Hans-Christoph Seebohm], die beiden Abge­ord­neten des Zen­trums [Helene Wessel, Johannes Brockmann] und die beiden Abge­ord­neten der Kom­mu­nis­ti­schen Partei [Heinz Renner, Max Reimann]. Indes ist der Kom­promis, der letztlich Grund­gesetz wurde, obschon ihn der baye­rische Landtag nicht rati­fi­zierte, einer jener Kom­pro­misse, aus denen dennoch ein klar erkenn­barer miss­traui­scher Geist gegenüber PAR­TEIEN atmet, einer, der freilich seit Ver­kündung durch zahllose Ände­rungen weit­gehend ent­stellt wurde.

Ein Artikel, in dem der Geist des Grund­ge­setzes, der Geist des Miss­trauens in die­je­nigen, die auf Grundlage des Grund­ge­setzes einst poli­tische Posi­tionen ein­nehmen werden, noch her­vor­ragend nach­voll­zogen werden kann, ist Artikel 21 des Grundgesetzes.

Obschon er Par­teien eine Mit­wirkung an der poli­ti­schen Wil­lens­bildung zuweist, ist Artikel 21 einer voller Miss­trauen, in dem es darum geht, die demo­kra­tische Ordnung gegen Par­teien zu ver­tei­digen, Par­teien, die nicht auf dem Boden der frei­heitlich-demo­kra­ti­schen Grund­ordnung und der Ver­fassung stehen. Als Richter über die Ver­fas­sungs­kon­for­mität von Par­teien werden aus­drücklich Bun­des­ver­fas­sungs­richter benannt, in der Annahme, dass es poli­ti­schen Par­teien nicht gelinge werde, das Bun­des­ver­fas­sungs­gerich zu unterminieren.

Nicht einmal die Väter des Grund­ge­setzes, deren Durch­schnitts­alter bei mehr als 60 Jahren lag, konnten sich das Ausmaß vor­stellen, das Par­tei­en­kor­ruption einst annehmen würde. Das will etwas heißen, denn alle Abge­ord­neten im Par­la­men­ta­ri­schen Rat wurden in der Wei­marer Republik, manche gar im Kai­ser­reich poli­tisch sozialisiert.

Mit Artikel 21, Absatz 4, der die Bestimmung der Recht­mä­ßigkeit, gefasst als Ver­fas­sungs­kon­for­mität von Par­teien dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über­ant­wortet, ist das so genannte Par­tei­en­pri­vileg for­mu­liert, das eine Reihe – man soll es nicht glauben – posi­tiver Aus­wir­kungen hat. Eine davon findet sich in Artikel 129 des Straf­ge­setz­buches, der die Bildung kri­mi­neller Ver­ei­ni­gungen unter Strafe stellt:

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Straf­ge­setzbuch (StGB)
§ 129 Bildung kri­mi­neller Vereinigungen

(1) Mit Frei­heits­strafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld­strafe wird bestraft, wer eine Ver­ei­nigung gründet oder sich an einer Ver­ei­nigung als Mit­glied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straf­taten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Frei­heits­strafe von min­destens zwei Jahren bedroht sind. Mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe wird bestraft, wer eine solche Ver­ei­nigung unter­stützt oder für sie um Mit­glieder oder Unter­stützer wirbt.
(2) Eine Ver­ei­nigung ist ein auf längere Dauer ange­legter, von einer Fest­legung von Rollen der Mit­glieder, der Kon­ti­nuität der Mit­glied­schaft und der Aus­prägung der Struktur unab­hän­giger orga­ni­sierter Zusam­men­schluss von mehr als zwei Per­sonen zur Ver­folgung eines über­ge­ord­neten gemein­samen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1. wenn die Ver­ei­nigung eine poli­tische Partei ist, die das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt nicht für ver­fas­sungs­widrig erklärt hat,
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Aus der Tat­sache, dass Par­teien, wenn es um die Bildung einer kri­mi­nellen Ver­ei­nigung geht, explizit aus­ge­nommen sind, wird häufig abge­leitet, dass Par­teien einen Frei­schein dazu haben, kri­mi­nelle Ver­ei­nigung zu sein. Und in der Tat ist die Kor­ruption, die von Par­teien begünstigt wird und in Par­teien zu finden ist, sicher ein Kri­terium, das zu deren Ein­ordnung als kri­mi­neller Orga­ni­sation führen muss. Aber § 129 Absatz 3 stellt (noch nicht ver­bo­tenen) Par­teien einen Per­sil­schein für Kri­mi­na­lität aus?

Nein, das tut er nicht.
Er trägt der Tat­sache Rechnung, dass nur das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über Par­teien zu Gericht sitzen kann, sie damit nicht Gegen­stand des Straf­ge­setz­buches, dessen Durch­setzung Staats­an­walt­schaften und ordent­lichen Gerichten unter­liegt, sein können.

Mit andren Worten: § 129 Abs. 3 ent­zieht die Ver­folgung von Par­teien deren poli­ti­schen Gegnern, denn Staats­an­wälte sind wei­sungs­ge­bunden und können von Jus­tiz­mi­nistern leicht instru­men­ta­li­siert werden, etwa in der Weise, wie das in Ver­fahren gegen Ärzte, die sich dem Masken- oder Impf­terror der Regierung ent­gegen gestellt haben, der Fall ist.

Was pas­siert, wenn solche Jus­tiz­mi­nister mit § 129 StGB ein Mittel in die Hand bekommen, um gegen ihre poli­tische Oppo­sition vor­zu­gehen, das kann sich jeder leicht selbst aus­malen. Man kann sagen, Artikel 129 Absatz 3 ist ein Segen für Par­teien wie die AfD, denn dass sie in Thü­ringen oder Bran­denburg oder Berlin oder Bremen umgehend zum Gegen­stand poli­tisch-moti­vierter Straf­ver­folgung gemacht werden würden, ist eine Pro­gnose, die man mit ziem­licher Gewissheit abgeben kann.

Letztlich hat die AfD und haben andere oppo­si­tio­nelle Par­teien den Vätern der Ver­fassung und ihrem erheb­lichen Miss­trauen gegenüber Par­teien und dem in ihnen zu fin­denen Potential von Miss­brauch und Kor­ruption zu danken, dass sie dieser Form der sys­te­ma­ti­schen Ver­folgung poli­ti­scher Gegner, für die es keinen ver­nünf­tigen Zweifel gibt, dass sie nicht umgehend zur Anwendung käme, einen Riegel vor­ge­schoben haben.

Der Beitrag erschien zuerst hier: ScienceFiles.org