Was hat ein belegtes Brötchen mit Markt und Freiheit zu tun?

In der Öko­nomie ist der Zusam­menhang zwi­schen Markt­wirt­schaft und Freiheit seit langem bekannt, ins­be­sondere die Ver­treter der öster­rei­chi­schen Schule haben wichtige Bei­träge dazu geleistet. Leider sind diese Erkennt­nisse weder in der Politik noch in der Bevöl­kerung weit ver­breitet, zumindest deuten ver­schiedene Hand­lungen darauf hin.

(von Rainer Fass­nacht)

Ver­schärfend kommt hinzu, dass es Indizien dafür gibt, dass der Zusam­menhang zwi­schen Markt­wirt­schaft und Freiheit in der Politik auch bewusst igno­riert wird, um Macht zu gewinnen und aus­zu­bauen. Auch in der Bevöl­kerung werden die Erkennt­nisse teil­weise wis­sentlich igno­riert; hier scheinen Bequem­lich­keits­gründe eine Rolle zu spielen.

Wenn man die Aus­wirkung dieser Unkenntnis bedenkt, wäre es ein großer Fehler, diese Bil­dungs­lücke (oder das bewusste Miss­achten) für ver­nach­läs­sigbar zu halten. Wer den Zusam­menhang nicht kennt, ist anfällig für Miss­deutung des tat­säch­lichen Geschehens, was den Teu­fels­kreis aus Markt­feind­lichkeit und Frei­heits­verlust weiter antreibt.

Die große Her­aus­for­derung besteht also darin, den Zusam­menhang zwi­schen Markt und Freiheit so einfach und ver­ständlich wie möglich zu ver­mitteln, um mög­lichst viele Men­schen zu erreichen.

Das belegte Brötchen

Viel­leicht haben Sie irgendwann einmal ein belegtes Brötchen gekauft. Das bestand ihrem Wunsch ent­spre­chend aus zwei Bröt­chen­hälften, die mit Butter beschmiert waren, darauf lag ein Blatt Salat, eine Toma­ten­scheibe, etwas Käse und Koch­schinken. Eine Ver­käu­ferin im Geschäft, hat ein paar freund­liche Worte mit Ihnen gewechselt, das belegte Brötchen in eine Tüte getan und ihr Geld entgegengenommen.

Das pas­siert so, oder so ähnlich, tag­täglich und scheint uns ganz selbst­ver­ständlich – das ist es aber nicht. Es ist das Ergebnis eines raum- und zeit­über­grei­fenden Netz­werks bezie­hungs­weise eines dyna­mi­schen Koor­di­na­ti­ons­pro­zesses, den wir „Markt“ oder „Markt­wirt­schaft“ nennen.

Der Bäcker brauchte einen Raum, Maschinen und Per­sonal, um das Brötchen backen und ver­kaufen zu können. Außerdem brauchte er Mehl und andere Roh­stoffe sowie Energie. Betrachten wir ein Element davon genauer, das Mehl. Um es zu pro­du­zieren war eine indus­trielle Mühle im Einsatz, die eben­falls Raum, Maschinen, Per­sonal, Energie und Roh­stoffe benötigte.

Der Mehl-Roh­stoff ist Getreide, dieses wurde von einem Bauern geliefert, der zur Pro­duktion auf die Natur, auf Erde, Sonne und Regen ange­wiesen war. Aber auch der Bauer brauchte Raum, Maschinen und Per­sonal, auch er benötigt Energie und anderes, damit er das Getreide für die Mühle anbauen, ernten, trocknen, trans­por­tieren und ver­kaufen konnte.

Das Per­sonal – die Men­schen in der Back­stube oder am Ver­kaufs­tresen, in der Mühle, beim Bauern oder den zahl­reichen Zulie­ferern – brauchen zu Essen und zu Trinken, müssen sich kleiden und benö­tigen ein Dach über dem Kopf. Auch dafür gibt es Anbieter, die wie­derum in ein weit­läu­figes und unüber­sicht­liches Netzwerk ein­ge­bunden sind. Und jeder benötigt für seine Arbeit Expertise, die Ver­käu­ferin ebenso wie der Bäcker­meister, der Chef der Mühle, seine Arbeiter und so weiter.

Diese Ver­netzung geht weit über das hinaus, was wir uns beim Kauf eines belegten Bröt­chens vor­stellen – oder über­haupt erfassen können. Dieses Netzwerk ver­bindet und koor­di­niert über den Raum und die Zeit hinweg. Das Bröt­chenmehl von heute wurde bereits im Vorjahr angebaut und die im Prozess benö­tigten Maschinen viel­leicht schon Jahr­zehnte zuvor – manches im Inland, manches im Ausland – pro­du­ziert. Die Roh­stoffe für die Maschinen wurden in Minen irgendwo auf der Welt gewonnen, die unter Umständen schon vor Jahr­hun­derten erschlossen wurden.

Und obwohl jedes genannte Element (und noch viel mehr) benötigt wird, damit wir am Ende das gewünschte belegte Brötchen essen können, pas­sieren die ein­zelnen Schritte, ohne dass die Betei­ligten wussten, dass all dies dazu dient, dass Sie das gewünschte belegte Brötchen essen können.

Weder die Minen­ar­beiter in Afrika oder Aus­tralien noch die Maschi­nen­bauer in Amerika oder Japan haben bei ihrer Arbeit daran gedacht oder über­haupt gewusst, dass Sie gern ein belegtes Brötchen essen möchten, und dafür auf ihre Mit­wirkung ange­wiesen sind. Die Betei­ligten han­delten im eigenen Interesse und nützten zugleich allen anderen – auch Ihnen.

In diesem Zusam­menhang von „Lie­fer­kette“ zu sprechen, ist absolut irre­führend. Kette klingt nach Über­sicht­lichkeit, nach ein­zelnen bekannten mit­ein­ander ver­bun­denen Gliedern. Tat­sächlich gibt es ein raum- und zeit­über­grei­fendes Netzwerk bezie­hungs­weise einen dyna­mi­schen Koor­di­na­ti­ons­pro­zesses, der sich der Erfassung, Planung und Lenkung ent­zieht. Wir nennen es „Markt“ oder „Markt­wirt­schaft“.

Die Idee eines „Lie­fer­ket­ten­ge­setzes“ oder der Glaube an staat­liche Planung zeugt von Unkenntnis gigan­ti­schen Aus­maßes. Die „Unsichtbare Hand des Marktes“, die Abstimmung frei­wil­liger Hand­lungen aller Betei­ligten im gegen­sei­tigen Interesse wird durch Büro­kratie und Plan­wirt­schaft derart gestört, dass die Aus­wir­kungen erheblich sind.

Leere Regale, feh­lende und ver­fal­lende Woh­nungen, Ener­gie­preise, die Unter­nehmen zum Auf­geben und Haus­halte in die Armut treiben, und viele andere Stö­rungen mehr sind die Kon­se­quenz, wenn nicht ver­standen wird, was Markt über­haupt ist. Es sind die poli­ti­schen Ein­griffe in den Markt, die zu jenen Pro­blemen führen, welche in der Politik gern als „Markt­ver­sagen“ bezeichnet werden.

Es sind die poli­ti­schen Ein­griffe in den Markt, die zu jenen Pro­blemen führen, welche in der Politik gern als „Markt­ver­sagen“ bezeichnet werden.

Wenn Mieten steigen, weil die Nach­frage wegen geför­derter Zuwan­derung zunimmt, und das Angebot wegen der staat­lichen Rege­lungswut sinkt, ist dies ein Zeichen, dass der Markt funk­tio­niert. Die Störung geht vom poli­ti­schen Ein­griff aus, der Anmaßung, etwas so Kom­plexes und Unüber­sicht­liches wie das Gefüge der Wirt­schafts­be­zie­hungen am rot-grün-gelben Tisch planen zu können.

Der Markt gehört zu den größten Errun­gen­schaften der Men­schen. In einer Welt der Knappheit (also unserer Welt) ist er der best­mög­liche Koor­di­na­ti­ons­prozess. Jeder poli­tische Ein­griff führt unwei­gerlich zu gewal­tigen Stö­rungen – selbst, wenn er mit besten Absichten erfolgt.

Diese markt­feind­liche Politik raubt unver­meidlich die Freiheit. Bei­spiels­weise erscheinen Über­le­gungen wie „alte Men­schen müssen raus aus großen Woh­nungen“ bei immer knapper wer­dendem Wohnraum beden­kenswert. Auch die Über­legung, Preise poli­tisch fest­zu­legen, wenn diese kaum noch zu stemmen sind, scheint plau­sibel. Doch damit wird der Teufel mit dem Beel­zebub aus­ge­trieben. Es wäre besser, die Ein­griffe, welche die Ursache der Störung waren rück­gängig zu machen, statt wegen den Folgen erneut Ein­griffe zu tätigen, die ihrer­seits Fehl­ent­wick­lungen bewirken werden.

Frei­heits­verlust ist bei markt­feind­licher Politik unver­meidlich, weil die Ein­griffe zu Fehl­al­lo­ka­tionen führen, deren Folgen offen­sichtlich werden. Neue poli­ti­schen Ein­griffe zur Bekämpfung der auf­tre­tenden Effekte werden jedoch nur als „Lösung“ wahr­ge­nommen, solange die Men­schen nicht ver­stehen, was über­haupt den Markt aus­macht, darum ist dieses Wissen so wichtig.

Wenn der Bäcker trotz großer Nach­frage bei­spiel­weise keinen Koch­schinken mehr auf dem Brötchen anbietet, kann dies eine direkte Folge ent­spre­chender Rege­lungen sein – weil zuvor ent­schieden wurde, dass der Fleisch­konsum redu­ziert werden soll.

Es könnte aber auch die Folge eines weniger offen­sicht­lichen Ein­griffs sein. Bei­spiels­weise könnte die Erhöhung der Ener­gie­preise (als Folge einer poli­tisch gewollten Trans­for­mation) einige Bäcker, Müller oder Bauern zum Auf­geben gezwungen haben – was Aus­wir­kungen auf die Ange­bots­menge und die Preise hatte.

Viel­leicht hat auch eine Sub­vention in Bereichen, die auf den ersten Blick über­haupt nichts mit dem belegten Brötchen zu tun haben, zur „Umleitung“ von Res­sourcen geführt. Auch in diesem Fall sind Aus­wir­kungen auf das Markt­an­gebot und die Kon­su­menten, den Wohl­stand und die Freiheit zu erwarten.

Denken Sie an das belegte Brötchen, wenn mal wieder ein Poli­tiker über das „Ver­sagen des Marktes“ schimpft und behauptet, es besser zu wissen. Er lenkt damit nur davon ab, dass die Pro­bleme ohne vor­herige Ein­griffe gar nicht erst ent­standen wären.

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Rainer Fass­nacht ist aus­ge­bil­deter Kaufmann und stu­dierter Diplom-Ökonom. Er lebt in Berlin und ist Autor des Buchs „Unglaub­liche Welt: Eta­tismus und indi­vi­duelle Freiheit im Dialog“. Auch in seinen sons­tigen, unter anderem vom Aus­trian Eco­nomics Center in Wien ver­öf­fent­lichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der indi­vi­du­ellen Freiheit ein.


Quelle: misesde.org